Ich habe Gothic II und das vom Kampfsystem mMn sehr ähnliche The Witcher (1) gespielt und würde das Kampfsystem von Kingdom Come: Deliverance damit nicht vergleichen wollen. Viel größere Ähnlichkeiten sehe ich nämlich bei Mount & Blade.
Man hat sechs Trefferzonen zur Auswahl und muss versuch, am Block des Gegners vorbeizukommen, indem man Angriffszonen wechselt, Finten durchführt oder gar erlernbare Spezialmaneuver, die durch eine Angriffskette auf bestimmte Angriffszonen ausgelöst werden. Eine gewisse Ähnlichkeit mit M&Bs vier Angriffszonen ist da vorhanden, auch wenn KC natürlich viel ausgereifter ist. Ich möchte auch auf das ähnliche System zur Rüstungsberechnung hinweisen. In M&B ist eine dicke Rüstung von schwachen Waffen undurchdringbar. Ebenso wird man mit einem schwachen Schwert gegen schwer gepanzerte Gegner keinerlei Schaden anrichten sondern nur jede Menge Lärm machen. Das lässt sich auf verschiedene Weisen umgehen: (A) Stärkere Waffen, die dann leider durch jede Rüstung schneiden wie durch Butter. (B) Den Gegner mit einer Angriffskette überziehen. Jeder Treffer gegen die Rüstung zieht Ausdauer ab. Ist die Ausdauer des Gegners aufgebraucht, erleidet er auch durch schwache Waffen viel Schaden. Nur bis man gegen gepanzerte Gegner genug Ausdauer hat, um selbst so lange anzugreifen, muss man erst mal ordentlich leveln. (C) Streitkolben verwenden. (D) Gezielt Schwachpunkte der gegnerischen Rüstung angreifen. Bis auf ein paar besonders starke Gegner haben die meisten Feinde nämlich keinen Vollhelm sondern nur eine Haube. Ein Stichangriff ins Gesicht ist sehr effektiv. (E) So lange auf den Gegner einprügeln, bis seine Rüstung zerstört ist. (F) Gift, wobei ich das nie ausprobiert habe. (G) Gut mit der Waffe werden, bei Herr Bernard den perfekten Block lernen und zu einem Gegenangriff ausbauen, der automatisch trifft.
Das Kampfsystem benötigt Übung, aber mir hat es gefallen. Üben kann man übrigens, sobald man die ersten Schritte in der Hauptquest geschafft hat... also nach ca. 6 Stunden Spielzeit. Ab da steht einem ein Trainingspartner zur Verfügung, der sich mit beliebigen Waffentypen mit einem prügelt. Das bringt nicht nur Übung, sondern steigert dank Learning by Doing auch die Fertigkeitswerte! Die Bevölkerung ist dankbar, denn wir wissen ja, dass ansonsten die Spieler mit sehr viel Neuladen an Bürgern und Wachen üben würden.
Schwächen hat es natürlich. Sobald man eine gute Waffe hat, braucht man keine Spezialmaneuver mehr, weil man Gegner ungeachtet ihrer Rüstung auslöschen kann – Anderthalbhänder sind hier die Waffe der Wahl, da sie anders als Streitkolben eine große Reichweite haben. Spezialangriffe würden eh nur etwas gegen starke Gegner bringen, nur kann man gegen die keine durchführen, da sie ebenso wie Spieler den perfekten Block ausführen können, der die Angriffskette durchbricht. Bogenschießen ist durch Fehlen eines Fadenkreuzes und horizontales Schwanken sowie Heinrichs Zittern gerade auf niedriger Stufe mit einer großen Einstiegshürde versehen und bis man einen guten Bogen hat ist der Versuch, einen Gegner auf mehr als 15 Meter Entfernung am Körper zu treffen, selten erfolgreich.
Egal ob ihr gute Graphikeinstellungen stemmen könnt oder nicht, ich kann euch das Spiel allein schon wegen der Wälder empfehlen. Die sind nämlich nicht nur hübsch, sondern klingen auch gut. Ich bin sehr lange durch die Wälder gelaufen und später geritten und habe sie einfach nur genossen. Gelegentlich eine Höhle oder Hütte gefunden, einige interessante Orte wie Götzenstelzen, einmal sogar ein Easteregg. Bei meinen Versuchen, Wild zu erlegen, habe ich auch sehr viele Pfeile verschossen und nie wiedergefunden. Obwohl ich auf absolut niedrigsten Einstellungen in 20 FPS und herunterskaliert gespielt hatte habe ich allein in den Wäldern mehrere Tage verbracht, weil sie so gut gelungen sind. Also dringende Kaufempfehlung!
Außerdem sind viele nett geschriebene Quests dabei und die Sprecherleistung ist überwiegend gut. Das soll manche Leute ja auch interessieren, habe ich gerüchteweise gehört.