Als das Feuer endlich flackernd auflodert, lehnt Eldric Eisenaxt sich aufatmend zurück. Die Lichtung ist klein, lediglich etwa zehn Fuß breit, und von dichtem Gestrüpp umgeben. Hohe, belaubte Bäume gewähren einen guten Schutz vor feindlichen Spähern, die nach Rauchfahnen Ausschau halten könnten. Dennoch achtet Eldric darauf, dass das Feuer klein bleibt, schiebt die dünnen Äste nur allmählich nach, um gerade ausreichend Wärme zu erzeugen, um den Hasen zu braten, der dumm genug war ihm vor die Axt zu hoppeln. Mit geübten Bewegungen häutet er das Tier und nimmt es aus, die ungenießbaren Innereien vergräbt der Nord unter einem Busch.
Der Hase wird ein karges Mahl abgeben, und da Eldric kein besonders guter Koch ist, vermutlich innen roh und außen verbrannt sein, aber dennoch kann der Nord es kaum erwarten, seine Zähne in das Fleisch zu schlagen, er will nur schnell etwas essen, und dann weiter, denn er hat es eilig. Den ganzen Rest des Tages ist er gewandert, stets das Gesicht gen Norden gewandt, immer weiter Richtung Rift. Was auch immer beim Turm geschehen ist, der Pakt muss davon erfahren. Eine vierte Macht, mit der Niemand gerechnet hat, konnte nicht nur einen erfahrenen Kriegstrupp des Ebenherzpaktes besiegen, sondern auch noch Krieger des Dolchsturzbündnisses und des Aldmeribundes. Er versteht zwar nicht genau, wer sie dort angegriffen hat, aber er weiß, dass die Verbündeten davon erfahren müssen. So schnell wie möglich.
Sein Magen macht inzwischen lautstark auf sich aufmerksam. Wann hat er das letzte Mal gegessen? Es kommt ihm vor wie eine Ewigkeit, aber er weiß, dass es nicht allzulange her ist, eine karge Mahlzeit zum Frühstück, als die Sonne gerade aufging, kurz bevor sich ihr Trupp zu der Höhle aufmachte, durch die sie sich dem Turm der Kaiserlichen nähern wollten.
Nun ist es dunkel, und alles hat sich verändert. Eldrics Trupp ist tot, und er hat sich auf der Flucht vor eventuellen Verfolgern quer in den Wald in Richtung Rift geschlagen. Zurück zum Hauptlager. Zurück in Sicherheit, und auf der Schulter schleppt er ein bewusstloses Bündel mit sich, bestehend aus einer Elfe, die kaum etwas wiegt.
Sein Blick wandert am kleinen Feuer vorbei, auf die gegenüberliegende Seite der kleinen Lichtung. Vielleicht sollte er versuchen, das Spitzohr zu wecken? Vielleicht auch lieber nicht, entscheidet er. Ihm steht der Sinn ausnahmsweise nicht nach einem guten Kampf- die Begegnung mit diesen Kreaturen, die die Deadrafürsten selbst entfesselt haben müssen, steckt ihm noch in allen Gliedern. Sein Rücken schmerzt von dem Schlag des gewaltigen Ungetüms, und er sehnt sich danach, sich auf einem Lager aus Stroh auszustrecken und zu schlafen. Stattdessen wird es ein Lager aus Laub, und er wird kaum schlafen diese Nacht, dafür wird die Furcht davor sorgen, dass das Spitzohr aufwachen und versuchen könnte, ihm mit seiner eigenen Axt den Schädel zu spalten. Eldric ist sich sicher, dass ein derart unehrenhafter Tod ihm auf immer das Recht auf Sovngarde verwehren würde.
