Der Tunnel wurde von dem Feuerschein der Fackel in ein schummeriges Licht getaucht. Die Wände waren mit Moos bewachsen, doch darunter konnte Ralen Runen ausmachen. Es waren die selben Schriftzeichen, die sich auch auf dem Portal unterhalb der Akademie der Magier befunden hatten. Es war also die Sprache der Drachen. Was das wohl zu bedeuten hatte? Würden sie im Inneren der Insel auf einen weiteren Drachen stoßen? Der bloße Gedanke daran ließ Ralen erschaudern. Es reichte aus, dass sie bereits Munaxsosvokun aus seinem Gefängnis befreit hatten. Er mochte sich nicht vorstellen, was der Drache vorhatte. Ralen schickte ein Stoßgebet zu Azura, dass ihnen eine zweite Begegnung mit einem solchen Wesen erspart blieb.
Ralen kam es so vor, als würde der Tunnel kein Ende nehmen wollen. Sie gingen bereits eine halbe Stunde in den Berg hinein. Der Tunnel verlief dabei mal nach oben, mal nach unten, mal nach rechts, mal nach links. Würde es Ralen nicht besser wissen, würde er sagen, sie gingen im Kreis herum. Doch dies war schier unmöglich, den ein Tunnel hatte Anfang und Ende.
Er war so in Gedanken versunken, dass Ralen zu spät Danys Schrei vernahm. Bevor er sich versah, versank die Druckplatte knackend im Boden. "Bei Azura!" "Auf den Boden!", brüllte Dany. Ralen und seine Gefährten ließen sich das nicht zweimal sagen. Die Söldner hingegen reagierten eine ganze Ecke langsamer. Zu langsam wie sich herausstellte: aus der Schwärze vor ihnen schoss eine Stahlklinge, die sich von der einen Seite des Ganges zur anderen erstreckte, auf Kopfhöhe heran. Angewidert vernahm Ralen das Geräusch durchtrennter Knochen, bevor er einen warmen Regen spürte.
Nach einer Weile rappelten sich Ralen und seine verbleibenden Kameraden wieder vom Boden auf. Sie schienen alle unversehrt zu sein, was man von den Söldnern allerdings nicht sagen konnte. Ella und Dany stießen ein Stöhnen aus, als sie die enthaupteten Leichen sahen. Ralen und seine Schwester dagegen sahen sich nur grimmig an. "Lasst uns weiter gehen", meinte Ralen schließlich, "wir können nichts mehr für sie tun."
Als sie weiterliefen, übernahm Dany zusammen mit Ralen. Die beiden gingen einige Meter vor dem Rest der Gruppe, um sie so vor möglichen Fallen zu warnen. Tara führte den Rest an, Pol hielt die Augen nach Gefahren in ihrem Rücken offen.
"Liebt Ihr sie?", fragte Dany Ralen plötzlich. "Wen? Ella?" Dany nickte. Es dauerte einen kurzen Augenblick, bis Ralen antwortete: "Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Noch nicht. Mein Vater hat mich zu dieser Ehe gezwungen. Ich habe sie nicht aus Liebe geheiratet. Ich habe gerade einmal eine Nacht mit ihr verbracht. Das heißt allerdings nicht, dass ich sie nicht noch lieben lernen kann." Dany nickte nur knapp, doch Ralen war sich sicher, ein kurzes Lächeln auf dem Gesicht der Dunmer gesehen zu haben.
Doch für Mutmaßungen hatte er keine Zeit, den endlich endete der Tunnel, und zwar in einer riesigen, kuppelförmigen Halle. Durch ein großes Loch in der Decke fiel helles Sonnenlicht herein. Und in der Mitte des Raumes, auf einer kreisrunden Erhebung lag auf einem ebenso rundem Podest die Schwarze Krone, beschienen vom Licht der Mittagssonne. "Das ist sie", flüsterte Ralen ehrfürchtig. Auch Dany blieb ergriffen stehen, als sie die Krone erblickte. Sie sah wirklich so aus, wie in dem Buch beschrieben, mit dem dieses Abenteuer begonnen hatte: geschmiedet aus dem härtesten Ebenerz, schwarz wie eine mondlose Nacht, mit sieben Zacken.
