- Des Löwen Klauen stumpfe, grimme Zeit,
- Die Erde laß verschlingen ihre Brut,
- Entwaffne du des Tigers Grausamkeit,
- Erstick’ den Phönix in des Feuers Gluth.
- - Sonett 19
m Jahre 2Ä 896 stieg ein edler Kriegerkönig namens Tiber Septim aus dem Chaos der verheerenden Bürgerkriege empor, die den Kontinent Tamriel überzogen und erklärte sich selbst zum Kaiser. Viele stellten sich seinem Anspruch entgegen und zerstoben vor seiner Macht wie knisternde Flammenfunken. Als Septim im Jahr nach seiner Eroberung zum ersten Kaiser von Tamriel gekrönt wurde, verkündete er zugleich den Beginn eines neuen Zeitalters, der Dritten Ära von Tamriel. Aber das ist für Euch alles nur alte Geschichte.
Ihr wurdet im Jahre 3Ä 375 unter der Herrschaft des vierundzwanzigsten Kaisers von Tamriel, Uriel Septims VII., geboren. Die Zivilisation, die Tiber Septim den Untertanen seines Kaiserreichs aufgezwungen hatte, ist beinahe zerfallen: wie die Schriftrollen der Alten vorausgesagten, hat sich das blutige Rad fast vollständig auf Anarchie zurückgedreht. Manche nennen es eine Laune des Geschichtenerzählers Jephre, der Schicksal zu seinem göttlichen Vergnügen wirkt. Andere behaupten, dass die unwürdigen Erben Tibers ihren Vasallenkönigen zu viele Freiheiten eingeräumt hätten oder ihnen der militärische Genius ihres Vorfahren fehlt. Einige wenige erkennen auch das Wesen derer, die in der Arena Tamriel leben und bemerken, dass an einem solchen Ort überhaupt niemand ein dauerhaftes Kaiserreich erschaffen könne - Tiber muss übernatürlichen Beistand gehabt haben, um seine Taten zu vollbringen. Aber solche Theorien überlassen wir besser den Schriftrollenhütern in der Kaiserstadt oder den Psijiks auf der Insel Artaeum. Tamriel ist wie es ist.
Der gegenwärtige Kaiser ist für Euch kein Fremder. Ihr habt ihm in der Vergangenheit geholfen und wisst, dass er in Euch einen treuen Untertanen, vielleicht sogar einen Freund sieht! Vertrauen ist ein Preis, den man von Uriel Septim nur schwer erringt. Er vertraute seinem letzten Kaiserlichen Kampfmagier, dem machtbesessenen Jagar Tharn, und das hätte ihn beinahe vernichtet. Allein sein jetziger Kaiserlicher Kampfmagier Ocato von Ersthalt, schon seit langem im Ältestenrat, hat sich die Position des Vertrauten und obersten Ratgebers des Kaisers verdient.
Als Euch der Kaiser in seine Audienzkammer bestellt, seid Ihr nicht überrascht, dass er Euch auffordert, erst nach Mitternacht zu erscheinen. Ihr seid es gewohnt, den Kaiser zu ungewohnter Stunde zu sehen. Manchmal scheint es, als ob Ihr für den Kaiser eine besonders angefertigte Waffe seid, die man heimlich und vor den neugierigen Blicken des offiziellen Hofes verborgen zieht. Eine vertraute WaEche eskortiert Euch die vergoldeten Marmorhallen des Palastes hinab zur Kammer des Kaisers. Auf dem Weg passiert Ihr altertümliche Gobelins und Skulpturen, die Tiber Septim oder einer seiner nicht minder habgierigen Nachfahren akquiriert hatten.
Uriel Septim begrüßt Euch förmlich und in völliger Dunkelheit, während Ocato eine einzige Kerze entzündet, die kaum Licht spendet. Dies sollte selbst für den vorsichtigen Uriel Septim ein ungewöhnlich heimliches Treffen werden.
„Bitte entschuldigt die Finsternis", hebt er an, "„aber niemand darf von diesem Treffen erfahren. Die Natur meines Ungemachs ist noch düsterer. Es betrifft König Lysandus von Dolchsturz, der vor über einem Jahr ehrenvoll auf dem Schlachtfeld gefallen ist.“
Ihr wollt antworten, aber der Kaiser heißt Euch zu schweigen. Es ist ungewöhnlich für ihn, Euch keine Fragen oder Bemerkungen zu gestatten. In dieser bestimmten Angelegenheit scheint er sich fast vor zu vielen Nachforschungen zu fürchten.