Dennoch kann er sich nicht dazu durchringen, das Spitzohr zu fesseln, sondern betrachtet die Altmer statt dessen genauer. Er hat noch nie einen Hochelfen zuvor gesehen, von dieser Sorte Spitzohr gibt es nicht allzuviele in Himmelsrand. Von den Dunmern dagegen umso mehr, vor allem, seit diese sich mit den Nord und den Argoniern verbündet hatten.
Die langen, roten Haare sind der Elfe ins Gesicht gefallen und verbergen das kantige, scharf geschnittene Gesicht mit den dünnen Augenbrauen. Eine Frau auf dem Kampffeld ist für Eldric nichts Ungewöhnliches, aber das Geschick der Altmer im Kampf war beeindruckend, und die natürliche Selbstverständlichkeit, mit der sie ihre Magie gewirkt hat, hat ihm ebenfalls imponiert. Er hat das merkwürdige Gefühl, mit jemandem das Lager zu teilen, der nicht richtig Verbündeter, aber auch nicht richtig Feind ist. Ebensowenig betrachtet er sie als Kriegsgefangene. Es ist die Mühe nicht wert, eine namenlose Befehlshaberin mühsam mitzuschleppen, jetzt, wo er es so eilig hat. Als Zauberin kann sie seine Reise stark ausbremsen, und dazu fehlt ihm die Geduld.
Sollten weitere riesige Ringe am Himmel auftauchen und diese Kreaturen ausspeien, wird es für jedes Bündnis schwierig werden, mit dieser Bedrohung allein fertig zu werden. Und obwohl es ihm widerstrebt, an ein Bündnis mit den arroganten Hochelfen auch nur zu denken...
Wieder wirft er einen Blick zum Spitzohr hinüber. Ihre Augen waren von einem hellen Grün, soviel hatte er feststellen können, und blitzend vor Entschlossenheit. Eldric kontrolliert den Winkel des Spießes, auf dem der Hase steckt, fährt sich durch den langen Bart und grummelt unentschlossen. Das Spitzohr ist eine gute Kämpferin, und er zweifelt nicht daran, dass es ihn angreifen wird, wenn es aufwacht. Wie groß ist der Teil der Kräfte, die es verbraucht hat? Zögernd legt Eldric seinen Helm beiseite, mehr von seiner Rüstung legt er jedoch nicht ab, und seine Axt befindet sich griffbereit neben ihm. Er würde sich wohler fühlen, wenn Gefahr nur von außerhalb des Lagers drohen würde, aber liegenlassen will er das Spitzohr dann doch nicht einfach.
Erneut streicht Eldric sich über den Bart, zwirbelt das lange Ende um seinen Finger und gibt sich dann einen Ruck. Mit großen Schritte umrundet er das Feuer und geht neben dem Spitzohr in die Knie. Es ist offensichtlich immer noch bewusstlos und regt sich nicht, als er es für seine Begriffe nahezu sanft an der Schulter schüttelt. Etwas beherzter dreht er sie aus den Bauch-achtet dabei darauf, dass das Gesicht nicht ins Gras gedrückt wird- streift die weichen, roten Haare beiseite und macht sich daran, die abgebrochenen Pfeilschäfte in ihrer Schulter zu untersuchen. Es sind mehrere, und sie wurden aus einem merkwürdig dunklen, faserigen Holz geschnitzt, das Eldric nicht kennt. Er hofft, dass sie nicht vergiftet waren, schließlich ist er Krieger und kein Heiler. Mit einfachen Verletzungen kennt er sich jedoch aus, und Pfeilwunden sind ihm wohlbekannt. Diese hier haben den Körper nicht mal durchschlagen.