"Eine Krone, schmiedet von einem Gott, für einen gütigen König. Verdorben durch verräterisches Blut. Beschützt von mächtigen Magiern." Tara trat neben ihren Bruder. "Es ist also wahr. Die Schwarze Krone der Macht existiert also wirklich. Alle Geschichten sind wahr. Mit ihrer Macht kann man sich die Elemente untertan machen. Tamriel, nein, ganz Nirn wird in seinen Grundfesten erschüttert werden, wenn die Krone in falsche Hände gelangt. Nur wer unglaublich willensstark ist, kann sie tragen, ohne von ihrer Bosheit korrumpiert zu werden." Ralen musste schlucken. Seine Schwester hatte recht. War ihr Vater willensstark genug? Das würde sich zeigen. Jetzt mussten sie erst einmal die Krone bergen.
Ralen wollte gerade einen Schritt in die Halle machen, als ihn Dany zurückhielt. "Was?", fragte der Dunmer ungeduldig. "Seht doch." Dany deutete auf den Boden vor ihnen. Er bestand aus unzähligen Steinplatten. Ralen sah nichts ungewöhnliches. "Was denn? Ich sehe nichts." Dany ließ sich auf die Knie nieder und drückte auf eine der Platten. Krachen löste sich der Stein und verschwand nach unten. "Was zum...?" Ralen blickte in das entstanden Loch. Tief unten konnte er das brodelnde Rot von Lava ausmachen. "Na toll. Es gibt wahrscheinlich nur einige Platten, die stabil sind. Aber welche?" Tara schob sich vor ihren Bruder. "Es gibt einen einfachen Weg, das herauszufinden."
Die Magierin reckte ihre Arme nach vorne und sprach dann einen Zauberspruch. Eine gewaltige Böe zischte aus Taras Händen, schoss zur Decke und dann nach unten auf den Boden. Die losen Platten wurden nach unten gedrückt, während die festen da blieben, wo sie waren. So arbeitete sich Tara Reihe um Reihe auf die Krone zu. Ralen sah besorgt zu seiner Schwester, die mit jeder Sekunde blasser wurde. Der Zauber schien stark an ihren Kräften zu zehren.
Als Tara bei der letzten Reihe angekommen war, zollte die Anstrengung ihren Tribut. Die Dunmer verlor das Bewusstsein und drohte, in die Lava zu kippen. Geistesgegenwärtig schob Ralen einen Arm unter ihre Brust und schob sie nach hinten. Sanft legte er seine Schwester auf den Rücken. Es dauerte zum Glück nicht lange, dann schlug sie wieder schwach die Augen auf. "Trank...", flüsterte sie mit brüchiger Stimme. Ralen zog Taras Tasche zu sich und kramte darin herum. Schnell fand er eine bläuliche Flasche. "Meint sie das?", fragte er Ella, die ja ebenfalls Magierin war. Sie nickte. "Ja, das ist ein Mana-Trank. Damit wird sie wieder zu Kräften kommen."
Ralen entkorkte das Gefäß, bevor er es Tara an die Lippen setzte und vorsichtig kippte. Tara trank einige Schlücke, bevor Ella Ralen zu verstehen gab, dass es nun genug sei. Also nahm er die Flasche von Taras Mund weg und verstaute sie wieder in der Tasche. "Geht es wieder?", fragte er seine Schwester besorgt. "Ja, danke. Ich fühle mich noch ein wenig schwach, aber es wird soweit gehen. Hab ich meine Sache gut gemacht?"
