Nacht der Furcht

Rakios

Reisender
Hi alle.

Als ich des nachtens allein im Haus herumlief, kam mir der Gedanke, wie grauenhaft es wäre, käme plötzlich eine fürchterliche Bestie aus der Dunkelheit gesprungen. Daraus habe ich um rund 3 Uhr früh diese Geschichte erschaffen. Hoffentlich gefällt sie euch.


Nacht der Furcht

Die Bewegung des massigen Schattens, die ich von der obersten Treppenstufe aus erkennen konnte, wälzte auf Hannes zu. Mein Gott, er war noch da unten. Ich konnte ihn in der Finsternis nicht sehen, nur vermuten, wo er sich befand.
Wir waren bereits bis ganz nach oben geflohen – es ging nicht weiter. Hannes war gestürzt. Ich konnte ihm nicht helfen. Schon, weil ich wie paralysiert das hölzerne Geländer umklammerte.
Er schrie. Ich hörte meinen besten Freund schreien, wie ich ihn nie hatte schreien hören. Es hörte nicht auf. Die grauenvollen Laute steigerten sich immer weiter.
Mir wurde schlagartig eiskalt, alle Haare meines Körpers stellten sich auf. Hannes‘ Schreie veränderten sich mit einem Mal. Sie wurden zu einem animalischen, hysterischen Kreischen. Dann plötzlich verstummten sie, wurden von anderen Geräuschen ersetzt.
Dem Reißen von Fleisch.
Beinah übergab ich mich vor Angst. Ich starrte gelähmt die Treppe hinunter – den einzigen Weg zu uns hinauf – ohne irgendetwas sehen zu können.
Eine andere Stimme riss mich aus der Starre. „Jonas“, kreischte die Stimme, „komm rein!“
Ich schaffte es, mich abzuwenden und auf die Tür am oberen Ende der Treppe zu zu hasten. Aus irgendeinem Grund drehte ich mich noch einmal um. Am Fuß des Aufgangs lebten die Schatten.
Endlich durchschritt ich die Tür und gelangte in das oberste Zimmer des Hauses, wo mein Freund Hannes wohnte. Drinnen wartete meine Freundin auf mich. Über ihr hübsches Gesicht liefen Tränen.
Ich warf die Tür ins Schloss. Oh Segen, der Schlüssel steckte von innen. Meine verschwitzten Finger glitten fast ab, als ich ihn im Schloss drehte, bis es blockierte.
Sofort sprang ich von der Tür weg und kniete mich zu Nadia auf den Boden. Das Licht ging nicht, doch durch den Vollmond war es nicht völlig dunkel in dem kleinen Zimmer.
Wir blickten einander an. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und so nahm ich einfach ihre Hand. Als Nadia die Nase hochzog und zu sprechen ansetzte, erklang ein dumpfes Geräusch von der Treppe. Statt Worten brachte sie nur ein verzweifeltes Schluchzen hervor.
Das Geräusch wiederholte sich – es war spürbar näher gekommen.
Jetzt bemerkte ich, dass auch ich weinte. Ich lehnte meinen Kopf an Nadias Arm. Wären wir doch nur zu dem Konzert gefahren, wie wir es meinen Eltern gesagt hatten.
Die schweren Schritte ertönten wieder und wieder. Schließlich hörten wir sie zum direkt vor der dünnen Holztür unseres Zimmers. Dann folgte ein gurgelndes Geräusch wie das Knurren einer Bestie.
Nadia zog an meinem Arm. Sie war aufgestanden und bedeutete mir, in die Ecke des Raumes zu schleichen. Zu gern hätte ich in ihrem Gesicht einen Hauch von Hoffnung oder Mut gelesen, doch da war nur Furcht. Ich wischte meine Tränen mit dem Ärmel ab und folgte ihr.
Wir hockten uns in die Ecke, so weit wie möglich von der Tür weg. Ich blickte abwechselnd zu dem Mädchen, das ich in den Arm genommen hatte, und zum Eingang. Es gab keinen Ausweg, keine Fluchtmöglichkeit. Wir waren ausgeliefert.
