Online:Picknick bei Pelin (eine Schauergeschichte)

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Inhalt

Picknick bei Pelin (eine Schauergeschichte)
Von DeWitte Bourbois

„Kommt schon, Falinne“, sagte ich. „Das wird lustig.“

„Ich weiß nicht, Jacques“, antwortete Falinne; auf ihrem knabenhaften Gesicht war Verlegenheit zu sehen, sehr ungewöhnlich für sie. „Ich glaube nur nicht … Es hört sich für mich wie keine sonderlich gute Idee an.“

„Was? Ein Picknick zu machen? Heute ist der Hoheitstag! Wir feiern die Unabhängigkeit von Hochfels vom Ersten Kaiserreich. Alle machen ein Picknick zum Hoheitstag!“

„Ja, aber nicht auf dem Pelinsfriedhof. Und das Wetter sieht nicht gut aus für ein Picknick … So düster.“ Sie schauderte.

„Macht Euch keine Sorgen“, sagte ich, als ich sie durch das gusseiserne Tor auf den großen Friedhof führte. „Wir haben ein Dach über dem Kopf. Wir essen in diesem alten Mausoleum hier.“

„W-was?“, sagte Falinne. „Aber das ist das Grabmal von …“

„Von Eurer Namensvetterin, Baronin Falinne Guimard, die am Hoheitstag die Truppen der Bangkorai befehligte? Da habt Ihr wohl recht.“ Ich lächelte, verbeugte mich und winkte sie in das dunkle Mausoleum.

Falinne blickte hinein und schluckte. Dann sagte sie: „In Ordnung, Jacques. Ihr macht mir keine Angst.“ Und schon betrat sie, die Schultern leicht hochgezogen, die letzte Ruhestätte der Baronin.

Ich folgte ihr und breitete die Picknickdecke theatralisch aus. „Na also! Wir müssen uns nicht auf die feuchten, mit seltsamen Flecken übersäten Pflastersteine der finsteren und bedrückenden Knochenkammer setzen. Behaglichkeit und Eleganz lautet meine Parole!“

„Sehr witzig, Jaques.“ Sie lächelte verschmitzt und setzte sich, während ich den Picknickkorb in die Mitte der Decke stellte. „Also, was habt Ihr dabei?“

„Ein Luxuspicknick, zusammengestellt von Koch Artoine des Gasthauses Zum Ankerplatz! Zwei Felstäubchen, gegrillt und entbeint, mit Kammwürzmuß, Ballompudding und einem Krug Milchwein. Eine Spezialität der Region …“

„ … lität … egion …“, antwortete eine flüsternde Stimme aus den Tiefen der Gruft.

„Äh … Ein Echo. Bei Mara! Habt … Habt Ihr das gehört, Falinne?“

„ … Falinne … Aless … Legion …!“ Wieder das Flüstern, diesmal lauter.

„Also das habe ich ganz gewiss gehört!“, sagte Falinne und sprang auf. „Jacques, was für Späße habt Ihr hier mit mir vor?“

„Alessianische Legion! Wo?“, sprach die Stimme, dieses Mal recht deutlich. Und vor unseren immer größer werdenden Augen kam ein blaues Phantom eine steile und enge Treppe heraufgeschwebt.

Mit einem Kreischen drückte sich Fallinne an die entgegengesetzte Wand, wo sie wie gelähmt erstarrte. Ich fühlte kalte Steine in meinem Rücken und stellte fest, dass ich es ihr gleichgetan hatte.

Das durchsichtige blaue Phantom, gewandet in Rüstung antiker Machart, schwebte zwischen uns hindurch, hielt am Eingang inne und drehte sich um. „Heute ist der Tag, nicht wahr“, fragte die weibliche Geistergestalt mit ihrer körperlosen Stimme. „Der Tag des Angriffs!“

„J-ja, Baronin“, antwortete ich, überrascht dafür, dass ich überhaupt sprechen konnte. „Richtiger T-tag, falsches Jahrhundert.“

„Was?“ Sie flog auf mich zu, ihre gespensterhaften Hände erhoben wie Klauen. Irgendwie schaffte ich es, noch weiter in der Wand zu versinken. „Was? Nicht … schon wieder.“

„Doch, ganz richtig!“, meldete sich auch Falinne zu Wort. „Falsches Jahrhundert, falsches Jahr! Geht wieder schlafen, Großmutter.“

„Falsches … Jahr“, sagte das Gespenst langsam. „Wieder … schlafen.“

Und zu unserer unendlichen Erleichterung schwebte der Geist der Baronin wieder die Treppe hinunter, wobei er immer durchsichtiger wurde.

„Bei Kynareths Stürmen!“, sagte Falinne und sank zu Boden. „Ich brauche jetzt einen kräftigen Schluck. Ihr auch?“

„Oh, ja. Und zwar mindestens einen“, sagte ich, als sie den Milchwein einschenkte. „Was dauert denn da so lange?“

„Meine Hände zittern. Hier.“

Ich trank meinen Becher der vergorenen Köstlichkeit aus und gab ihn ihr für einen Nachschlag zurück. Dann holte ich tief Atem und fing an: „Falinne, es tut mir so unendlich leid. Ich hätte nie gedacht …“

„Macht Euch deswegen keinen Kopf“, sagte sie. „Hier, trinkt noch ein wenig. Denkt doch nur, was für eine großartige Geschichte Ihr jetzt im Ankerplatz erzählen könnt.“

„Ihr seid nicht sauer? Wirklich nicht?“

„Nein, Jacques. Nicht sauer.“

„Gut, dann schneide ich mal die … Hm, das ist ja seltsam.“ Als ich nach dem Teller mit den Täubchen griff, fühlte ich, wie mich ein seltsames Gefühl von Kälte überkam, und meine Hand griff daneben. „Bei Arkay, was …?“ Ich versuchte aufzustehen, kam bis auf die Knie und fiel dann vornüber auf die Decke. „Falinne, da … Da stimmt etwas nicht.“

„Macht Euch keine Sorgen, mein Liebster“, sagte sie mit einem süßen Lächeln. „Ich habe nur etwas Lähmungsgift in Euren Milchwein geschüttet.“

„G-gift?“, murmelte ich. „Warum?“,

„Es gibt da diese wirklich exklusive Vereinigung, der ich gerne beitreten würde. Namiras Vergessene? Aber um aufgenommen zu werden, muss ich Menschenfleisch essen. Das ist so aufregend, Jacques!“ Sie zog eine schlanke, rasiermesserscharfe Klinge aus ihrem Mieder. „Also, mal sehen … Womit fange ich denn an?“