"Und wie." Jules trat neben die drei Elfen. "Zum Glück ist dir diese Idee gekommen, Tara. So wie der Weg verläuft, hätten wir wahrscheinlich nie nach drüben gefunden." Ralen half seiner Schwester auf die Beine und blickte nun ebenfalls über den Bogen. Jules hatte recht: die festen Platten schlängelten sich kreuz und quer durch die Halle. Sie hätten ewig gebraucht, wären aber eher in die Lava gefallen. "Gut gemacht." Ralen drückte seine Schwester dankbar an sich. Es war weise von Vater gewesen, sie mit zu schicken, dachte er sich. Ich wollte sie erst nicht dabei haben, aber sie hat sich als nützlich erwiesen. "Da dieses Hindernis nun auch beseitigt ist: Lasst uns hinüber gehen.
Die Durchquerung der Halle selbst verlief ohne nennenswerte Zwischenfälle. Zwar ächzte die ein oder andre Platte verdächtig, doch keine drohte sich zu lösen. So konnte die Gruppe den Weg relativ zügig folgen und erreichten die andere Seite unbeschadet.
"Dany", meinte Ralen, den Blick auf die Krone geheftet, "denkt Ihr, dass uns auf der Treppe noch weitere Fallen erwarten?" "Hmm..." Dany ließ sich vor der Treppe auf die Knie und untersuchte die Stufen mit einem prüfendem Blick. Einige Minuten verharrte sie so, bevor sie sich mit ihrem Ergebnis an Ralen wandte: "So weit ich das sagen kann, müsste es ab hier sicher sein. Wir sollten allerdings trotzdem auf unsere Schritte achten." Ralen nickte verständig. "Dann geht Ihr voraus. Von uns allen habt Ihr dafür das beste Auge."
Vorsichtig betrat Dany die erste Stufe. Dann die zweite, die dritte. Als bei der vierten Stufe noch nichts geschehen war, winkte sie den andern zu. "Alles klar. Ich denke, wir sind sicher. Kommt." Unverzüglich schlossen Ralen und der Rest der Gruppe zu Dany auf. Sie hielt sich allerdings immer noch eine Stufe vor den anderen, um möglichen Fallen rechtzeitig zu entgehen. Es dauerte eine geschlagene Viertelstunde, bis sie das obere Treppenende erreichten. Dafür aber auch unverletzt.
"Bei Azura...was für eine Aufregung." Ralen wischte sich den Schweiß von der Stirn und strich sich die schwarzen Haare aus dem Gesicht. Doch endlich hatten sie es geschafft. Vor ihnen lag die Schwarze Krone. Nur ein paar Schritte. Ein paar Schritte...
"Zurück, sterblicher Wurm!" Die dröhnende Stimme ließ Ralen auf den Tod erschrecken. Als der Dunmer von der Krone aufsah, konnte er sieben vermummte Gestalten ausmachen. "Die Zacken! Aber...? Sieben? Wir haben Hessaldor doch getötet?!" Der scheinbare Anführer, der Ralen so zusammenfahren ließ, lachte. "Ihr wisst gar nichts, Wurm. Die Krone verleiht uns Macht jenseits von Leben und Tod. Solange die Krone existiert, können wir nicht sterben." Die erste Zacke hob den Arm. Wie auch bei Hessaldor hatte sie nunmehr Knochen. "Nun geht, Wurm. Ihr seid zu schwach, um uns die Krone abzunehmen. Geht, und wir verschonen Euer armseliges Leben!" Doch Ralen dachte gar nicht daran umzukehren. Stattdessen zog er seinen Rapier.
