Huhu,
Ich habe ein paar mal überlegt, ob ich dieses Thema öffnen möchte, mich dann spontan letzte Nacht dazu entschlossen es einfach mal zu machen.
Es handelt sich dabei nicht um Kurzgeschichten, jedenfalls nicht bei meinem ersten Beitrag, mal sehen was dazu noch kommt.
Wenn es in Ordnung ist, mich hier auszulassen, möchte ich nur ein paar Gedanken niederschreiben und mal gucken, ob der eine oder andere dazu kommt, sich meinen wilden Gedankengulasch durchzukauen .. Ich hoffe es gefällt jemandem, ansonsten hat es sich auch schon allein für mich gelohnt, den Gedanken freien Lauf zu lassen.
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Sie hatte diesen Blick.
Immer sagten sie ihr, dass sie diesen Blick hatte. Der Blick, an dem man sofort erkannte, dass sie in Gedanken war und nicht wirklich zuhörte, sondern immer nur wegsah – oder viel mehr hindurch sah. Woran sie gerade dachte, das war alles, was man immer von ihr wissen wollte, wenn sie so durch jeden hindurch sah, durch Menschen, durch Wände, durch Wolken, durch alles. Was ziemlich häufig gewesen sein musste, im Nachhinein betrachtet.
Sie liebte es, wenn es regnete und Musik erklangt, die ihr diese angenehm-düstere Melancholie bescherte, die sie so sehr mochte, obwohl sie nicht immer dazu beitrug, dass es ihr besser ging. Bei dieser Melancholie handelte es sich vielmehr um einen Spiegel, einen Spiegel, der ihr ihre Emotionen vorhielt. „Hier, das hier ist es. So schlecht, so furchtbar elend fühlst du dich gerade“. Und trotzdem bereicherte es das Mädchen. Sie lächelte manchmal, wenn sie spürte.
Der Spiegel, der ihr vorgehalten wurde, er zeigte ihr, dass sie trotz allem noch lebte. Jetzt gerade, jetzt atmete sie und allein das war für sie ein Zeichen für ihre noch vorhandene Stärke. Auch heute noch, wenn sie dann wieder unglaublich, kaum zu verkraften traurig ist, hält sie sich diesen Spiegel vor. Solange sie spüren konnte und ihr zumindest ein paar Dinge im Leben noch wichtig waren, so konnte sie sich sicher sein, dass sie weiter existieren sollte.
Es kamen dann schließlich Tage, an denen sie es immer öfter in Frage stellte – also, ob sie existieren sollte. Dieses Gefühl, keine Macht mehr über das eigene Leben zu haben, es nahm Überhand. Auf jedem Weg ihres Lebens lauerte jemand, der ihr aufzeigte:
„Du bist nichts wert, außer das, was du leisten kannst. Du hast alles Schlechte verdient, was man dir tut. Wenn du Schwäche zeigst, werden wir sie gegen dich verwenden. Nimmst du Rast, drohst du zurück zu liegen, du wirst vergessen und allein gelassen.“
Wenn es niemand anderes war, der ihr jenes sagte – was ebenfalls recht oft geschah -, dann sagte es ihr eine Stimme in ihrem Inneren, tief eingebrannt, nicht zu ignorieren. Wenn man sich aus sich selbst nicht mehr viel machte, bekam man leicht den Eindruck, dass sich auch sonst niemand viel aus einem machte. So erging es ihr.
Es gab bald niemanden mehr, der wichtig für sie war. Oder, um es besser auszudrücken, war sie sich bald sicher, dass sie niemandem mehr wichtig war – und damit starb jeder Kontakt zur Außenwelt. Die junge Frau, die sich so alt fühlte, erstickte unbewusst und selten auch bewusst, den Gedanken, dass sich jemand noch für sie interessieren konnte, Interesse, das darüber hinaus ging, was sie jemandem für Dienste erweisen konnte. Ein Dienst, der nie gefragt war, war die aufrichtige Freundschaft. Sie ging hinaus, manchmal, meist unfreiwillig. Der Zwang und Druck lag auf ihr: Schule und Arbeit war ihre Zukunft, wenn sie eines vernachlässigte, was wäre sie schon? Nichts. Das hatte man ihr beigebracht. Aber was, wenn die Arbeit nie endete, nicht einmal, wenn man Arbeit und Schule hinter sich gebracht hatte und man sich eigentlich in die weichen Kissen des Bettes werfen wollte? Was, wenn dort immer etwas lauerte, um ihr die letzte Ruhe, letzte Kraft zu rauben? Was, wenn ihre Batterien leer waren, doch sie selbst, trotz aller Kraftlosigkeit weiter funktionieren musste? Das.. „Was, wenn?“, es wurde ihr etwas spät, wenn nicht zu spät, beantwortet.
Müde, unbewusst lebend, ohne Lebensfreude ging es hinaus in die weite Welt, Tag für Tag, Stunde um Stunde. „Woran denkst du gerade?“, fragten die Leute in ihrem Umfeld. Für sie war die junge Frau wie ein Alien. Sonderbar, nicht so gesprächig, und immer hatten sie das Gefühl, dass ihre Wortkargheit mit ihnen zu tun hatte, oder ihre „Schüchternheit“ von ihnen behandelt werden musste, und, dass die Worte „das wird schon wieder“, „Wenn du reden willst, höre ich dir zu.“ oder „Lass den Kopf nicht hängen“, ihr irgendwie helfen könnten. Natürlich hatten sie nicht immer nur Schlechtes im Sinne, auch wenn es der jungen Frau oft so erschien – ganz ungewollt, einfach, weil es doch schwer zu glauben für sie war, dass jemand es wirklich ernst und gut mit ihr meinte. Trotzdem waren die Meisten einfach nur stumpfsinnig, fand sie, hatten keine Ahnung – das hatte oft auch mit ihrem Selbstmitleid zu tun. Sie fand nicht, dass es etwas Schlechtes war, Selbstmitleid zu empfinden. Es war ein Grund mehr, sich noch lebendig und menschlich zu fühlen, wo man sonst nur als Alien angesehen wurde, und man sich genau so auch fühlte: Wie ein Alien auf einem fremden Planeten. Ja, durchaus fühlte sie sich für sich selbst bedauernswert, manchmal. Das waren doch noch ihre guten Tage. Wenn man noch bedauerte, dann brauchte man sich nicht vor sich selbst zu fürchten. Sie hatte ein Gemisch von Ekel vor sich selbst und Freude in sich, wenn sie bemerkte, wie dermaßen schlecht es ihr erging. Denn, auch wenn es erbärmlich war, so war es ein Zeichen von gesunder Lebensliebe. Nicht loslassen zu wollen, noch ein Stückchen Willenskraft zu besitzen, weiterzuleben.