Als ein scharfes Geräusch die Stille zerschnitt, fuhr ich zusammen und drückte Nadia noch näher an mich. Etwas kratzte unerbittlich an der Tür.
Mein Sichtfeld verschwamm wieder, da die Tränen erneut liefen. Ich spürte Nadias flachen Atem auf meiner nassen Haut. Angesichts des drohenden Schreckens fiel es mir schwer, ein Wimmern zu unterdrücken. Doch ich durfte auf keinen Fall einen Laut von mir geben.
Dann geschah es. Mit einem Knall brachen die Türangeln weg. Die Tür kippte wie ein Brett ins Zimmer. Nein… nein!
Ich schloss die Augen und klammerte mich an Nadia. Mehrere Sekunden lang kniff ich die Lider zusammen. Den Lauten nach zu urteilen, kam etwas Weiches über den Teppichboden näher. Obwohl es leise war, tat es in den Ohren weh. Kurz darauf herrschte wieder Stille.
Zuerst öffnete ich ein Auge, sodass ich nur das Gesicht meiner Freundin sah. Es war erstarrt. Ich drehte meinen Kopf und blickte in den Raum. Das Grauen erstickte mich. Mein Brustkorb verkrampfte sich und mein Gesicht wurde zu einer Fratze.
Eine massige farblose Gestalt stand uns gegenüber. Die Pranken an den langen sehnigen Armen waren zu Fäusten geballt und stützten den riesigen, fellbedeckten Körper.
Der Horror starrte mir aus boshaften Augen entgegen. Von der Kreatur ging eine Aura der Hoffnungslosigkeit aus.
Der wolfsartige Kopf entblößte schimmernde Zähne. Dann kam er näher.
Schritt um Schritt bewegte sich die Bestie auf uns zu. Meine Umarmung löste sich langsam. Es durfte so nicht enden, das durfte nicht sein! Doch wir waren buchstäblich in die Ecke getrieben. Nadia streifte meine Hände ab und schob sich rückwärts.
Der Wolf schritt genau zwischen uns. Eine entsetzlich lange Pause entstand. Ich wollte nicht realisieren, dass sich jetzt entscheiden würde, wer starb.
Der Kopf der Bestie ruckte zu mir herum. Mein Herz gefror. Nicht mich!
Eine grausige krallenbewehrte Hand streckte sich nach mir aus. Ich brüllte und stand auf – doch zu spät. Die pelzigen Finger schlossen sich um meinen Oberkörper. Das Gefühl war ekelerregend.
Meine Schreie wurden lauter, als ich mich nach Leibeskräften wand. Nichts half. Die zweite Pranke packte meine Schulter und grub ihre Klauen durch meine Kleidung. Dann wurde ich angehoben.
„Nein!“, rief ich, „Neeeiiinn!“ Ich konnte mich nicht bewegen, selbst als die schrecklichen Kiefer des Monsters sich weiteten und auf mich herabsenkten. An den Zähnen klebte deutlich sichtbar das Blut meines besten Freundes.
Hinter der Gestalt, die mich gepackt hatte, sah ich noch eine Bewegung. Es war Nadia – sie setzte durch die Tür hinaus und trampelte die Treppe hinab. Sie ließ mich allein!
Ich schrie so laut, wie ich es nie für möglich gehalten hatte. Plötzlich stechender Schmerz. Ich musste hilflos mit ansehen, wie sich die Fänge des Ungetüms in meinen Brustkorb gruben.
Meine Schreie verstummten, aber nur, weil ich keine Luft mehr bekam.
In der nun folgenden Stille hörte ich auf ein Mal ein Kreischen von unten. Ich erkannte Nadias Stimme. Was immer geschehen war, ich konnte nichts tun. In diesem Moment begann sich mein Rachen mit einer warmen Flüssigkeit zu füllen, die mir sogleich aus den Mundwinkeln lief.
Mein Geist versank in einem finsteren Abgrund ohne den geringsten Schimmer Licht. Mein Körper bebte vor Schmerz. Alles war verloren.
Mein Bewusstsein schwand.


