Online:Rajhin und die Steinmaid, Teil 2

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Inhalt

Rajhin und die Steinmaid, Teil 2

„In Ordnung“, seufzte Mazaram. Er erklärte, dass einer seiner Agenten – denn Mazaram verdiente sein Geld als Händler – ihm erzählte, dass ein nahes Land ohne Herrscher sei. „Es ist viel größer als dieses Dorf und erstrahlt dennoch wie eine Perle in der Dunkelheit. Es ist ein Ort, den Ihr für Euch beanspruchen könnt, aber ohne die Hilfe meines Agenten werdet Ihr ihn nie erreichen.“

Azelit-ra lachte höhnisch. „Einen solchen Ort gibt es nicht! Ist das irgendeine grausame Verschwörung, mit der Ihr mich aus dem Weg schaffen wollt, während Ihr meine Tochter heiratet? Pah! Ich falle nicht auf Eure Listen herein!“

„Das ist keine List, Stiefvater“, versicherte Munilli. „Bei der Ehre meiner Mutter, ich habe dieses Land gesehen … Und Ihr ebenfalls! Geschichten und Lieder erzählen von seiner Schönheit!“

Diese Worte verblüfften Azelit-ra. Er wusste zwar, dass Munilli Mazaram heiraten wollte, aber er kannte sie auch als ehrliches Mädchen … Und er wusste, dass sie die Ehre ihrer verstorbenen Mutter schätzte wie ihr eigenes Leben. Und dennoch hatte er Zweifel, denn es fällt einem Mann, dem man nicht trauen kann, nicht leicht, anderen zu vertrauen.

„Nun gut. Was ist das für ein großartiges Land, von dem Ihr sprech und das ich bereits gesehen habe und dennoch nicht kenne?“

Mazaram schüttelte einen Finger. „Nein, nein … Wenn ich es Euch einfach so verrate, dann weiß ich doch nicht, ob Ihr es nicht vielleicht ohne mich erobern wollt. Ich bleibe dabei, dass Ihr die Hilfe meines Agenten benötigt, aber vielleicht versucht Ihr ja auf eigene Faust irgendeinen Unsinn.“

„Nun gut“, räusperte sich Azelit-ra erneut. „Wenn Ihr es mir nicht verratet, woher soll ich dann wissen, dass Ihr die Wahrheit sprecht?“

„Mein Agent“, antwortete Mazaram, „wird Euch heute Nacht an diesen Ort führen. Erklärt Ihr Euch bereit, als Gegenleistung den Brautpreis zu entrichten?“

„Eine Finte“, dachte der gierige Stiefvater. „Sie wollen sich davonstehlen, während ich mich auf meine ‚Reise‘ in dieses Land vorbereite. Nun, denen werde ich's zeigen!“

„Abgemacht!“, rief Azelit-ra, sehr zur Überraschung der Diener, die ihn umgaben. „Aber ich bestehe darauf, dass wir eure Verlobungsfeier abhalten, bevor ich auf meine Reise aufbreche! Ihr, Mazaram, werdet zu meiner Rechten sitzen, und Munilli zu meiner Linken!“

„Ha“, so dachte er, „sollen sie nur versuchen davonzulaufen, während sie zum Greifen nahe sind!“

Aber die Beiden erklärten sich einverstanden. Azelit-ra hatte keine Wahl, als seine Speisekammer und den Weinkeller für das ganze Dorf zu öffnen. Das Fest ging den ganzen Nachmittag lang. Wie gewohnt schlang der Plantagenbesitzer gierig in sich hinein, damit auch ja niemand mehr abbekam als er. Das Paar aß nur wenig und wich nicht von seiner Seite. Bald wurde Azelit-ra müde, und dann verärgert.

„Die Monde gehen auf, Mazaram! Wo bleibt Euer Agent?“, wollte er wissen.

„Ich stehe direkt hinter Euch, mein Fürst“, schnurrte eine Stimme in Azelit-ras Ohr.

Der alte Mann erschrak, gewann aber schnell wieder die Fassung. Als er sich umdrehte, sah er eine Gestalt, die für ihn aussah wie ein Vagabund mit einem breitkrempigen Hut. Der Schwanz des Reisenden zuckte, aber ob nun aus Nervosität oder aus Belustigung, das wusste Azelit-ra nicht zu sagen.

„Gut, dann sagt mir, wo ist dieses Land!“, blaffte Azelit-ra den Mann an. „Ich bin bereit, von mir aus können wir los. Ansonsten solltet Ihr und Mazaram unverzüglich von hier verschwinden!“

„Ihr seid bereit?“, fragte der Vagabund. „Dann lasst uns aufbrechen!“ Wie der Wind warf der Vagabund seinen breitkrempigen Hut ab. Da stand der Gott der List in all seiner Pracht. Ohne ein weiteres Wort ergriff Rajhin den fetten Mann an seinem bekleckerten Obergewand, und die beiden schossen wie Kometen in den Himmel. Bald schon verschwand ihr Leuchten in der perlweißen Aura von Jode, dem größten Mond.

„Wahrlich“, dachte Munilli laut bei sich, „es ist ein Land, das wir von unserem Dorf aus sehen können.“

„Und es leuchtet auch so wunderschön wie eine Perle.“

Als die Dorfbewohner sich von ihrem Schock erholt hatten, wurde aus der Verlobungsfeier ein Hochzeitsfest. Als die Monde untergegangen waren, waren Mazaram und Munilli vermählt.

Aber als sie in ihrer Laube lagen, überkam beide ein Schaudern. Die Kerzen erloschen. Die Dunkelheit wurde tiefer. Munilli schrie auf und Mazaram tastete im Dunkel nach seinem Schwert.

Plötzlich gab es einen Lichtblitz, und da stand Rajhin vor ihnen, der Mondstaub von seinen Gewändern klopfte. „Also, wo bist du denn?“, sagte er bei sich, während die beiden Liebenden ihn mit offenem Mund anstarrten. „Ah, da bist du ja!“

Mit einer Bewegung, die zu schnell für das Auge war, streckte Rajhin seinen Arm aus und griff in die Luft. Dann steckte er seine Hand in eine seiner vielen kleinen Taschen. Der Raum wurde wieder hell.

„Was war das, mein Herr? Wonach habt Ihr geschnappt?“, fragte Munilli.

„Der Schatten des fetten Mannes! Ich habe ihn so schnell in sein neues Land gebracht, dass es ihm nicht nur die Schuhe auszog!“

Und Gelächter erschallte über dem Flussufer.