Die Menschen um sie herum wurden ihr, von ihnen ungewollt, zur Last. Eine tägliche Last, die Frage „Wie geht es dir“ nicht mit der eiskalten Wahrheit zu erschüttern. Eine tägliche Last, bei der Frage danach, woran man gerade bei seinem leeren Blick dachte, nicht einzuknicken und niemals die lange, Schmerz bereitende Antwort darauf zu geben.
Nicht zu sagen „Ich denke gerade daran, wie es wäre, wenn ich tot wäre, an einem anderen Ort.“, oder, „Ich denke gerade daran, wie es wäre, wenn ich einfach umbringen dürfte, wer mir nicht gefällt, wer mir sagt was mir nicht gefällt, wer mir noch einen Tag länger etwas antut, was mich zerstört, wer mich schräg ansieht, wer mich fragt, woran ich denn bitte gerade denke!“.
Die Last der nichts-ahnenden Menschen, der Menschen, die ein paar Tage im Jahr traurig waren, doch sich nie viele Gedanken machten. Die Last der Menschen, die sich für etwas Besseres hielten, die Last, dass man als etwas Minderwertiges angesehen wurde und sich selbst tatsächlich sagte, dass man auch wirklich minderwertig war.
Jeder Tag wurde zur Last.
Das Haus zu verlassen war eine Last. Den Müll heraus zu bringen, oder etwa, dem Nachbarn zu grüßen. Einkäufe zu erledigen und durch den Supermarkt zu laufen, als wäre man auf dem Weg zu seiner Hinrichtung, auf dem man mit faulen Tomaten und Eiern beworfen wird, was in diesem Fall verachtende Blicke und verletzende Worte waren. Sein Gesicht zeigen zu müssen, es war eine Bestrafung.
Und dann wurde es eine Last, aus dem Bett aufzustehen. Ihren Blick von der Decke abzuwenden, die sie anstarrte, während ihr so viele Fragen durch den Kopf schossen. Selbst-zermürbende Fragen, Fragen, die sie sich niemals beantworten konnte. Oder selbstzerstörende Vorwürfe, die sie sich stumm machte, weil sie es nicht einmal schaffte, aus dem Bett aufzustehen, statt „einfach“ aus dem Bett aufzustehen.
Der Körper wurde zu einer Last - mit der Selbstzerstörung ging auch die Zerstörung des körperlichen Wohlbefindens einher. Schmerzen die den Weg für den absoluten und scheinbar nicht zu durchbrechenden Teufelskreis machten. Dazu kamen Gedanken wie, „Wenn ich nur nicht solche Schmerzen hätte, ich würde versuchen, mich aufzurappeln.“ Schmerztabletten, die sie nahm, aber gegen sie immun wirkte, weil sie sie zu oft nahm.
Alles schien schier endlos und nichts schien zu helfen, doch vor allem half sie sich selbst nicht. Jegliche Selbstliebe war verschwunden und alles, was sie jetzt noch antrieb, so dachte sie, wäre Druck, Druck, dass es einem besser gehen musste, dass man nur lächeln musste und das Glück käme vielleicht, eines Tages, mit genug Tapferkeit von ganz alleine. Ja, mit der Einstellung, dass man sich nur genug Druck machen musste, „den ***** hochbekommen“, schaffte sie es ab und an, sich aus den tiefsten Löchern empor zu graben.
Sie liebte es, sich selbst im Spiegel anzulächeln, selbst, wenn es gestellt war.
Es gab ihr eine Illusion davon, wie es sein könnte, wenn sie sich nur genug bemühte. In Wirklichkeit machte sie sich nur den Druck, den ihr andere, die sie aus ihrem Leben verbannt hatte, sonst immer gemacht hatten. Sie stand nun stellvertretend selbst ein, für die, die ihr ihr Leben lang eingeprägt hatten, dass sie funktionieren musste. Ja.. Jetzt redete sie sich selbst ein, dass es besser war, wenn sie sich anstrengte, jeden Tag, egal wie es ihr ging.
Die Gedanken verbannen, die zu tief gingen, um sich damit während all dieser Anstrengung auseinanderzusetzen. Den Kopf voll mit Dingen haben, die für die Gesellschaft, aber eigentlich nicht für sie selbst wichtig waren. Den Kopf damit füllen, wo man Abends am Besten einen trinken gehen konnte, statt sich zu fragen, ob man überhaupt wirklich glücklich war. Sich bloß nicht eingestehen, dass man Angst davor hatte, den Kopf wieder von diesen Nichtigkeiten zu befreien und sich die wirklich wichtigen Dinge zu fragen wie: „Fühle ich mich nicht einsam?“, oder, „Brauche ich nicht doch jemandem, der mir hilft, mir zuhört?“.
Wie dumm es war, den Kopf so voll mit falschen, gestellten Lückenfüllern zu stopfen, erkannte sie, als sie wieder zusammensackte. Den Blick gen Decke, im Bett, sich selbst verachtend.
Sie hatte sich selbst unter Druck gesetzt und statt dass sie durch ihre Mühe belohnt wurde, wurde sie unglücklich. Denn selbst wenn sie etwas „erreichte“ was von ihr nun mal verlangt war, so hatte sie nie das Gefühl, sich einmal auf etwas ausruhen zu dürfen. Stets spürte sie diese Peitsche in ihrem Rücken. „Tu alles was du kannst, bis du nicht mehr kannst. Du willst keine Versagerin sein!“.