Mit geübten Bewegungen legt er seinen Helm in die flackernde Glut und füllt den kläglichen Rest aus seinem Trinkschlauch hinein. Anschließend fügt er noch einige Kräuter mit heilenden Eigenschaften hinzu, die er immer bei sich trägt und wartet, bis das Wasser heiß wird. Dann reißt er etwas Stoff aus dem roten Tuch an seiner Rüstung, tunkt den Lappen vollständig in den Sud und greift dann nach seinem Dolch. Vermutlich wird das Spitzohr von den Schmerzen aufwachen, und sich zur Wehr setzen, also muss es schnell gehen, überlegt der Nord. Der Pfeilschaft wurde von ihr so nah am Körper abgebrochen, dass er ihn mit den Finger nicht zu fassen bekommt. Also setzt er die Spitze des Dolches so an, dass er sie in das Holz bohren kann und drückt vorsichtig zu. Der Körper unter ihm erbebt, und er vernimmt ein gedämpftes Stöhnen. Dafür kann er den Pfeil vorsichtig nach oben drücken, darauf bedacht, mit der Spitze nicht allzuviel Schaden im Körper des Spitzohrs zu verursachen. Mit einem Schwall Blut kommt die Pfeilspitze nach einigen Herzschlägen zum Vorschein. Hastig wringt Eldric den vorbereiteten Lappen über der Wunde aus und betupft dann den Rand damit. Ein weiterer Fetzen aus rotem Stoff muss zum Verbinden herhalten. Wieder erklingt ein gedämpftes Stöhnen, und das Spitzohr regt sich. Zügig setzt Eldric den Dolch erneut an, rutscht beinahe ab und muss fest zudrücken, um die Spitze in das Holz bohren zu können. Diesmal zappelt das Spitzohr heftiger, und er lehnt sich auf sie, um jegliche Gegenwehr im Keim zu ersticken. Als er den Pfeil zu fassen bekommt und zügig aus ihrem Körper zieht, wehrt die Altmer sich heftiger. Hastig versorgt Eldric die Wunde, verschiebt das Verbinden jedoch auf später und macht sich an die letzten zwei Schäfte.
Beim Letzten wacht das Spitzohr auf. Ehe Eldric merkt wie ihm geschieht, erhält er einen magischen Schlag und segelt einige Fuß weit durch die Luft, bis er unsanft auf dem bereits schmerzenden Rücken landet. Durch seine zusammengebissenen Zähne dringt jedoch kein Schmerzenslaut. Hastig springt er auf und betrachtet das Spitzohr finster, welches ihn seinerseits argwöhnisch beäugt. Der Griff um das Dolchheft hat sich während seines unfreiwilligen Fluges krampfhaft verstärkt, sodass Eldric wenigstens nicht unbewaffnet vor der Magierin steht, allerdings scheinen sich ihre Kräfte wieder regeneriert zu haben. Eldric spannt jeden Muskel im Leib an, um bei jeder noch so geringsten Regung seines Gegenüber zu Seite in den Schutz eines Baumes springen zu können. Angespannt beobachtet er, wie das Spitzohr ohne ihn aus den Augen zu lassen langsam in die Knie geht und den Helm anhebt, um am Sud darin zu schnuppern.
„Wasser mit blauen Bergblumen? Ein einfacher, aber hilfreicher Weg um Wunden zu reinigen und den Heilprozess zu beschleunigen,“ erkennt das Spitzohr schließlich überrascht und lässt den Helm sinken.
„Ihr habt Euch also um meine Wunden gekümmert.“
„Ihr habt eine der Ketten gelöst, die den Ring gehalten haben, und damit mein Leben gerettet. Es war meine Pflicht, dann meinerseits Euch zu helfen,“ gibt Eldric zurück, verharrt aber in seiner Haltung, die Finger fest um das Heft des Dolches geschlossen und das Spitzohr im Blick.
„Gibt es noch andere Überlebende?“
Eldrics Schweigen ist der Altmer Antwort genug, sie schließt kurz die Augen, dann atmet sie durch.
