Der Kult des YYsut Khorjita

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DER KULT DES YYSUT KHORJITA, Seite 58 ff.


Es war eine Nacht wie keine andere zuvor.
Es war eine Nacht, vor der die Menschen fliehen würden und der nur eine handvoll unseliger Narren entgegenblicken würden wie ein Seemann der Meeresbrise.
Doch die Menschen flohen nicht, denn Nacht lag über meinem Dorf Tharakhosz und der Wind heulte durch die Wipfel, in denen ich saß und trug den Geruch von Leid, Waffenfett und bösen Gedanken mit sich,
er ließ die Tiere im Wald von einer leisen Ahnung des Unheils überkommen und winseln [...] und brachte mich dazu, stocksteif zu verharren wie damals in der Schlacht des Winterkindes. Denn in dieser Nacht kehrte, leise und verstohlen wie ein Fuchs auf der Pirsch, der Kreis des Trauervogels wieder.
Ich bete für jenen glücklichen Seelen [...], die nichts von dieser einen, grausamsten Sekte Osmatars wissen, zu Arkay.
Der Kreis des Trauervogels oder auch der Purpurne Sturm besteht, eher Gerüchten zufolge als Fakten, die so hart sind wie der Boden, auf dem ich dies verfasse, angeblich aus Jüngern des Gottes Yysut Khorjita, die ihre Seelen so oft gespalten haben, dass sie mehr aus bösem Willen als aus Fleisch und Blut bestanden.
Der Grund für die Furcht vor diesem Zirkel ist berechtigt, denn die Jünger erlangen durch Rituale, so finster wie die Stunde der Equinox, Macht, die selbt den ältesten der Alten Gelehrten Angst macht. Wie gesagt, es sind mehr Hypothesen und dummes Geschwätz, doch man sollte auch den naivsten Gerüchten Achtung schenken, wenn man in eine solch verzweifelte Lage kommt.
Über die Rituale und die seltsame Macht des Purpurnen Sturms ist jedenfalls wenig bekannt [...], denn ich bin einer der wenigen, der dem Sturm entging. Allein das Wissen von ihrer Existenz würde an ein Wunder grenzen, ließe der Kreis nicht nach jedem Angriff oder vielmehr Eingreifen einen purpurnen Trauervogel zurück, der die Schreie der Seelen singt, deren Qual er erlebte. Der Vogel war purpurn, weil der gesamte Kreis in dieser Farbe gekleidet ist, und das ist ein Fakt, der erst mit diesem Schriftstück an die Öffentlichkeit gelangt,
da ich mit eigenen Augen sah, wie ein wahrer Purpursturm über Tharakhosz hinwegfegte und nichts - weder Belebtes noch Unbelebtes - zurückließ - außer dem Vogel. Und wenn ich 'nichts' schreibe, meine ich das auch so, denn wenn dem so nicht wäre, wäre ich ein Schwafelkopf. Doch ich bin Qhomran Iusx'kpun, und ich aß in der Schlacht der Winterkinder meine Stiefelsohlen. Schwafelköpfe sind Leute, die jeden Morgen Honig in die Grütze rühren, einen stattlichen Bauch mit sich herumtragen und nicht wissen, wie lange man seine Stiefelsohlen kochen muss, bis man sie fressen kann.
Wie dem auch sei; der purpurne Sturm war ein Phänomen, welches Schwafelköpfe über die Existenz ihrer Hofgüter zweifeln ließ, wenn diese nicht mehr da waren - wie vom Erdboden verschluckt, wenn nicht die Höllenqualen der Seelen vom Trauervogel gesungen worden wären und wenn ich nie meine Stiefelsohlen hätte essen müssen.
Doch ich will nicht in leeren Phrasen reden wie ein Schwafelkopf, und deswegen versuche ich euch klarzumachen, dass der Kreis des Trauervogels oder der purpurne Sturm zurückgekehrt ist. Und dass es egal ist, ob die Türen verschlossen oder offen sind und das Kind draußen oder drinnen spielt.
Denn dem Sturm entgeht niemand, und entweder ihr greift zu den Waffen auf eine Tjost mit einem Schatten, oder ihr bringt euch selbst um [...].
Denn der Purpursturm ist zurück.

gezeichnet
Qhomran Iuzx'kpun
Chronist von Tharakhosz und einziger Überlebender des 7. Purpursturms
Entnommen aus: Der Kult des Yysut Khorjita, Seite 58 ff.




DER KULT DES YYSUT KHORJITA, Seite 77 ff.