Aber immer wieder rappelte sie sich mit Gewalt auf. Zu groß wäre die Schande, sich einzugestehen, dass sie ein „kaputter“ Mensch war, ein Mensch der sich ausgeschlachtet fühlte und alt, obwohl er jung war. Zu schmerzhaft wäre die Erfahrung, sich auch nur einem weiteren Menschen wieder derart verletzbar zu zeigen. Unerträglich.. Wenn wieder jemand seinen Finger in die Wunde drücken könnte. Scham. Das war es, was sie davon abhielt. Sie schämte sich dafür, kaputt zu sein.
Natürlich tat sie das.
„Stell dich nicht so an.“, „Es ist auf keinen Fall so schlimm“, „Ist ja ekelhaft, wie du dich bemitleidest“, „Oh, eine Runde Mitleid“, „Du brauchst doch nur Aufmerksamkeit“.
Dinge, die man einem depressiven Menschen, der so oft zu kurz gekommen war, niemals sagen durfte, die aber gesagt werden, viel zu oft – egal wem gegenüber, egal wie gesund oder nicht gesund. Sie brennen sich in die Köpfe aller ein und kommen hoch, wenn es darum geht, ob man überhaupt noch verletzbar sein darf. Und wenn sich Menschen fragen müssen, ob diese Verletzbarkeit nicht missbraucht wird.
Sie hatte sich oft gefragt, ob es in Ordnung wäre, Hilfe zu brauchen.
Und nach vielen Malen, in denen sie den Kopf geschüttelt hatte und mit Angst, dass man diese Verletzbarkeit verhöhnen und missbrauchen würde, schließlich beschlossen hatte, noch einmal einfach weiterzumachen ohne Hilfe, da.. Da ging sie das Risiko ein, in ihrer dunkelsten Stunde.
Was konnte man ihr schon antun, wenn sie um Hilfe bat, was man ihr nicht schon angetan hatte? Und selbst, wenn es etwas „Schlimmeres“ geben konnte, wenn man sie für ihre Schwäche in den Dreck schubste, so hätte sie keine Möglichkeit ausgelassen. Letztlich war es ja nicht so, dass sie sich selbst bemitleiden und in ihrer aussichtslosen Situation verharren wollte, sondern wollte sie doch, dass es ihr besser ging – wenn es nur irgendwie die Möglichkeit dazu gab.
Was also war falsch daran, verletzbar zu sein? War das nicht sogar eine Stärke, statt einer Schwäche? War das nicht eine ganz besondere, benötigte Form von Mut?
Also nahm sie sich Hilfe. Hilfe, sie kann viele Formen haben und jeder Mensch kann wissen, was er am ehesten braucht. Sie besiegte ihre Scham und ging zu ihrem Arzt, ein unangenehm kühler Weg, aber nur zunächst. Das ungewohnte Gefühl, selbst fremden Menschen offen zu legen, dass es einem schlecht ging, dass man ein Mensch mit Problemen war... Später würde sie verstehen, dass es nicht ungewöhnlich war, und sie würde verstehen, dass es ganz egal war, was andere darüber dachten.
Sie besuchte die Therapie, in der sie, wie auch beim Arzt, ungewohnt offen über sich sprach. Erst, da wusste sie gar nicht, was sie sagen sollte – sie hatte so lange einfach nichts gesagt.
Aber Hilfe kann auch anders aussehen, als wie ein Arzt oder eine Therapie, Hilfe kann ein guter Freund sein oder die Familie, die einen in schwerer Zeit vielleicht stützt. Es kann auch ein Ort sein, an dem man sich geborgen fühlt, je nachdem, wonach sich das Herz sehnt – aber das Wichtigste ist, dass man sich nie wieder schämt dafür, dass man ein Mensch ist, der nun einmal Hilfe annimmt.
Aber ein Freund, eine Familie, die Therapie oder der Arzt konnten der jungen Frau nicht vorkauen, welche Lebenseinstellung die Beste für sie war. Es waren Wegbegleiter. Sie hielten ihre Hand, gaben ihr eine Wertschätzung für das Vertrauen und die Verletzbarkeit, die sie ihnen öffnete. Es waren Dinge, die man nicht kaufen konnte, aber auch Dinge, die sie allein nicht retten konnten. Sie lernte nur durch all diese Wegbegleiter, wie sie sich selbst retten konnte. Es war die Kraft, die Batterie, die wieder gefüllt wurde. Die Frau lernte grundlegende Dinge, wie, dass nicht jeder Mensch ein Monster war. Dass ein neugieriger Blick eines fremden Menschen nicht gleich eine Verurteilung war, und dass sie es wert war. Dass sie es wert war, dass man sich für sie interessierte, aber vor allem, dass sie es sich selbst wert sein durfte, sich zu lieben.
Danach, als sie dieses wichtige Bewusstsein zurückerlangt hatte, erlangte sie auch ihren Charakter zurück. Die ganze Zeit war ihre ganz einzigartige Persönlichkeit wie in einem Gefrierfach verwahrt und auf Eis gelegt worden, ihre Persönlichkeit war vergraben unter dem Krempel, unter einer ganzer Müllhalde von Negativität, Vorwürfen, Trägheit, Selbstverachtung.. Ihrer Depression.
Es hatte so lange gedauert, bis sie realisierte, wie es ihr erging, Es dauerte viel zu lang, weil sie alles um sich herum abgestoßen hatte, sich selbst von außen abgegrenzt hatte, statt früh zu erkennen, dass etwas nicht stimmte. Und statt früh zu erkennen, dass es Menschen gab, die ihr Flausen in den Kopf setzten, aber es genauso Menschen gab, die sich um sie sorgten.
Sie hatte einfach alles aus ihrem Leben verbannt. Die Außenwelt war nur ein schlechter Film gewesen, den sie sich ab und zu reinziehen musste und alles was übrig war, war die Seuche, mit der man sie zuvor angesteckt hatte, die sie ganz allein zerfraß.