Ohne Unterbrechung fährt der Kaiser fort:
„Er war mir ein so wichtiger und treuer Untertan, Verbündeter und Freund wie Ihr es seid. Ich habe um ihn getrauert ... und nun muss ich hören, dass sein Geist keine Ruhe findet. Er sucht er sein einstiges Königreich heim und schreit nach Rache. Ich weiß nicht, warum ein so guter und treuer Mann hierzu verflucht sein sollte, aber vielleicht könnt Ihr den Grund finden, den unersättlichen Schlund des Reichs des Vergessens schließen und seiner Seele Frieden bringen. Ich bitte Euch darum als Euer Kaiser ... und auch als Euer Freund.
Ich habe noch einen weiteren, weniger bedeutenden Auftrag. Vor etlichen Jahren schickte ich an Lysandus' Königin Mynisera einen Brief. Nun lässt sie mich wissen, dass sie ihn nie erhalten hat. Die Botschaft war ... von sentimentaler und persönlicher Natur. Ich wäre sehr erleichtert, wenn Ihr diesen Brief finden und vernichten könnt.“
Der Brief, so ahnt Ihr instinktiv, ist bedeutend wichtiger als das. Aber wieder sind Euch keine weiteren Fragen gestattet. Der Kaiser verabschiedet Euch freundlich, aber unmissverständlich: „Nun, mein Champion, ruhet wohl heute Nacht, denn schon morgen segelt Ihr ins Königreich Dolchsturz.“
Ihr nehmt nur leichtes Gepäck mit, denn Ihr wisst welcher Art die Reise ist, die vor Euch liegt. Der Kaiser beabsichtigt, Euch in einem kleinen, namenlosen Segelboot den Yrinthi hinab zum Bjoulsae zu schicken und von dort aus weiter über die Iliac-Bucht bis nach Dolchsturz. Alle drei Gewässer, die Flüsse Yrinthi und Bjoulsae sowie die Iliac-Bucht, werden bekanntermaßen von Piraten heimgesucht, so dass demonstrativ verzierte Schiffe auch auffällig gut verteidigt sein müssten.
Die Schiffsfahrt verläuft ereignislos, wodurch Euch die wochenlange Reise an die Iliac-Bucht noch länger vorkommt. Ihr habt immer noch tausend Fragen zum Sinn dieser Mission: Wie Ihr den Geist von König Lysandus exorzieren sollt, welche Bedeutung dem Brief des Kaisers beikommt und wo dieser Brief wohl sein könnte. Ihr erkennt aber wie zwecklos es ist, über diese nicht zu beantwortenden Fragen nachzugrübeln und konzentriert Euch stattdessen darauf, Euch alles ins Gedächtnis zurückzurufen, was Ihr über Dolchsturz und das Gebiet der Iliac-Bucht wisst.
Ihr wisst um den Krieg, der Lysandus gefordert hatte. Der Betonienkrieg genannte Konflikt war für die Königreiche Dolchsturz und Schildwacht beiderseits verheerend. Die Auseinandersetzung wurde um eine kleine, aber politisch wichtige Insel am Westende der Bucht unweit des Abekäischen Meeres geführt. Im letzten Gefecht dieses Krieges, der blutigen Schlacht von Cryngaine, wurden die Könige beider Reiche getötet. In Schildwacht übernahm die Königinwitwe Akorithi als Regentin den Thron, bis ihre Kinder volljährig wären. In Dolchsturz wurde Lysandus von seinem Sohn Gothryd nachgefolgt. Aber Dolchsturz gewann den Krieg und besaß damit die Insel Betonien.
Gothryds erste Handlung als König bestand darin, offiziell Frieden mit Schildwacht zu schließen und als Unterpfand Prinzessin Aubk-i von Schildwacht zu heiraten. Ihr wisst aber noch nicht, ob sich diese Verbindung als klug herausgestellt hat.