Ende


Wer mag, möge etwas sagen.


Rakios
 
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Toll geschrieben, ist besser als das was ich von manchen Berufsautoren kenne!

Als ich des nachtens allein im Haus herumlief, kam mir der Gedanke, wie grauenhaft es wäre, käme plötzlich eine fürchterliche Bestie aus der Dunkelheit gesprungen.

Das kenn ich ;)
 
Mir gefällt die Geschichte auch sehr gut.

Eigentlich wollte ich schon gestern etwas dazu schreiben, aber ich habe irgendwie nicht die richtigen Worte gefunden. Einen Beitrag nur mit "Schöne Geschichte" gefällt mir eigentlich nicht so. Ich finde aber noch immer nicht die richtigen Worte um etwas Tiefergehendes zu schreiben. Deswegen mal nur ganz normaler Kram ;)

Mir ist die Geschichte etwas kurz. Ich hätte gerne noch ein wenig mehr erzählte Zeit. Es muss nicht unbedingt viel mehr Handlung rein, aber irgendwie wirkt die Geschichte für mich nur wie ein Auszug aus einer längeren Erzählung. Vielleicht kannst du ja irgendwann die Vorgeschichte schreiben :)
 
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Reaktionen: Rakios
Man könnte meinen es wäre eine von Stephen Kings Kurzgeschichten! :)
Aber wie Killfetzer schon gesagt hat, es fehlt drum herum noch etwas. Man fühlt sich, als wäre man in eine größere Geschichte hineingestolpert.

nur einen haken: wie kann der das denn dann aus der ich-perspektive erzählen?
Vielleicht sind das seine letzten Gedanken, bevor er stirbt?
 
Die Geschichte ist von der handwerklichen Seite gesehen sehr gut, schöner Schreibstil und auch ordentlich spannend. Die Länge finde ich ebenfalls in Ordnung.

Allerdings ist mir die Handlung ein wenig zu "bekannt". Werwolfsangriffe gab es im Horrorgenre schon mehr als genug, und dieser Werwolf scheint mir auch kein besonderer zu sein...
Anders formuliert, du verschenkst besonders am Ende viel Potenzial. Ein wenig schwarzer Humor, eine überraschende Wendung oder ein offenes Ende - und schon hast du eine exzellente Horrorgeschichte, die sich vom Bekannten abhebt.

Das natürlich nur als Anregung... ;)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Allerdings ist mir die Handlung ein wenig zu "bekannt". Werwolfsangriffe gab es im Horrorgenre schon mehr als genug, und dieser Werwolf scheint mir auch kein besonderer zu sein...

Ach für dich war das ein Werwolf? Ganz so offensichtlich scheint dies nicht zu sein, ich dachte an etwas anderes ;)
 
Was soll es denn sonst sein? Das Wort "Wolf" kommt mehr als einmal vor... Und auf einen normalen Wolf passt die Beschreibung dann doch wieder nicht. ;)
 
Klang für mich auch stark nach einem Werwolf, oder zumindest etwas derartigem. Etwas anderes kann ich mir da nicht wirklich drunter vorstellen. :?

MfG,

Merin
 
Höhö hey^^.

Nur um's mal klar zu stellen: Die Bestie ist schon (zumindest für mich) ein Werwolf. Ich habe bewusst nicht explizit gesagt, was genau es ist, damit ich mich nicht auf irgendeinen "Typ" festlege.

Allerdings ist mir die Handlung ein wenig zu "bekannt". Werwolfsangriffe gab es im Horrorgenre schon mehr als genug, und dieser Werwolf scheint mir auch kein besonderer zu sein...
Anders formuliert, du verschenkst besonders am Ende viel Potenzial. Ein wenig schwarzer Humor, eine überraschende Wendung oder ein offenes Ende - und schon hast du eine exzellente Horrorgeschichte, die sich vom Bekannten abhebt.
1.) :? Also, ähm... Werwolfsangriffe gab's schon. Ja ne. Es ging mir nun nicht darum, ein halbes neues Genre zu entwerfen. Und man kann wirklich nicht sagen, es gäb schon einen Haufen Geschichten, wo Kiddies sich im Haus des Freundes vor einem Werwolf verstecken. Mag es so ähnlich sicherlich schon gegeben haben, gar keine Frage.
Aber es gibt praktisch nichts mehr, was es nicht schon irgendwie gegeben hat. Außerdem gibt es natürlich einen Grund, weshalb ich einen Werwolf gewählt habe. Ich finde diese Kreaturen einfach unglaublich furchteinflößend. Ist halt so.

2.) Eins kann ich ganz stolz behaupten: Dass meine Geschichten gezielt an Klischees und vorhersehbaren Ereignissen vorbei manövrieren. Völlig neutral betrachtet ist das Ende sowohl offen (was mit der Freundin ist, weiß man z. B. nicht) als auch überraschend (allein schon durch das Fehlen eines Happy End oder Hoffnungsschimmers).
(Immerhin hat auch mal jemand Kritik geäußert.)

Okay, soll reichen. Ich bin ja eigentlich der selben Meinung und ich weiß echt alle Kommentare zu schätzen, danke.

Ich muss ehrlich sagen, dass mir in letzter Zeit eher kurze Geschichten gelingen, als "Richtige". Mir kommen tolle Ideen, auch mit Riesenstory drum herum, aber da fehlen dann doch wieder die Ideen, um eine komplette Geschichte draus zu machen.


Rakios