Und auf dem Weg der Heilung, da lernte sie sich selbst endlich wieder kennen. Tatsächlich kannte sie sich selbst nicht mehr wirklich, sie musste erst herausfinden, wer sie überhaupt war. Jahre im Tiefschlaf. Sie fühlte sich unbeholfen, als würde sie über ganz furchtbar dünnes Eis laufen und bei einem Fehltritt sofort ertrinken. Und ja, auf ihrem weiteren Weg dorthin, wo sie sich vollkommen fühlen könnte, traf sie viele Menschen, die sie in die Irre führen wollten, damit sie im kalten Wasser ertrank. Aber da erkannte sie endlich, dass diese Menschen auch nur ihren Weg über das dünne Eis suchten, so wie sie, und sie alle waren auf ihre Art unbeholfen. Manche hatten ihre Liebe und Empathie vergessen und waren ganz unbewusst auf der Suche nach ihr, und manche wussten, genau wie sie, überhaupt nicht mehr, wer sie waren.
Sie ging wieder aus dem Haus, ab und an, manchmal gab es aber auch noch Zeiten, in denen sie lieber Zuhause unter der Decke verkrochen nach Worten suchte. Sie lernte Dinge kennen, die ihr halfen, ihre Sorgen loszuwerden. Aber vor allem hatte sie sich verinnerlicht, dass es wichtig war, sich nicht dafür zu verteufeln, dass man sich teils Wochen lang einfach verkroch und keine Lust darauf hatte, mit Menschen zu sprechen. Und auch, wenn man unglücklich war, war das keine Schande. Das, was ihr wirklich am meisten dabei geholfen hat, sich so zu akzeptieren wie sie war, war der Gedanke, dass es egal war, wenn es jemandem nicht schmeckte, dass sie so offen mit ihrer Krankheit umging. Sie war ein Mensch der einst sehr versunken in seinen Depressionen lebte, und endlich lernte, wieder zu seiner Menschlichkeit zu stehen.
Es war nicht schlimm, wenn sie nicht „funktionierte“. Was hieß es schon, zu funktionieren? Sie war menschlich, auch in ihrer Depression, und hieß das nicht, dass sie „funktionierte“?
Es darf nicht nur zählen, was man in der Schule, der Uni, auf der Arbeit für Dinge leistet. Am Ende hält man Papier in seinen Händen, ob es nun Geld ist, oder ein Zeugnis darüber welche Arbeit man geleistet hat. Natürlich ist es schön, wenn man von anderen Menschen für seine geleisteten Dienste auch anerkannt wird. Aber wenn man nach alledem kein Leben, kein Bewusstsein hat in das man zurückkehren kann.. was ist das schon wert?
Alles was zuerst zählt ist doch, dass man sich selbst aufrichtig fragen und beantworten kann, ob man glücklich ist, ob man tut was man liebt, und ob man hier und jetzt gerade sein Leben genießt. Lebt man nur in der Vergangenheit, oder setzt sich für seine Zukunft unter Druck.. Wann lebt man dann? Versucht im Jetzt zu leben. Sucht euer Glück, ihr glaubt nicht, wie viel mehr ihr eure Mitmenschen bereichern könnt, wenn ihr selbst zuerst einmal wirklich glücklich seid. Lächelt, wenn ihr euch gut fühlt, ihr werdet sehen dass ihr anstecken könnt. Vergesst nicht, dass ihr auch mit Negativität anstecken könnt, vergesst eure Kraft nicht. Vergesst euch selbst nicht.
Versucht so oft bewusst zu leben, wie es euch möglich ist. Regt euch nicht sofort auf, sondern versuchen wir doch zuerst einmal darüber nachzudenken, ob an den Dingen nicht auch etwas Gutes ist, so wie sie sind. Lasst uns nicht immer sofort an die schlechten Absichten glauben, sondern immer zuerst an die Menschlichkeit. Niemand ist fehlerfrei, egal, ob er sich selbst so aufführt. Letztlich sind die Menschen, die verletzen und herumschubsen, auch nur jene, die einen Schutzwall um sich aufgebaut haben.. Und fangt niemals, niemals an zu glauben, dass ihr es verdient habt, dass man euch schlecht behandelt.
Zieht die Notbremse, wenn ihr bemerkt, dass ihr in einer Dauerschleife lebt. Schämt euch nicht für Probleme die nun mal da sind. Gesteht euch selbst ein, dass ihr nicht perfekt sein könnt. Perfekt wird nie jemand sein. Und wenn ihr Hilfe braucht, scheut euch niemals danach zu fragen. Wenn ihr euch alleine fühlt, sprecht mit Menschen – egal welchen, seit einfach offen und fair. Das macht euch so viel sympathischer – finde ich!
Ich habe sehr sehr viel Zeit mit idiotischen Sachen wie Stolz, Ignoranz, Selbsthass und Oberflächlichkeit verschwendet.. Ich schäme mich für nichts mehr, und ich gestehe mir viel ein – mein Ego stand mir viel zu oft schon im Weg.
Was ich hier schreibe, klingt an sich ganz simpel.
Ist es aber nicht. Nicht für jeden.
Auch wenn dies „nur“ ein Forum im weiten, weiten Netz ist, so möchte ich jedem hier, der sich durch mich schon einmal von unschönen Emotionen angesteckt gefühlt hat, dezent die Hand reichen und jeden wissen lassen, dass ich mir durchaus bewusst bin kein unkomplizierter Mensch zu sein, nicht mal im schönen anonymen Internet.
Ich wünsche euch allen, dass ihr ein Leben habt, das ihr bewusst genießt und dass ihr, wenn es soweit kommt, früh genug erkennt, wenn es euch im Leben bergab zieht, und dass man euch Hilfe bieten wird, wenn ihr Hilfe wollt.
Ich wünsche euch was.
Franzi
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Falls jemand wissen möchte woher ich die Idee für meinen Titel habe.