„Ein Pfeil ist nur halb draußen, ich fürchte, ich habe Euch bei Eurer Arbeit unterbrochen. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Würdet Ihr fortfahren?“
Das Spitzohr dreht sich um, streift seine Haare beiseite und wartet. Als Eldric den Griff um das Dolchheft lockert, sind seine Finger so verkrampft, dass sie fast schmerzen. Schweigend legt er den kurzen Weg zum Spitzohr zurück und zieht vorsichtig den letzten Pfeil aus ihrem Rücken. Es zuckt kurz zusammen, lässt sich aber sonst nichts anmerken. Als Eldric nach seinem Helm greift, winkt die Elfe ab, und vor seinen Augen zieht sich die Wunde langsam zusammen.
„Ich hoffe für Euch, dass die Pfeile nicht vergiftet waren,“ erklärt er, dann setzt er sich ihr gegenüber ans Feuer.
„Das hoffe ich auch,“ gibt das Spitzohr zurück, und seine Mundwinkel heben sich leicht. Schweigend beobachtet sie, wie Eldric am Feuer hantiert, und greift mit einem dankbaren Nicken zu, als er ihr ein Stück des Hasen anbietet. Das Fleisch ist erstaunlich gleichmäßig durch, hätte Eldric Met in seinem Trinkschlauch, könnte er das dürftige Mahl beinahe genießen. Er ist bereits fertig, als die Altmer den letzten Bissen verzehrt und sich danach erkundigt, wohin er sie gebracht hat.
„Wir sind auf dem Weg Richtung Rift,“ erklärt Eldric schließlich gleichmütig. „Euch steht frei zu gehen wann Ihr wollt.“
„Selbstverständlich,“ gibt das Spitzohr zurück, und wirkt einen Moment exakt so arrogant, wie man es den Hochelfen immer nachsagt. Verärgert runzelt Eldric die Stirn und erwidert nichts mehr. Wieder wird es still zwischen ihnen.
„Ihr seid Magierin und ihr Hochelfen kennt euch mit derlei Dingen gut aus,“ bricht Eldric schließlich das Schweigen und fasst das Spitzohr fest ins Auge. „Dieser gigantische Ring. Woher kam er? Was beim Reich des Vergessens war das?“
„Ich fürchte, es ist der Versuch eines Deadra-Fürsten, seinen Einfluss auf unserer Welt auszubreiten. Und es macht mir Sorgen,“ gibt die Altmer überraschend offen zu. Dann erkundigt sie sich nach Eldrics Namen.
„Eldric Eisenaxt,“ gibt er zurück und beobachtet, wie sie sich grazil erhebt. Im Vergleich zu Nordfrauen wirkt die Altmer zierlich und elegant. Für einen kurzen Augenblick saugt der Nord jede der Bewegungen von ihr in sich auf.
„Mir geht es soweit wieder gut, und das habe ich Euch zu verdanken, Eldric Eisenaxt,“ sagt sie und wieder heben sich die Mundwinkel leicht. „Aber ich fürchte, der Kampf gegen diese Kreaturen war nur der Anfang, daher zieht es mich zurück zu meinen Landsleuten. Ich will sie warnen, und Ihr solltet dasselbe tun.“
Die Altmer legt den Kopf in den Nacken und starrt zu den Sternen hinauf.
„Wir sind aus dieser Richtung gekommen?,“ erkundigt sie sich und zeigt hinter Eldric ins Dickicht. Der Nord nickt schweigend und beobachtet, wie sie aufs Gebüsch zugeht.
„Hey Spitzohr,“ ruft er, und wirft ihr, als sie herumwirbelt, seinen Dolch zu. „Es wäre nett, wenn Ihr nicht versuchen würdet, mir damit hinterrücks die Kehle durchzuschneiden. Er könnte Euch nützlich sein, Eisen ist mir immer lieber als die verdammte Magie.“
Das bringt sie richtig zum Lächeln, der Nord kann sogar ihre Zähne sehen.
„Lebt wohl, Eldric Eisenaxt,“ sagt sie, als sie im Dickicht verschwindet, „vielleicht treffen wir uns eines Tages unter glücklicheren Umständen wieder.“