Online:Eine Interpretation der Seele

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Diese Seite enthält den Text von Eine Interpretation der Seele aus The Elder Scrolls Online (Originaltitel: The Interpreted Soul).

Inhalt

Eine Interpretation der Seele[1]
Von Abt Crassius Viria

Ein verstörter Initiand mit weit geöffneten Augen unterbrach letzte Nacht meine Meditation. „Abt“, schrie er, „ich musste den schrecklichsten Traum überstehen. Ich habe mich um die Alten in ihren Zellen gekümmert, ihnen Essen und Wasser gebracht und ihren beruhigenden Liedern zugehört. Die Flügel der Motten schlugen sanft und ruhig wie immer, als ich mich plötzlich einer abscheulichen Erscheinung gegenüber sah! Körperlose Tote durchstreiften die Hallen und es schien mir, als würden sich die Motten an ihnen laben – einen Hauch geisterhaften Materials einsaugen, vielleicht sogar ihre Seelen selbst, in hungrige Schlünde! Bitte, Abt, sagt mir, dass dies Wahnsinn ist, dass dem nicht so ist!“


Es ist nicht ungewöhnlich für Initianden unseres Ordens, beunruhigende Träume zu haben, besonders wenn sie mehr über die Natur unserer Obhut, die Schriftrollen der Alten, und die Ahnen, die uns die Weisheit gewähren, um uns ihren endlosen Mysterien zu stellen, erfahren. Auch wenn ein Großteil des Wissens, das man durch das Lesen der Schriftrollen erlangt, selbst erlebt werden muss, um es vollkommen zu verstehen, und ich von meinem täglichen Unbill sehr erschöpft war, konnte ich ihm seine Ängste nehmen. Unser Orden fühlt sich mit sterblichen Seelen und den Motten verbunden, die Fragmente ihrer Belesenheit über die Sterblichkeit hinaus bewahren.


Wir nutzen nicht die unwirschen Methoden der Anrufer oder Nekromanten, die Seelen aus ihren Gefäßen reißen, sie einfangen und ihre Energien gewaltsam lenken, ungeachtet derer Ziele oder Zufriedenheit. Nein, das Wechselspiel aus Motte und Ahnenseele ist empfindlich und so natürlich wie die Lobsangbäume selbst und wir sind geduldige und gewissenhafte Beobachter, die hoffen, einen Teil des kosmischen Gewebes zu verstehen, indem wir auf dessen Fäden blicken. Wir erfahren durch den Dienst an den Motten und den Ahnen Führung, nicht durch den plumpen Zwang des Willens ohne Verständnis für die Konsequenzen.


Die Seele, so erklärte ich ihm, hat vieles mit der Motte gemein – sie bilden ein sinnbildliches Paar. Auch wenn es charakteristisch ist, sie als aedrische Essenz im Herzen eines jeden Sterblichen zu sehen, so habe ich ihm dennoch geraten, die Seele in einem anderen Licht zu betrachten, geschuppt wie die Flügel der Motte, bestehend aus Gefäßen, die während all der Ereignisse einer sterblichen Existenz gefüllt werden. Löst sich das Leben von Nirn, so glauben wir, dass eine Art Zerstreuung beginnt, und dass dann die Motten, die Generation für Generation unter unserer Pflege und unserem Schutz gedeihen, das Lied des Fjyronen einer Seele erlernen.


Die Fjyronen selbst müssen eine Verbindung zum großen Gewebe der Schöpfung aufrechterhalten, zu allen Überbleibseln verstreuter Seelen, ganz gleich, wohin es sie auch treiben mag. Durch diese Verbindung und mit geduldiger Fürsorge können wir Führung von jenseits der Gegenwart, der Vergangenheit oder der bekannten Welt, von einem Ort, an dem die Zeit keine Rolle spielt, erhalten. Die Motten fangen weder die Seelen der Ahnen ein, noch verschlingen sie diese. Vielmehr wiederholen sie für uns, was sie vernommen haben, ganz so wie ein Chor, der die Verse eines großen Liedes wiederholt.


Ich konnte erkennen, dass ihm das vollständige Verständnis hierfür noch fehlte, aber seine wildesten Ängste vor den Ahnenmotten größtenteils beseitigt waren. Ich habe ihm gerne auf seiner Reise geholfen und ihm gesagt, er hätte genügend Zeit, über die Natur der Seelen nachzudenken, während er kommende Woche den Boden des Seidenraums schrubben würde – als Buße dafür, dass er meine nächtliche Träumerei gestört hat.

Anmerkungen (Tamriel-Almanach)

  1. Das Buch wurde auf der offiziellen ESO-Seite veröffentlicht.