Ich habe ein paar mal überlegt, ob ich dieses Thema öffnen möchte, mich dann spontan letzte Nacht dazu entschlossen es einfach mal zu machen.
Es handelt sich dabei nicht um Kurzgeschichten, jedenfalls nicht bei meinem ersten Beitrag, mal sehen was dazu noch kommt.
Wenn es in Ordnung ist, mich hier auszulassen, möchte ich nur ein paar Gedanken niederschreiben und mal gucken, ob der eine oder andere dazu kommt, sich meinen wilden Gedankengulasch durchzukauen .. Ich hoffe es gefällt jemandem, ansonsten hat es sich auch schon allein für mich gelohnt, den Gedanken freien Lauf zu lassen.
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Sie hatte diesen Blick.
Immer sagten sie ihr, dass sie diesen Blick hatte. Der Blick, an dem man sofort erkannte, dass sie in Gedanken war und nicht wirklich zuhörte, sondern immer nur wegsah – oder viel mehr hindurch sah. Woran sie gerade dachte, das war alles, was man immer von ihr wissen wollte, wenn sie so durch jeden hindurch sah, durch Menschen, durch Wände, durch Wolken, durch alles. Was ziemlich häufig gewesen sein musste, im Nachhinein betrachtet.
Sie liebte es, wenn es regnete und Musik erklangt, die ihr diese angenehm-düstere Melancholie bescherte, die sie so sehr mochte, obwohl sie nicht immer dazu beitrug, dass es ihr besser ging. Bei dieser Melancholie handelte es sich vielmehr um einen Spiegel, einen Spiegel, der ihr ihre Emotionen vorhielt. „Hier, das hier ist es. So schlecht, so furchtbar elend fühlst du dich gerade“. Und trotzdem bereicherte es das Mädchen. Sie lächelte manchmal, wenn sie spürte.
Der Spiegel, der ihr vorgehalten wurde, er zeigte ihr, dass sie trotz allem noch lebte. Jetzt gerade, jetzt atmete sie und allein das war für sie ein Zeichen für ihre noch vorhandene Stärke. Auch heute noch, wenn sie dann wieder unglaublich, kaum zu verkraften traurig ist, hält sie sich diesen Spiegel vor. Solange sie spüren konnte und ihr zumindest ein paar Dinge im Leben noch wichtig waren, so konnte sie sich sicher sein, dass sie weiter existieren sollte.
Es kamen dann schließlich Tage, an denen sie es immer öfter in Frage stellte – also, ob sie existieren sollte. Dieses Gefühl, keine Macht mehr über das eigene Leben zu haben, es nahm Überhand. Auf jedem Weg ihres Lebens lauerte jemand, der ihr aufzeigte:
„Du bist nichts wert, außer das, was du leisten kannst. Du hast alles Schlechte verdient, was man dir tut. Wenn du Schwäche zeigst, werden wir sie gegen dich verwenden. Nimmst du Rast, drohst du zurück zu liegen, du wirst vergessen und allein gelassen.“
Wenn es niemand anderes war, der ihr jenes sagte – was ebenfalls recht oft geschah -, dann sagte es ihr eine Stimme in ihrem Inneren, tief eingebrannt, nicht zu ignorieren. Wenn man sich aus sich selbst nicht mehr viel machte, bekam man leicht den Eindruck, dass sich auch sonst niemand viel aus einem machte. So erging es ihr.
Es gab bald niemanden mehr, der wichtig für sie war. Oder, um es besser auszudrücken, war sie sich bald sicher, dass sie niemandem mehr wichtig war – und damit starb jeder Kontakt zur Außenwelt. Die junge Frau, die sich so alt fühlte, erstickte unbewusst und selten auch bewusst, den Gedanken, dass sich jemand noch für sie interessieren konnte, Interesse, das darüber hinaus ging, was sie jemandem für Dienste erweisen konnte. Ein Dienst, der nie gefragt war, war die aufrichtige Freundschaft. Sie ging hinaus, manchmal, meist unfreiwillig. Der Zwang und Druck lag auf ihr: Schule und Arbeit war ihre Zukunft, wenn sie eines vernachlässigte, was wäre sie schon? Nichts. Das hatte man ihr beigebracht. Aber was, wenn die Arbeit nie endete, nicht einmal, wenn man Arbeit und Schule hinter sich gebracht hatte und man sich eigentlich in die weichen Kissen des Bettes werfen wollte? Was, wenn dort immer etwas lauerte, um ihr die letzte Ruhe, letzte Kraft zu rauben? Was, wenn ihre Batterien leer waren, doch sie selbst, trotz aller Kraftlosigkeit weiter funktionieren musste? Das.. „Was, wenn?“, es wurde ihr etwas spät, wenn nicht zu spät, beantwortet.
Müde, unbewusst lebend, ohne Lebensfreude ging es hinaus in die weite Welt, Tag für Tag, Stunde um Stunde. „Woran denkst du gerade?“, fragten die Leute in ihrem Umfeld. Für sie war die junge Frau wie ein Alien. Sonderbar, nicht so gesprächig, und immer hatten sie das Gefühl, dass ihre Wortkargheit mit ihnen zu tun hatte, oder ihre „Schüchternheit“ von ihnen behandelt werden musste, und, dass die Worte „das wird schon wieder“, „Wenn du reden willst, höre ich dir zu.“ oder „Lass den Kopf nicht hängen“, ihr irgendwie helfen könnten. Natürlich hatten sie nicht immer nur Schlechtes im Sinne, auch wenn es der jungen Frau oft so erschien – ganz ungewollt, einfach, weil es doch schwer zu glauben für sie war, dass jemand es wirklich ernst und gut mit ihr meinte. Trotzdem waren die Meisten einfach nur stumpfsinnig, fand sie, hatten keine Ahnung – das hatte oft auch mit ihrem Selbstmitleid zu tun. Sie fand nicht, dass es etwas Schlechtes war, Selbstmitleid zu empfinden. Es war ein Grund mehr, sich noch lebendig und menschlich zu fühlen, wo man sonst nur als Alien angesehen wurde, und man sich genau so auch fühlte: Wie ein Alien auf einem fremden Planeten. Ja, durchaus fühlte sie sich für sich selbst bedauernswert, manchmal. Das waren doch noch ihre guten Tage. Wenn man noch bedauerte, dann brauchte man sich nicht vor sich selbst zu fürchten. Sie hatte ein Gemisch von Ekel vor sich selbst und Freude in sich, wenn sie bemerkte, wie dermaßen schlecht es ihr erging. Denn, auch wenn es erbärmlich war, so war es ein Zeichen von gesunder Lebensliebe. Nicht loslassen zu wollen, noch ein Stückchen Willenskraft zu besitzen, weiterzuleben.