"Ihr seid mir die Krone schuldig. Ich habe das Rätsel des Drachen gelöst, die Karte und die Insel entdeckt. Ich hab mich als würdig erwiesen! Nun gebt mir die Krone!" Entschlossen ging er in Kampfstellung. Seine Gefährten hatte nun ebenfalls ihre Waffen gezogen. Wieder lachte der Magier höhnisch. "Würdig? Nein. Kein Sterblicher kann die Macht der Krone bändigen. Nur wir Zacken sind in der Lage. Zu spät haben wir das erkannt. Zu Anfang wollten wir noch einen geeigneten Nachfolger finden. Ihr müsst wissen, dass die Schlüsselscheibe kein einzigartiges Werkzeug ist. Überall in Tamriel haben wir solche Scheiben versteckt. Und dazu einen zentralen Schlüsselstein. Dieser befand sich tief unter dem Weißgoldturm. Ihn haben wir zerstört, als uns die Erkenntnis traf. Ohne den Schlüsselstein waren die Scheiben wertlos. Nur noch nutzlose Schmuckstücke. Sagt mir, Wurm, wie konntet Ihr also die Karte der Scheibe von Summerset finden?"
"Hessaldors Buch. In den Einband waren die richtigen Vertiefungen für die Scheibe eingestanzt." Der Anführer der Zacken wandte sich zu eine der anderen Zacken zu. "Fünf. Was habt Ihr zu Eurer Verteidigung zu sagen?" Hessaldor ließ sich auf die Knie sinken. "Es tut mir leid", flehte der uralte Magier, "Ich war schwach. Bitte, Eins, vergebt mir. Vergebt mir alle." Die erste Zacke macht eine gönnerhafte Handbewegung. "Nun gut. Vernichtet diese Sterblichen, dann sei Euch verziehen." Hessaldor erhob sich, dann begannen seinen Hände zu leuchten. "Es wird mir ein Vergnügen sein."
Bevor der Magier jedoch seinen vernichtenden Schlag gegen die Gruppe führen konnte, ertönte ein Brüllen über der Halle. Alle Anwesenden sahen nach oben. Durch das Loch an der Decke schoss ein großer Schatten, tauchte hinab Richtung Lava, um kurz davor wieder nach oben zu fliegen. Schwarze Schwingen breiteten sich über das Podest aus, dann landete mit einem Krachen der Drache Munaxosvokun zwischen Ralens Gefährten und den Zacken. Hessaldor wurde von den Hinterläufen zerquetscht. Die erste Zacke trat vor. "Was wollt Ihr, Schlange?", zischte er wütend, während sich die restlichen Zacken sich zum Kampf bereit machten. "Rache", antwortete der Drache ruhig, "Ihr habt mich über Äonen in diese Höhle gesperrt! Dafür werdet Ihr bezahlen!" Die erste Zacke lachte: "Haha! Ihr könnt uns nicht töten, Wurm! Wir kommen immer wieder zurück!" Munaxosvokun fletschte die Zähne zu einem grausamen Lächeln. "Nur solang die Krone existiert. Fahliil, vernichtet sie! Dann werden auch die Magier fallen!"
"Nein!", schrie die erste Zacke spitz, "Tut das nicht! Wir...wir würden sie mit Euch teilen! Ihr könntet Ihre Macht ebenfalls nutzen! Nur vernichtet sie nicht!"
Ralen rang innerlich mit sich. Er hatte diesen beschwerlichen Weg auf sich genommen, nur um die Krone zu erlangen und nun sollte er sie zerstören? Das durfte nicht wahr sein! Doch dann erinnerte er sich an Taras Worte. Nur wer einen unfassbar starken Willen besitzt, kann die Krone tragen. Das Risiko, dass ihr Vater korrumpiert werden würde, war einfach zu groß. Munaxosvokun hatte recht: die Krone musste zerstört werden!
Während der Drache begann, die Zacken zu attackieren, die sich mit Hand und Fuß gegen ihn wehrten, nahm Ralen die Krone vom Podest. Er konnte ihre dunkle Energie durch seinen Körper pulsieren spüren. Verlagen wallte in ihm auf, Verlangen nach unfassbarer Macht. Doch er musste widerstehen. Entschlossen trat er an den Rand der Erhebung, die Augen auf die Lava gerichtet. "Im Feuer wurdest du geschmiedet", murmelte er, "im Feuer wirst du vergehen." Ralen wollte die Krone in die Lava schleudern, als er plötzlich von den Beinen gerissen wurde.
