„Ja, Kinder, es ist kein Zufall, dass dieses Land Tamriel die Arena genannt worden ist.“ Der alte Mann änderte seine Position auf dem großen Fels, der sein Gewicht trug, und straffte seine lange, graue Robe. Rheumys Augen verloren sich in der Ferne, als sie über das sonnengewärmte Tal in den Bergen von Hochfels glitten. Für einen Moment sah er statt des frischen Frühlingsgrüns eine Vision uralter Schrecken. Ein Frösteln ließ seine alten Knochen schaudern.
„Ist das ein passendes Thema für die Jungen und Unschuldigen?“, fragte er sich selbst. Die Jungen müssen unterwiesen werden, aber müssen sie solche Dinge jetzt lernen, da sie im Sonnenlicht spielen sollten? Das ist eine Geschichte für den trostlosen Winter, wenn der Wind draußen vor den Stadtmauern heult und die Türen und Fenster verschlossen und verriegelt sind, wegen den Böen, der Kälte und ... anderen Dingen.
Er sah seine beiden Enkel voller Zuneigung an: den kleinen, flachsköpfigen Jungen, der selbst bei den seltenen Gelegenheiten, wenn er still saß, noch ein spitzbübisches Lächeln in seinen Augen hatte, und seine ältere Schwester. Ein seelenruhiges Mädchen, dachte der alte Mann. Ihr einer dunklen Flamme gleichendes Haar und die ein wenig spitzen Ohren waren die einzigen offensichtlichen Zeichen von Elfenblut. So wie ihre Großmutter, dachte der alte Mann. Aber die Vergangenheit ist vergangen und I'shira hatte ihm nach einem Leben voller Kampf soviel Frieden und Freude gebracht. Er zwang seine Gedanken zurück in die Gegenwart.
„Tut mir Leid, Kinder, ich war in Erinnerungen versunken. Alten Leuten passiert das, wisst ihr?“
„Erzählst du uns die Geschichte von Jagar Tharn, dem Kaiser und dem Ewigen Champion?“, fragte sein Enkel. „Die mag ich am liebsten!“
„Nicht ganz, mein Sohn, aber sie waren auf ihre Art Teil davon. So wie I'ric und Moraelyn und Edward und Reymon und viele andere. Selbst die Götter spielen eine Rolle. Das ist eine viel ältere Geschichte und selbst die Priester würden sie nicht auf meine Art erzählen. Sie haben ihre eigenen Deutungen und auch ihre eigenen Ängste. Ich bin zu alt und habe zu viel gesehen, um mich noch vor irgendetwas zu fürchten, außer dass unser Volk vergessen wird. Und das Vergessen ist gefährlich. Also bewahren ich und ein paar andere diese Geschichte und versuchen, sie unter den jüngeren Generationen zu verbreiten. Du bist noch nicht alt genug, um alles zu verstehen, aber ich spüre, dass mein Ende nicht mehr fern ist. Trotzdem muss ich dich bitten, dich daran zu erinnern. Wenn ich in ein paar Jahren noch lebe können wir wieder darüber sprechen. Wenn nicht, nun, dann musst du andere suchen, die sie kennen und die Berichte vergleichen.“
„Du sprichst, als ob du sterben würdest, Großpapa“, sagte seine Enkelin. „Das kann nicht passieren. Du wirst für immer leben!“
Er lachte leise. „Ich fürchte nicht, mein Liebling. Aber noch bleibt mir etwas Zeit, genug für diese Geschichte.“
Die Kinder setzten sich gegen den Stamm einer alten Eiche. Sie wussten, dass sie den alten Mann nicht drängen konnten. Er lehnte sich vor und begann:
„Vor langer, langer Zeit, bevor es überhaupt Menschen gab, sogar vor den Göttern, wurde Tamriel zum Kampfplatz zweier ... Dinge gewählt. Es ist schwer, Worte für sie zu finden. Ich nenne sie das Licht und die Dunkelheit. Andere verwenden andere Namen. Gut und Böse, Vogel und Schlange, Ordnung und Chaos. Keiner dieser Namen passt wirklich. Es genügt, dass sie einander gegenüberstehen und völlig gegensätzlich sind. Keiner ist wirklich gut oder böse, so wie wir die Worte verstehen. Sie sind unsterblich, da sie nicht wirklich leben, aber sie existieren. Selbst die Götter und ihre daedrischen Feinde sind bloße Reflektionen des ewigen Konflikts zwischen ihnen. Es ist, als ob ihr Kampf Energien erzeugen würde, die ihre Umgebung stören und diese Energien sind so mächtig, dass Leben erscheinen kann, wie ein Strudel in einem Fluss.“
„Kommen Dämonen und Trolle aus der Dunkelheit, Großvater?“
„Nicht ganz, mein Sohn. Die untoten Bösen, die wir kennen und die Dämonen, die im Reich des Vergessens leben, neigen dazu, sich mit der Dunkelheit zu verbünden. Es entspricht eher ihrer Natur. Menschen und die anderen Einwohner Tamriels, selbst die missverstandenen Dunkelelfen, neigen eher zum Licht. Unsere Bösen sind nicht immer aus der Dunkelheit, aber einige schon und das sind die wahrhaft gefährlichen. Jagar Tharn war schon fast ganz mit der Dunkelheit verbunden und gerade deshalb war er eigentlich so ungeheuerlich. Nicht, weil er ein Schwarzer Magier war, wie manche denken.“
„Kam seine Magie aus der Dunkelheit, Großpapa?“ Das Interesse des Mädchens wurde durch die Erwähnung von Magie geweckt. Langsam zeigte sich ihr Erbe, dachte der alte Mann.