Ich liege hier auf meinem Totenbett und erfreue mich des Anblicks der langsam zurückkehrenden Erinnerungen, dem Gefühl der Sinne, die nach 158 Jahren wieder entfaltet werden. Denn seit meinem Vierzehnten erlebten Winter war ich Jünger des Yysut Khorjita und Mitglied des Purpursturms. Ich liege sanft auf den letzten, weichen Herbstblättern, rieche die feuchte Walderde und bestaune die Pracht der blattlosen Bäume, auf denen die Tautropfen schimmern wie die Augen Dibellas. Ich liege hier, um euch vom Kreis des Trauervogels zu berichten, der seit Jahrhunderten zuschlägt wie die Klauen des Wanderfalken und den Menschen so schmerzliche Rätsel aufgibt.
Ich liege hier und kann euch davon berichten, weil ich im Sterben liege. Vor 158 Jahren wurde mein komplettes Dorf im nächtlichen Tiefschlaf vom Purpurnen Sturm annihiliert. Ich lag auf dem Heuschober, der schon seit Kindesbeinen mein Lieblingsplatz war und wachte von einem Geräusch auf, das anders war als alles, was ich mit meinen damaligen 14 Jahren jemals gehört hatte. Die Luft knisterte vor Magie, so schwarz wie die sternenlose Winternacht, und ließ mich mit einem Schauer überkommen. Es dauerte nicht lang, bis ich im Nirwana aufwachte, mehr Astralgestalt als Mensch. Ich konnte meine Umgebung nicht wahrnehmen, es war, als ob die ganze Welt in Nebel getaucht wäre.
Doch nach einiger Weile der Verzweifelung mischte sich der weiße Nebel mit purpurnem Nebel, der die Silhouette eines Vogels annahm und in meine Richtung schwebte. Da überkam mich ein Blitz der Erkenntnis, und ich fürchtete mich und hielt zugleich still, denn man konnte die übermenschlichen Kräfte spüren, die in diesen Sphären zugange waren. So saß ich da oder schwebte vielmehr im Nichts und wartete auf den purpurnen Vogel. Als er mir weniger als eine Armlänge nahe war, fing er an zu singen; und es war, als zerbräche meine Seele. Denn er sang so traurig und schön zugleich, er sang in einer unbekannten Sprache, und doch verstand ich seine Verse. Er sang von der Qual der Menschen, von der Gottwerdung Yysut Khorjitas und vom Kreis des Trauervogels, und meine Gefühle zerbrachen wie zu dünnes Eis im Winter.
Da überkam mich wieder ein Zustand, den ich nicht in Worten beschreiben kann, und wieder wachte ich an einem anderen Ort auf. Der weiße Astralnebel blieb, doch ich konnte gut 3 dutzend purpurner Silhouetten wahrnehmen, die im Nebel verharrten. Dies waren die Jünger Yysut Khorjitas, und ich bewegte mich auf sie zu, denn meine Gefühle waren vom Gesang des Vogel betäubt und ich konnte weder Angst noch Freude empfinden. Ich war seelenlos, ich war ein leeres Gefäß, und da ergriff mich der Strom der Macht und machte mich zu jenem, der ich 158 Jahre lang war..
Fast mein ganzes Leben oder vielmehr Dasein bestand aus dem verharren im Nebel, doch es war mir gleich, da die Zeit an mir vorüberging wie die Weltgeschichte am Schöpfer. Nur wenige Male zogen wir los, still und in der weißen Welt gefangen. Wir konnten nicht kommunizieren, wir konnten uns nicht erkennen außer der Silhouette und doch wusste jeder, was zu tun war. Wir überfielen Dörfer, wir ließen alles, was an diesem Ort war, im Astralnebel verschwinden, wir machten die Starken seelenlos, auf dass sie sich uns anschlossen, wir einten die Schwachen mit dem Nebel und nur jene, die still und bewegungslos waren, entgingen uns, da die seltsame Macht, mit der wir arbeiteten, die Veränderung war. Nicht jene Veränderung, die Magier kennen, sondern Veränderung in der physischen Struktur der Welt. Stellt euch einen Bussard vor, der vom Himmel stürzt und eine Maus greift. In diesem Moment verändert er die Welt, wenn auch nur geringfügig.
Wenn der Bussard vom Himmel stürzt, verändert er die zusammensetzung der Luft, die sich unter ihm befindet. Er verändert die Struktur des Felles, in das er hineingreift. Und all dies nahmen wir, die seelenlosen Jünger, wahr. Jede noch so kleine Veränderung im Umkreis von wenigen Meilen wurde uns zuteil. Nach diesem Prinzip griffen wir die Menschen an, und nur jene, die meditierten oder still verharrten, überlebten.
Doch in der Stunde des Todes verlässt uns jener grausame Zustand der Seelenlosigkeit, und ich habe nur noch wenige Minuten zeit, bis ich das barmherzige Reich des Todes betrete.
Ich schreibe dies hier, auf dass jemand es finde und in der ganzen Welt kundtue - der Menschheit zugute.
Mir schwinden die Sinne, der Horizont verschwimmt..

gezeichnet
Khynodras Zhomzhakras
Mitglied des Purpursturms
Entnommen aus: Der Kult de Yysut Khorjita, Seite 77 ff.




enjoy.
mfg cotyr