Online:Drei Diebe, Teil 2

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Inhalt

Drei Diebe, Teil 2
Von einem unbekannten Verfasser

Galsiah brachte die frisch gestohlene Karte des Gildenhauses zum Vorschein und sie machten sich an die Ausarbeitung ihres Plans.

Die letzten Stunden waren für alle äußerst aufwühlend gewesen. Binnen nicht einmal eines Tages hatten sie sich getroffen, einen Plan geschmiedet und die nötigen Hilfsmittel gekauft oder gestohlen, und standen nun kurz davor, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Keiner von ihnen war sich darüber im Klaren, ob die beiden anderen von Selbstvertrauen oder Einfalt getrieben wurden, aber dennoch waren ihre Schicksale nun vereint. Das Gildenhaus würde ausgeraubt werden.

Bei Sonnenuntergang näherten sich Lledos, Galsiah und Imalyn dem Gildenhaus der Schuster am Ostrand der Stadt. Um ihren Geruch vor den Wachwölfen zu verbergen, teilte Galsiah Steinblumen-Essenz aus, als die drei die Mauer überstiegen. Außerdem übernahm sie die Vorhut, und Lledos war beeindruckt. Ihrer relativen Unerfahrenheit zum Trotz bewegte sie sich mit großem Geschick durch die Schatten.

Auch Lledos bewies sein Können wieder und wieder, wobei die Wachen so unterschiedlich waren, dass er Gelegenheit hatte, sämtliche Methoden des lautlosen Meuchelns vorzuführen, die er im Laufe der Jahre entwickelt hatte.

Imalyn öffnete den Tresorraum auf seine ureigene, systematische Weise. Während die Zahlenscheiben unter seinen Fingern rotierten, stimmte er leise ein altes, schmutziges Trinklied über die neunundneunzig Geliebten Boethiahs an. Er behauptete, dabei könne er sich besser auf die komplizierten Kombinationen konzentrieren. In Sekundenschnelle war die Schatzkammer geöffnet und das Gold in ihren Händen.

Sie verließen das Gildenhaus eine Stunde, nachdem sie es betreten hatten. Kein Alarm war erklungen, das Gold war fort und der Steinboden war von Leichen übersät, die in ihrem eigenen Blut lagen.

„Gut gemacht, meine Freunde. Sehr gut. Ihr lernt schnell“, lobte Lledos, während er die Goldstücke in den eingenähten Ärmeltaschen seiner Tunika verschwinden ließ. Sie waren so gefertigt, dass sie weder Klimpern hören noch ungewöhnliche Beulen erkennen ließen. „Wir treffen uns morgen Abend im Pech und Schwefel zum Aufteilen der Beute.“

Die Gruppe trennte sich. Nur Lledos kannte den unauffälligsten Weg durch die Kanalisation der Stadt. Er schlüpfte in einen Schacht und verschwand im Untergrund. Galsiah warf ihren Schal um und schmierte sich Dreck ins Gesicht, um wie eine alte F'lah-Wahrsagerin auszusehen, und ging nach Norden. Imalyn machte sich gen Osten auf, in den Park, im Vertrauen, dass seine außergewöhnlichen Sinne ihn vor der Stadtwache bewahren würden.

Und jetzt werde ich sie die wichtigste aller Lektionen lehren, dachte Lledos, während er durch das morastige Tunnellabyrinth watete. Sein Guar erwartete ihn dort, wo er ihn zurückgelassen hatte, bei den Stadttoren, und knabberte gleichmütig an dem Hustengrasbusch, an den er angebunden war.