„Nein, die Macht der Magie kommt direkt aus den Energien, die um die beiden Wesenheiten herumwirbeln. Diese Energien sind unpersönlich und alle vermischt. Schwarze Magie ist mehr eine Sache des Vorsatzes als der Auswirkung. Die Magiergilde ist der Meinung, dass, sagen wir, ein Feuerball, der gegen eine Kreatur geschleudert wird, um diese zu verletzen, keine Schwarze Magie ist; der gleiche Zauber, der gegen jemanden gerichtet wird, der Frieden sucht, allerdings schon. Damit haben sie Recht. Die Zerstörung eines Feuerdaedra stärkt das Licht und schwächt die Dunkelheit ein wenig. Auf die gleiche Weise stärkt die Zerstörung eines Einhorns die Dunkelheit.“
„Was ist mit den Göttern? Kommen sie vom Licht?“ Die Augen des Jungen waren lebhaft, aber groß vor unruhiger Erwartung. Er liebte Geschichten über Götter und Göttinnen aus Tamriels Pantheon und die Helden, die ihnen dienten.
Der alte Mann lachte in sich hinein. „Die Götter haben einen ungewöhnlichen Ursprung, falls einige der ältesten Geschichten wahr sind. Die ältesten Einwohner dieser Welt – keiner weiß so genau, welchem Volk sie angehörten – hatten ein System von Mythen, an das sie ein Jahrtausend glaubten. Das Volk von et'Ada glaubten so lange und so fest, dass ihr Glaube vielleicht, nur vielleicht, die Energien um Tamriel zusammengezogen und die Götter hervorgebracht hat. Wenn dem so ist, hat der Konflikt zwischen Licht und Dunkelheit die Energie gegeben und die et'Adanier die Struktur, die die Götter von Tamriel erschaffen hat. Keiner weiß es wirklich, da es so lange her ist und so wenig aus dieser Zeit überlebt hat. Es spielt auch keine Rolle mehr; die Götter haben jetzt ihre eigene Existenz und neigen meist zum Licht, aber ein paar wenige sind, sagen wir, etwas mehrdeutig.“
„Warum müssen wir uns daran erinnern, Großvater? Was ist daran so gefährlich? Können wir Licht und Dunkelheit beeinflussen, wenn sie so groß und mächtig sind? Sollten wir das versuchen? Für was sollen wir kämpfen?“
„Ich merke, dass sich deine kritischen Fähigkeiten entwickeln, Solara. Das ist gut so. Die Antwort ist einfach, aber für bloße Sterbliche wie uns immer noch schwierig genug. Das Licht und die Dunkelheit sind ausgeglichen und vielleicht wird sich ihr Konflikt nie auflösen. Sterbliche und Wesen von Aetherius können manchmal Spuren davon bemerken. Darin liegt die Gefahr; für die meisten von uns ist das Licht sympathischer, sogar inspirierend und bewegt uns zu einem Verhalten, das wir gut nennen würden. Für Kreaturen wie uns ist die Dunkelheit ... schrecklich. Jene, die Visionen davon haben, werden oft in den Wahnsinn getrieben und jene, die nicht, wären besser tot. Die Dunkelheit ist für uns eine monströse Leere, eine Leere, die die Seele zu sich hinzieht – um sie zu verschlingen, zu verstümmeln und schließlich zu vernichten. Was wir davon sehen können, erscheint völlig böse. Vielleicht wäre das anderswo nicht so, aber in unserer Welt ist es so.“
Der alte Mann machte eine Pause, um seine Gedanken zu sammeln und blickte noch einmal auf das frische, neue Leben des Frühlings. „Wir dürfen nie die Dunkelheit vergessen, die immer da ist und auf jene unter uns mit schwachen Seelen lauert. Wenn sie die Vorherrschaft über Tamriel gewinnen sollte, durch Handlanger, die durch ihre schreckliche Anziehung pervertiert wurden, könnten schreckliche Dinge passieren. Alles, was wir als schön und erstrebenswert erachten, selbst die Liebe, würde hinweggefegt werden. Es gäbe keinen Frieden und Hoffnung mehr. Für Tamriel wäre das die schlimmste mögliche Katastrophe. Was ich unter der Herrschaft von Jagar sah, hat mich beinahe getötet, fast meinen Geist zerrüttet. Als er vernichtet worden war, dachte ich, das Schlimmste sei vorüber, aber dem war nicht so. Die Mächte der Dunkelheit sind wieder auf dem Vormarsch und neue Helden müssen erstehen, um sich dem Ewigen Champion im Kampf gegen sie anzuschließen.“
Der alte Mann und die beiden Kinder saßen einige Minuten schweigend da. Schließlich halfen die Kinder ihrem Großvater auf die Füße und sie gingen langsam fort. Nach Hause, zum Herd und zum Mittagessen.