"Das lasse ich nicht zu!" Pol riss sein Beil hoch, um Ralen den tödlichen Streich zu versetzen. Der Dunmer konnte sich gerade noch rechtzeitig zur Seite rollen. "Bist du von allen guten Geistern verlassen?!", rief Ralen, während er wieder auf die Beine kam. Entsetzt sah er, dass die Krone näher an Pol, als an ihm lag. Grinsend hob der Argonier sie auf. "Was hast du vor?! Pol! Rede mit mir!" Pol funkelte Ralen wütend an. "Was ich vorhabe? Ich werde die Krone nutzen, um all meine Träume zu erfüllen. Ich werde unendliches Wissen erlangen! Und dein Schwester Tara wird mein Eheweib werden!"
Tara verzog angewidert das Gesicht. "Nicht mal im Traum." "Ich hab dich nicht gebeten!", brüllte Pol, "Die Krone wird dich dazu zwingen, Miststück." Ralen hob seinen Degen auf und richtete ihn gegen den Argonier. "Tu das nicht! Ich bitte dich! Ich will dich nicht töten!"
Doch Pol lachte nur irre und setzte sich dann die Schwarze Krone aufs Haupt. "Endlich!", zischte er zufrieden, "ENDLICH! Die unendliche Macht der Krone ist mein! Verbeugt euch! Verbeugt euch vor dem großen...ARGH!" Der Argonier hielt mitten im Satz inne, um einen markerschütternden Schrei auszustoßen. Voller Entsetzen verfolgten die anderen, wie schwarze Linien aus der Krone hervorbrachen und über Pol zogen. Blut quoll ihm aus den Augen. Schreiend versuchte er sich die Krone vom Kopf zu reißen, doch sie ließ sich nicht entfernen.
"Ich werde ihn von seinem Leid erlösen." Ralen zückte seinen Degen und stieß ihm den kreischenden Pol ins Herz. Die Augen des Argoniers wurden immer größer, dann sackte er schließlich in sich zusammen. Doch der Spuk hatte noch kein Ende: kaum lag seine Leiche auf dem Boden, begann die Haut aufzubrechen und schwarzes Blut heraus zulaufen. "Urgh..." Ralen trat einen Schritt zurück, um nicht in das eklige Blut zu treten. "Vernichtet endlich die Krone!", brüllte Munaxosvokun, der mit den Zacken alle Hände voll zu tun hatte.
Ralen kniete sich also neben dem toten Pol, um die Krone von seinem Kopf zu nehmen. Sie ließ sich jedoch nicht vom Haupt des Argoniers lösen. "Bei Azura!" Fluchend griff Ralen nach der Axt, die Pol noch vor wenigen Sekunden geschwungen hatte und hackte damit auf den Hals ein. Nach drei Schlägen löste sich der Kopf endlich. Angeekelt griff Ralen ihn und schleuderte ihn in die Lava.
"NEEEEEINNN!!!!!" Die Zacken stießen ein simultanes Kreischen aus, als Pols Kopf zischend in der Lava versank und mit ihm die Schwarze Krone. Erfreut sah der Drache Munaxosvokun, wie sich die alten Magier in sieben Häuflein Staub verwandelten. "Ah, süße Rache", meinte der Drache. "Habt Dank, fahliil. Ihr habt mich aus der Höhle befreit und mir zu meiner honigsüßen Rache verholfen. Ich stehe doppelt in Eurer Schuld." Ralen erhob sich auf die Knie und sah dem Drachen in die roten Augen. "Dann tut mir bitte einen Gefallen: lasst Euch bitte nicht mehr in Tamriel blicken. Es wäre schade, einen so guten Kampfgefährten zu verlieren."