Die Menschen um sie herum wurden ihr, von ihnen ungewollt, zur Last. Eine tägliche Last, die Frage „Wie geht es dir“ nicht mit der eiskalten Wahrheit zu erschüttern. Eine tägliche Last, bei der Frage danach, woran man gerade bei seinem leeren Blick dachte, nicht einzuknicken und niemals die lange, Schmerz bereitende Antwort darauf zu geben.
Nicht zu sagen „Ich denke gerade daran, wie es wäre, wenn ich tot wäre, an einem anderen Ort.“, oder, „Ich denke gerade daran, wie es wäre, wenn ich einfach umbringen dürfte, wer mir nicht gefällt, wer mir sagt was mir nicht gefällt, wer mir noch einen Tag länger etwas antut, was mich zerstört, wer mich schräg ansieht, wer mich fragt, woran ich denn bitte gerade denke!“.
Die Last der nichts-ahnenden Menschen, der Menschen, die ein paar Tage im Jahr traurig waren, doch sich nie viele Gedanken machten. Die Last der Menschen, die sich für etwas Besseres hielten, die Last, dass man als etwas Minderwertiges angesehen wurde und sich selbst tatsächlich sagte, dass man auch wirklich minderwertig war.
Jeder Tag wurde zur Last.
Das Haus zu verlassen war eine Last. Den Müll heraus zu bringen, oder etwa, dem Nachbarn zu grüßen. Einkäufe zu erledigen und durch den Supermarkt zu laufen, als wäre man auf dem Weg zu seiner Hinrichtung, auf dem man mit faulen Tomaten und Eiern beworfen wird, was in diesem Fall verachtende Blicke und verletzende Worte waren. Sein Gesicht zeigen zu müssen, es war eine Bestrafung.
Und dann wurde es eine Last, aus dem Bett aufzustehen. Ihren Blick von der Decke abzuwenden, die sie anstarrte, während ihr so viele Fragen durch den Kopf schossen. Selbst-zermürbende Fragen, Fragen, die sie sich niemals beantworten konnte. Oder selbstzerstörende Vorwürfe, die sie sich stumm machte, weil sie es nicht einmal schaffte, aus dem Bett aufzustehen, statt „einfach“ aus dem Bett aufzustehen.
Der Körper wurde zu einer Last - mit der Selbstzerstörung ging auch die Zerstörung des körperlichen Wohlbefindens einher. Schmerzen die den Weg für den absoluten und scheinbar nicht zu durchbrechenden Teufelskreis machten. Dazu kamen Gedanken wie, „Wenn ich nur nicht solche Schmerzen hätte, ich würde versuchen, mich aufzurappeln.“ Schmerztabletten, die sie nahm, aber gegen sie immun wirkte, weil sie sie zu oft nahm.
Alles schien schier endlos und nichts schien zu helfen, doch vor allem half sie sich selbst nicht. Jegliche Selbstliebe war verschwunden und alles, was sie jetzt noch antrieb, so dachte sie, wäre Druck, Druck, dass es einem besser gehen musste, dass man nur lächeln musste und das Glück käme vielleicht, eines Tages, mit genug Tapferkeit von ganz alleine. Ja, mit der Einstellung, dass man sich nur genug Druck machen musste, „den ***** hochbekommen“, schaffte sie es ab und an, sich aus den tiefsten Löchern empor zu graben.
Sie liebte es, sich selbst im Spiegel anzulächeln, selbst, wenn es gestellt war.
Es gab ihr eine Illusion davon, wie es sein könnte, wenn sie sich nur genug bemühte. In Wirklichkeit machte sie sich nur den Druck, den ihr andere, die sie aus ihrem Leben verbannt hatte, sonst immer gemacht hatten. Sie stand nun stellvertretend selbst ein, für die, die ihr ihr Leben lang eingeprägt hatten, dass sie funktionieren musste. Ja.. Jetzt redete sie sich selbst ein, dass es besser war, wenn sie sich anstrengte, jeden Tag, egal wie es ihr ging.
Die Gedanken verbannen, die zu tief gingen, um sich damit während all dieser Anstrengung auseinanderzusetzen. Den Kopf voll mit Dingen haben, die für die Gesellschaft, aber eigentlich nicht für sie selbst wichtig waren. Den Kopf damit füllen, wo man Abends am Besten einen trinken gehen konnte, statt sich zu fragen, ob man überhaupt wirklich glücklich war. Sich bloß nicht eingestehen, dass man Angst davor hatte, den Kopf wieder von diesen Nichtigkeiten zu befreien und sich die wirklich wichtigen Dinge zu fragen wie: „Fühle ich mich nicht einsam?“, oder, „Brauche ich nicht doch jemandem, der mir hilft, mir zuhört?“.
Wie dumm es war, den Kopf so voll mit falschen, gestellten Lückenfüllern zu stopfen, erkannte sie, als sie wieder zusammensackte. Den Blick gen Decke, im Bett, sich selbst verachtend.
Sie hatte sich selbst unter Druck gesetzt und statt dass sie durch ihre Mühe belohnt wurde, wurde sie unglücklich. Denn selbst wenn sie etwas „erreichte“ was von ihr nun mal verlangt war, so hatte sie nie das Gefühl, sich einmal auf etwas ausruhen zu dürfen. Stets spürte sie diese Peitsche in ihrem Rücken. „Tu alles was du kannst, bis du nicht mehr kannst. Du willst keine Versagerin sein!“.