Auf der Straße nach Vivec dachte er an Galsiah und Imalyn. Gut möglich, dass man sie bereits gefasst und zum Verhör gebracht hatte. Es war wirklich eine Schande, dass er bei ihren Verhören nicht zusehen konnte. Wer würde unter dem Druck der Befragung wohl zuerst zusammenbrechen? Sicher war Imalyn der Stärkere der beiden, aber in Galsiah steckten zweifelsohne verborgene Reserven. Es war nichts als reine Neugier: Sie dachten, er hieße Lledos und würde sie im Pech und Schwefel treffen. Die Behörden würden niemals auf die Idee kommen, dass sie nach einem Dunmer namens Sathis suchen müssten, der viele Meilen entfernt in Vivec seinen neu gewonnenen Reichtum feiert.

Als er sein Reittier vorantrieb und die Sonne aufging, stellte Sathis sich Galsiah und Imalyn nicht beim Verhör, sondern den ungetrübten, tiefen Schlaf der Ungerechten schlafend vor. Wie sie davon träumten, was sie sich von ihrem Anteil alles kaufen würden. Beide würden bereits in aller Frühe erwachen und zum Pech und Schwefel eilen. Er konnte sie deutlich vor sich sehen: Imalyn, der seiner Vorfreude lachend und lautstark Ausdruck verlieh, und Galsiah, die ihn zurechtwies, keine ungewollte Aufmerksamkeit auf sie zu ziehen. Sie würden ein paar Krüge Greef leeren, vielleicht ein Mahl bestellen – ein großes – und warten. Die Stunden würden vergehen und ihre gute Stimmung mit sich nehmen. Dann würden die Symptome eintreten, die jeder Verratene zur Schau trägt: Nervosität, Zweifel, Fassungslosigkeit, Wut.

Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als Sathis den Stall seines Hauses am Stadtrand von Vivec erreichte. Er band seinen Guar an und füllte den Futtertrog. Der Rest des Stalles war leer. Seine Diener würden erst am Nachmittag aus Gnisis vom Fest der Heiligen Rilms zurückkehren. Es waren gute Leute und er behandelte sie auch so, aber aus Erfahrung wusste er, dass Diener gern redeten. Wenn sie seine Abwesenheit mit Diebstählen in anderen Städten in Verbindung brächten, so wäre es nur eine Frage der Zeit, bevor sie ihn den Behörden melden oder erpressen würden. Schließlich waren sie auch nur Menschen. Auf lange Sicht war es am besten, ihnen jedes Mal eine Woche bezahlten Urlaub zu geben, wenn er geschäftlich die Stadt verließ.

Er verstaute das Gold im Geldschrank seines Arbeitszimmers und ging nach oben. Sein Zeitplan war knapp gewesen, aber Sathis hatte ein paar Stunden Ruhe für sich eingeplant, bevor sein Personal zurückkehrte. Sein Bett war angenehm weich und warm im Vergleich zu der furchtbaren Matratze, mit der er in seinem Quartier in Tel Aruhn hatte vorlieb nehmen müssen.

Eine Zeit später erwachte Sathis aus einem Albtraum. Als er die Augen öffnete, glaubte er für einen Moment, ganz in der Nähe immer noch Imalyns Stimme zu hören, wie er die neunundneunzig Geliebten Boethiahs besang. Er lag still in seinem Bett und lauschte, aber außer dem gewohnten Knarren und Ächzen seines alten Hauses war kein Geräusch zu hören. Das Licht der Nachmittagssonne fiel in einzelnen Strahlen durch sein Schlafzimmerfenster und fing den Staub ein. Er schloss die Augen.

Der Gesang kehrte zurück und Sathis hörte die Tresortüre in seinem Arbeitszimmer aufschwingen. Der Duft von Steinblumen drang in seine Nase und er öffnete die Augen. Nur wenig Sonnenlicht drang durch die Fasern des Leinensackes.

Eine starke Frauenhand bedeckte seinen Mund und er spürte den Druck eines Daumens unter seinem Kinn. Genau in dem Moment, als sein Kopf zur Seite gedreht wurde, hörte er Galsiahs gewohnt ruhige Stimme: „Danke für die Lektion, Sathis.“