Die dritte Hauptmacht an der Iliac-Bucht neben Dolchsturz und Schildwacht ist das Königreich Wegesruh, regiert vom älteren König Eadwyre und seiner Gemahlin. Sie war die legendäre frühere Königin von Gramfeste. Beide haben aus früheren Verbindungen nahezu gleichaltrige Kinder. Obwohl Ihr keine Einzelheiten kennt, erinnert Ihr Euch an Gerüchte, wonach es Streit über die Thronfolge gibt. Zweifellos würde sich ein Abstecher nach Wegesruh lohnen. Man sagt, es sei ein Königreich von großem Wohlstand, ein Land, das die Klassen der Kaufleute durch Handel reich gemacht habe.
Euer Schiff segelt an den uralten Steinmauern von Wegesruh vorüber und der Bjoulsae öffnet sich in die atemberaubende Weite der Iliac-Bucht. Eure Augen blicken vom Wasser zum Himmel hoch. Im Westen herrscht völlige Dunkelheit - die sich mit furchteinflößender Heftigkeit zusammenbrauenden Wolken haben die Sonne ausgelöscht. Ihr wisst nicht, wie bald Euch der Sturm treffen wird und erwägt, in Wegesruhs sicheren Hafen zurückzusegeln. Aber Wegesruhs Kais sind nicht billig, die Kaufleute können von Reisenden auf der Flucht vor Piraten oder anderen Händlern verlangen, was sie wollen.
Anticlere liegt nicht viel weiter die Küste hinauf und es muss auch noch andere kleine Fischerdörfer geben, bei denen man anlegen kann. Es ist nicht leicht, die Entfernung des Sturms abzuschätzen - vielleicht wütet er draußen in der Abekäis und ebbt schon ab, bevor er über die Bucht kommt.
Zu allem Unglück beginnt es nur ein paar Meilen westlich der Insel Balfiera zu regnen. Bald wird es so dunkel, dass Ihr Euer Boot kaum noch sehen könnt. Dafür könnt Ihr spüren, wie es jedesmal knirscht und knackt, wenn eine Welle gegen die Bordwand schlägt. Das Wasser hat sich inzwischen zu einem schwärzlichen Violett verfärbt. Plötzlich ist Eure Vorstellungskraft von den Fabeln über monströse Kreaturen eingenommen, die tief in der Iliac-Bucht lauern - unheimliche Tentakelwesen, Frauen mit Aalkörpern, fleischfressende Fische …
Ihr verdrängt diese Schreckensbilder und konzentriert Euch auf die aktuelle Gefahr. Der Regen stürzt wie ein endloser Speerhagel aus der Dunkelheit herab. Das Geräusch vereint sich mit dem Zusammenstürzen der Wellen, dem Splittern Eures Bootes und dem schrillen Heulen des Windes. Ihr werdet so taub wie blind. Wie betäubt steuert Ihr Euer Boot in die Richtung, von der Ihr hofft, dass sie Norden ist.
Eure letzten Gedanken gelten einem pechschwarzen Schatten, der vor Euch in den tiefgrauen Himmel ragt - ist es die Klippenwand oder ein noch dunkleres Sturmeswüten? Eine Flutwelle schlägt über die Bordwand und spült Euch aus dem Boot. Als Ihr in die dunkle, brodelnde Bucht stürzt, seht Ihr noch, dass wie zur Nachahmung auch Euer Schiff unter Wasser gedrückt wird. Dann schlägt Euch etwas gegen den Kopf.
Ihr seid dem Tod schon sehr nahe, aber durch schiere Willenskraft gewinnt Ihr den Kampf gegen den reißenden Strudel unter dem Meer. Der Sturm hat sich zu einem widernatürlichen Unwetter gesteigert, wie ein lebendiges Ding unter dem Befehl eines bösartigen Vergeuders. Mit verzweifelten, wild um Euch schlagenden Händen findet Ihr eine hervorstehende Felszunge. Qualvoll langsam zieht Ihr Euch über den Rand der Klippe. Die Wellen donnern so heftig dagegen, dass die Felswand selbst Risse bekommt. Steine lösen sich aus der Klippe und verwandeln sich in tödliche Geschosse. Erst im letzten Moment, als die gesamte Klippenwand schon ins wilde Meer stürzt und Euch mit sich reißt, seht Ihr die kleine Höhlenöffnung und rettet Euch in die Zuflucht.
Eure Augen haben sich kaum an die Dunkelheit der Höhle gewöhnt, als Ihr hinter Euch ein Donnern hört. Einen Augenblick geratet Ihr in Panik ... Ihr wurdet lebendig begraben! Aber dann erkennt Ihr den Tunnel - Euren einzigen Weg nach draußen.