Munaxosvokun stieß ein erheitertes Schnaufen aus. "So forsch wie immer, fahliil. Nun gut, ich werde mich auf den Schlangenkontinent Akavir begeben. Wenn ich Glück habe, finde ich dort noch einige dovah." Mit diesen Worten erhob sich der Drache und verschwand durch das Loch in der Decke, durch das er gekommen war.
Seufzend wandte sich Ralen den anderen zu. "Alles umsonst wie es scheint. Die Krone ist zerstört und ich habe einen Freund verloren. Es ist allein meine Schuld, dass Pol jetzt tot ist. Hätte ich ihn nicht mitgeschleppt, dann..." Der Rest seiner Worte gingen in einem ohrenbetäubenden Krachen, Zischen und Knacken unter. "Die Insel", flüsterte Tara entsetzt, "Sie zerbricht! Die Macht der Krone hat sie geschaffen und nun wird sie wie die Krone zerstört! Wir müssen so schnell wie möglich hier weg!"
Das ließen sich die Gefährten nicht zweimal sagen: mit Ralen an der Spitze spurteten sie über die Steinplatten, durch den Gang, über die toten Söldner hinweg und hinaus ins Tageslicht. Dort brach bereits der Boden auf und die Lava sprudelte heraus. "Schnell", rief Ralen der Schiffsmannschaft im Laufen zu, "macht alles bereit! Leinen los!"
Kaum waren sie an Bord, begann die Insel, im Meer zu versinken. Dabei kam es immer wieder zu Explosionen, die scharfkantige Felsen über das Wasser fliegen ließ. Die Kogge war gerade mal hundert Meter von der Insel weg, als es eine letzte, gewaltige Explosion gab. Die Druckwelle riss alle an Deck Stehenden von den Beinen. Dann war es plötzlich still. Gewaltige Wellen schwappten heran und hoben und senkten die Kogge, doch wie durch ein Wunder kenterten sie nicht.
"Puh", meinte Ralen und rappelte sich auf, "da haben wir ja noch mal Glück gehabt. Ist bei euch alles in Ordnung?" Seine Gefährten standen ebenfalls auf und bejahten seine Frage. Nur Ella blieb an Deck liegen. Besorgt kniete sich Ralen neben seine Frau. "Ella? Ella? He, hörst du mich?" Er berührte die Altmer an der Schulter und stellte erschrocken fest, dass Blut an seinem Handschuh klebte. "Ella!" Doch als Ralen sie auf den Rücken drehte, sah er, dass für Ella jede Hilfe zu spät kam: einer der Trümmer der Insel hat sich in ihren Brustkorb gebohrt und war dort stecken geblieben. Sie war sofort tot.
"Nein..." Nun konnte Ralen seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Die Expedition war ein Desaster. Zehn tote Söldner, ein toter Freund und Ralen war nun Witwer. Und die Krone war auch verloren. Er schlug verzweifelt die Hände vors Gesicht. Plötzlich spürte er, wie sich ein schlankes Paar Arme um seinen Körper legte und ihn an ein Paar weiche Brüste drückte. Zunächst dachte Ralen, es wäre Tara, doch es war Dany, die ihn tröstete. Ralen gab sich ihr hin. Es würde noch eine lange Rückreise werden...
* * *
Nach vierzehn Tagen Fahrt legte die Kogge wieder im Hafen von Erstburg. Ein beschädigtes Segel und schlechte Windverhältnisse hatten die Rückreise verzögert. Doch nun war die Rethan-Expedition zurückgekehrt. Jedoch ohne den gewünschten Erfolg und mit jede Menge schlechter Nachrichten im Gepäck.
Eron, der Vater von Ralen und Tara, stand zusammen mit dem Dekan am Kai und wartete darauf, die Schwarze Krone in Empfang zunehmen.