Aber immer wieder rappelte sie sich mit Gewalt auf. Zu groß wäre die Schande, sich einzugestehen, dass sie ein „kaputter“ Mensch war, ein Mensch der sich ausgeschlachtet fühlte und alt, obwohl er jung war. Zu schmerzhaft wäre die Erfahrung, sich auch nur einem weiteren Menschen wieder derart verletzbar zu zeigen. Unerträglich.. Wenn wieder jemand seinen Finger in die Wunde drücken könnte. Scham. Das war es, was sie davon abhielt. Sie schämte sich dafür, kaputt zu sein.
Natürlich tat sie das.
„Stell dich nicht so an.“, „Es ist auf keinen Fall so schlimm“, „Ist ja ekelhaft, wie du dich bemitleidest“, „Oh, eine Runde Mitleid“, „Du brauchst doch nur Aufmerksamkeit“.
Dinge, die man einem depressiven Menschen, der so oft zu kurz gekommen war, niemals sagen durfte, die aber gesagt werden, viel zu oft – egal wem gegenüber, egal wie gesund oder nicht gesund. Sie brennen sich in die Köpfe aller ein und kommen hoch, wenn es darum geht, ob man überhaupt noch verletzbar sein darf. Und wenn sich Menschen fragen müssen, ob diese Verletzbarkeit nicht missbraucht wird.
Sie hatte sich oft gefragt, ob es in Ordnung wäre, Hilfe zu brauchen.
Und nach vielen Malen, in denen sie den Kopf geschüttelt hatte und mit Angst, dass man diese Verletzbarkeit verhöhnen und missbrauchen würde, schließlich beschlossen hatte, noch einmal einfach weiterzumachen ohne Hilfe, da.. Da ging sie das Risiko ein, in ihrer dunkelsten Stunde.
Was konnte man ihr schon antun, wenn sie um Hilfe bat, was man ihr nicht schon angetan hatte? Und selbst, wenn es etwas „Schlimmeres“ geben konnte, wenn man sie für ihre Schwäche in den Dreck schubste, so hätte sie keine Möglichkeit ausgelassen. Letztlich war es ja nicht so, dass sie sich selbst bemitleiden und in ihrer aussichtslosen Situation verharren wollte, sondern wollte sie doch, dass es ihr besser ging – wenn es nur irgendwie die Möglichkeit dazu gab.
Was also war falsch daran, verletzbar zu sein? War das nicht sogar eine Stärke, statt einer Schwäche? War das nicht eine ganz besondere, benötigte Form von Mut?
Also nahm sie sich Hilfe. Hilfe, sie kann viele Formen haben und jeder Mensch kann wissen, was er am ehesten braucht. Sie besiegte ihre Scham und ging zu ihrem Arzt, ein unangenehm kühler Weg, aber nur zunächst. Das ungewohnte Gefühl, selbst fremden Menschen offen zu legen, dass es einem schlecht ging, dass man ein Mensch mit Problemen war... Später würde sie verstehen, dass es nicht ungewöhnlich war, und sie würde verstehen, dass es ganz egal war, was andere darüber dachten.
Sie besuchte die Therapie, in der sie, wie auch beim Arzt, ungewohnt offen über sich sprach. Erst, da wusste sie gar nicht, was sie sagen sollte – sie hatte so lange einfach nichts gesagt.
Aber Hilfe kann auch anders aussehen, als wie ein Arzt oder eine Therapie, Hilfe kann ein guter Freund sein oder die Familie, die einen in schwerer Zeit vielleicht stützt. Es kann auch ein Ort sein, an dem man sich geborgen fühlt, je nachdem, wonach sich das Herz sehnt – aber das Wichtigste ist, dass man sich nie wieder schämt dafür, dass man ein Mensch ist, der nun einmal Hilfe annimmt.
Aber ein Freund, eine Familie, die Therapie oder der Arzt konnten der jungen Frau nicht vorkauen, welche Lebenseinstellung die Beste für sie war. Es waren Wegbegleiter. Sie hielten ihre Hand, gaben ihr eine Wertschätzung für das Vertrauen und die Verletzbarkeit, die sie ihnen öffnete. Es waren Dinge, die man nicht kaufen konnte, aber auch Dinge, die sie allein nicht retten konnten. Sie lernte nur durch all diese Wegbegleiter, wie sie sich selbst retten konnte. Es war die Kraft, die Batterie, die wieder gefüllt wurde. Die Frau lernte grundlegende Dinge, wie, dass nicht jeder Mensch ein Monster war. Dass ein neugieriger Blick eines fremden Menschen nicht gleich eine Verurteilung war, und dass sie es wert war. Dass sie es wert war, dass man sich für sie interessierte, aber vor allem, dass sie es sich selbst wert sein durfte, sich zu lieben.
Danach, als sie dieses wichtige Bewusstsein zurückerlangt hatte, erlangte sie auch ihren Charakter zurück. Die ganze Zeit war ihre ganz einzigartige Persönlichkeit wie in einem Gefrierfach verwahrt und auf Eis gelegt worden, ihre Persönlichkeit war vergraben unter dem Krempel, unter einer ganzer Müllhalde von Negativität, Vorwürfen, Trägheit, Selbstverachtung.. Ihrer Depression.
Es hatte so lange gedauert, bis sie realisierte, wie es ihr erging, Es dauerte viel zu lang, weil sie alles um sich herum abgestoßen hatte, sich selbst von außen abgegrenzt hatte, statt früh zu erkennen, dass etwas nicht stimmte. Und statt früh zu erkennen, dass es Menschen gab, die ihr Flausen in den Kopf setzten, aber es genauso Menschen gab, die sich um sie sorgten.
Sie hatte einfach alles aus ihrem Leben verbannt. Die Außenwelt war nur ein schlechter Film gewesen, den sie sich ab und zu reinziehen musste und alles was übrig war, war die Seuche, mit der man sie zuvor angesteckt hatte, die sie ganz allein zerfraß.