Ralen, der am Bug stand, verzog beim Anblick der beiden Männer das Gesicht. Er wusste weder, wie er seinem Vater den Verlust der Krone, noch dem Dekan den Tod seiner Tochter erklären sollte. Wobei letzteres eindeutig schlimmer war. "Du schaffst das", meinte Dany und schmiegte sich eng an Ralen. Während der Überfahrt hat die blonde Dunmer ihm Trost gespendet, stundenlang mit ihm geredet und die Nächte in seiner Kajüte verbrach. Es hat nicht lange gedauert, da waren sie sich näher gekommen. Ella war Ralen aufgezwungen worden, doch hatte er für sie eine gewisse Zuneigung gefühlt. Bei Dany war das anders. Mit ihr konnte er sich gut unterhalten, sie schwammen auf der selben Wellenlänge. Langsam glaubte Ralen, er hätte sich in sie verliebt, obwohl er sie am Anfang nicht leiden konnte.
"Was ist los?", verlangte der Dekan zu wissen, als Ralen mit Dany im Arm an Land ging. "Was ist das für eine Frau? Wieso hältst du sie im Arm?! Wo ist meine Tochter?" Betreten sah Ralen auf den Boden. Wie sollte er es ihm klarmachen? Der sanfte Händedruck Danys ließ Ralen seinen Mut wiederfinden: "Es tut mir schrecklich leid, Herr Dekan. Ihre Tochter, meine Frau, ist leider auf der Überfahrt verstorben. Sie wurde von einem Felssplitter tödlich verwundet."
Wütend packte der Dekan Ralen am Kragen. "Du elender Mistkerl! Das ist deine Schuld! Du hast sie mitgeschleift! Jetzt ist sie tot! Du wirst bezahlen!" Der Dekan holte weit mit der freien Hand aus, um Ralen einen Faustschlag zu verpassen. Doch Eron hielt ihn zurück. "Lasst es gut sein", sagte er ruhig, "Eure Tochter war aus freien Stücken dabei. Sie kannte das Risiko. Mein Sohn hat sie ausdrücklich darauf hingewiesen. Nun hat sie den Preis bezahlt." Der Dekan ließ von Ralen ab und sank weinend auf die Knie
"Da das jetzt erledigt ist..." Eron wandte sich seinem Sohn zu. "Gib mir die Krone, mein Junge." Ralen wich dem Blick seines Vater aus. "Tut mir leid, Vater. Ich...ich habe sie vernichtet. Sie hatte bereits Pol getötet. Der Preis wäre zu hoch gewesen."
Eron klappte den Mund auf. Und dann wieder zu. "Du hast mich enttäuscht, Sohn", sagte er schließlich, den Blick auf den Boden gewandt, "Und du auch, Tara. Ihr habt mich beide enttäuscht. Hätte ich die Krone wären wir wieder eine glückliche Familie geworden. Ihr, ich und eure Mutter."
"Mutter ist tot, Vater", erinnerte Tara. "Das ist sie", stimmte Ralen zu. "Doch Vater wollte sie zurückholen. Mit der Macht der Krone. Ihm geht es nicht um Macht oder Reichtum. Ihm ging es einzig und allein um die Liebe. Nicht wahr, Vater?"
Eron nickte. "Ja, aber durch euer Versagen, gibt es nur noch einen Weg, wie wir wieder eine Familie sein können." Der Dunmer zog sein Schwert. "Erst werde ich euch töten, dann werde ich mich selbst richten. Im Tode sind wir dann alle vereint." "Vater nein!" Doch Taras Rufe kamen zu spät. Der Wahnsinn in Erons Verstand hatte bereits überhand genommen. Geblendet von der Liebe zu einer toten Frau war Eron entschlossen, seinen beiden Kindern das Leben zu nehmen.
Doch das ließ Ralen nicht zu. In Erons Wahnzustand war es leicht, dem Hieb auszuweichen und ihm im Gegenzug den Degen ins Herz zu stechen. "Es tut mir unendlich leid, Vater...", flüsterte Ralen, während sein eigener Vater durch seine Hand starb. Tara brach in Tränen aus, während Ralen nur unbeteiligt daneben stand. Er hatte soviel verloren...