Und auf dem Weg der Heilung, da lernte sie sich selbst endlich wieder kennen. Tatsächlich kannte sie sich selbst nicht mehr wirklich, sie musste erst herausfinden, wer sie überhaupt war. Jahre im Tiefschlaf. Sie fühlte sich unbeholfen, als würde sie über ganz furchtbar dünnes Eis laufen und bei einem Fehltritt sofort ertrinken. Und ja, auf ihrem weiteren Weg dorthin, wo sie sich vollkommen fühlen könnte, traf sie viele Menschen, die sie in die Irre führen wollten, damit sie im kalten Wasser ertrank. Aber da erkannte sie endlich, dass diese Menschen auch nur ihren Weg über das dünne Eis suchten, so wie sie, und sie alle waren auf ihre Art unbeholfen. Manche hatten ihre Liebe und Empathie vergessen und waren ganz unbewusst auf der Suche nach ihr, und manche wussten, genau wie sie, überhaupt nicht mehr, wer sie waren.
Sie ging wieder aus dem Haus, ab und an, manchmal gab es aber auch noch Zeiten, in denen sie lieber Zuhause unter der Decke verkrochen nach Worten suchte. Sie lernte Dinge kennen, die ihr halfen, ihre Sorgen loszuwerden. Aber vor allem hatte sie sich verinnerlicht, dass es wichtig war, sich nicht dafür zu verteufeln, dass man sich teils Wochen lang einfach verkroch und keine Lust darauf hatte, mit Menschen zu sprechen. Und auch, wenn man unglücklich war, war das keine Schande. Das, was ihr wirklich am meisten dabei geholfen hat, sich so zu akzeptieren wie sie war, war der Gedanke, dass es egal war, wenn es jemandem nicht schmeckte, dass sie so offen mit ihrer Krankheit umging. Sie war ein Mensch der einst sehr versunken in seinen Depressionen lebte, und endlich lernte, wieder zu seiner Menschlichkeit zu stehen.
Es war nicht schlimm, wenn sie nicht „funktionierte“. Was hieß es schon, zu funktionieren? Sie war menschlich, auch in ihrer Depression, und hieß das nicht, dass sie „funktionierte“?
Es darf nicht nur zählen, was man in der Schule, der Uni, auf der Arbeit für Dinge leistet. Am Ende hält man Papier in seinen Händen, ob es nun Geld ist, oder ein Zeugnis darüber welche Arbeit man geleistet hat. Natürlich ist es schön, wenn man von anderen Menschen für seine geleisteten Dienste auch anerkannt wird. Aber wenn man nach alledem kein Leben, kein Bewusstsein hat in das man zurückkehren kann.. was ist das schon wert?
Alles was zuerst zählt ist doch, dass man sich selbst aufrichtig fragen und beantworten kann, ob man glücklich ist, ob man tut was man liebt, und ob man hier und jetzt gerade sein Leben genießt. Lebt man nur in der Vergangenheit, oder setzt sich für seine Zukunft unter Druck.. Wann lebt man dann? Versucht im Jetzt zu leben. Sucht euer Glück, ihr glaubt nicht, wie viel mehr ihr eure Mitmenschen bereichern könnt, wenn ihr selbst zuerst einmal wirklich glücklich seid. Lächelt, wenn ihr euch gut fühlt, ihr werdet sehen dass ihr anstecken könnt. Vergesst nicht, dass ihr auch mit Negativität anstecken könnt, vergesst eure Kraft nicht. Vergesst euch selbst nicht.
Versucht so oft bewusst zu leben, wie es euch möglich ist. Regt euch nicht sofort auf, sondern versuchen wir doch zuerst einmal darüber nachzudenken, ob an den Dingen nicht auch etwas Gutes ist, so wie sie sind. Lasst uns nicht immer sofort an die schlechten Absichten glauben, sondern immer zuerst an die Menschlichkeit. Niemand ist fehlerfrei, egal, ob er sich selbst so aufführt. Letztlich sind die Menschen, die verletzen und herumschubsen, auch nur jene, die einen Schutzwall um sich aufgebaut haben.. Und fangt niemals, niemals an zu glauben, dass ihr es verdient habt, dass man euch schlecht behandelt.
Zieht die Notbremse, wenn ihr bemerkt, dass ihr in einer Dauerschleife lebt. Schämt euch nicht für Probleme die nun mal da sind. Gesteht euch selbst ein, dass ihr nicht perfekt sein könnt. Perfekt wird nie jemand sein. Und wenn ihr Hilfe braucht, scheut euch niemals danach zu fragen. Wenn ihr euch alleine fühlt, sprecht mit Menschen – egal welchen, seit einfach offen und fair. Das macht euch so viel sympathischer – finde ich!
Ich habe sehr sehr viel Zeit mit idiotischen Sachen wie Stolz, Ignoranz, Selbsthass und Oberflächlichkeit verschwendet.. Ich schäme mich für nichts mehr, und ich gestehe mir viel ein – mein Ego stand mir viel zu oft schon im Weg.
Was ich hier schreibe, klingt an sich ganz simpel.
Ist es aber nicht. Nicht für jeden.
Auch wenn dies „nur“ ein Forum im weiten, weiten Netz ist, so möchte ich jedem hier, der sich durch mich schon einmal von unschönen Emotionen angesteckt gefühlt hat, dezent die Hand reichen und jeden wissen lassen, dass ich mir durchaus bewusst bin kein unkomplizierter Mensch zu sein, nicht mal im schönen anonymen Internet.
Ich wünsche euch allen, dass ihr ein Leben habt, das ihr bewusst genießt und dass ihr, wenn es soweit kommt, früh genug erkennt, wenn es euch im Leben bergab zieht, und dass man euch Hilfe bieten wird, wenn ihr Hilfe wollt.
Ich wünsche euch was.
Franzi
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Falls jemand wissen möchte woher ich die Idee für meinen Titel habe.