Online:Das Leben im Schuppenhof

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Inhalt

Das Leben im Schuppenhof

Ein Bericht im Auftrag der Sterngucker Von Valinka Steinheber

Endlich bot sich mir die Gelegenheit, einen der einfachen Kniffe anzuwenden, die mir mein Mentor, der berühmte Entdecker und Abenteurer Narsis Dren, beigebracht hat. Und so stellte ich fest, dass man, wenn man sich in die Kleidung der Leute um sich herum gewandet, seinen Kopf gesenkt hält und so tut, als gehöre man dazu, auch die bösesten und verruchtesten Kulte infiltrieren kann, die derzeit in Kargstein ihr Unwesen treiben. Aber auch so war es schwierig genug. Und ich war mir dort ständig sicher, dass man mich jeden Moment als Spionin enttarnen würde. Doch ich schlich mich hinein und kam wieder lebendig heraus. Aber nur um Haaresbreite! Lasst mich Euch also vom Leben im Schuppenhof erzählen, zumindest von dem Leben, das ich letzten Middas vier Stunden beobachten durfte.

Zum größten Teil zeigte sich das Leben im Schuppenhof genau so, wie man es sich bei einem Haufen ungestümer Krieger und Magier eben vorstellt. Es gab das übliche humorvolle Wortgeplänkel zwischen Leuten, die Schulter an Schulter lebten, arbeiteten und kämpften. Aber es fielen auch härtere Worte, was zeigte, dass sich nicht alle Mitglieder des Kultes immer verstanden. Doch sie alle waren in dem vereint, was sie erreichen wollten. Die Mitglieder des Schuppenhofs, mit denen ich zu tun hatte, hatten sich mit Leib und Seele ihren Anführern, ihrem Gott und ihrem Ziel verschrieben. Die offensichtliche Hingabe, die diese Männer und Frauen der Schlange gegenüber zeigten, machte mir Angst.

Ein junger Mann, ein ehemaliger Bandit aus Kluftspitze, war in besonderem Maße bezaubert von den Anführern des Schuppenhofs. Er schien insbesondere fasziniert zu sein von den (in meinen Augen) hochtrabenden und pompösen Titeln und Affektiertheiten, mit denen sich die Anführer schmücken. Das fängt ganz oben an, beim Rat der Regenten, die offenbar über die Organisation herrschen. Ich habe nie einen der Regenten gesehen, aber von den meisten wurde voller Bewunderung und Ehrfurcht gesprochen. So wie ich das sehe, werden sie vom Schuppenhof beinahe so verehrt wie die Himmelsschlange selbst.

Es schien Unstimmigkeiten darüber zu geben, ob es weise war, den Häuptling der Eisenorks zum Ophidischen Exarchen der Wogenden Vernichtung zu ernennen. Niemand bestritt, dass die Aufnahme der Eisenorks in die Reihen des Schuppenhofs eine geniale Idee gewesen war, aber die Beförderung des groben Braadoth in die höchsten Ränge der Truppen der Schlange im oberen Kargstein gefiel nicht allen im Lager. Zu dieser Erkenntnis kam ich nach und nach, indem ich nebenbei Erwähntes und Geflüstertes analysierte, und indem ich die erbostesten Mitglieder nach zusätzlichen Informationen drängte, die preiszugeben sie bereit waren. Und dennoch war niemand, den ich traf, bereit, den Ophidianischen Exarchen oder einen der anderen Regenten herauszufordern, also hat die Beförderung des Orkhäuptlings weiterhin Bestand.

Andere Anführer im Schuppenhof sind der Regent der Sich Windenden Albträume (der offenbar Monster erschafft, die der Schlange ergeben sind), die Regentin des Zahnbewehrten Zorns, der Wesir der Schlitternden Visionen, und eine Frau namens Cassipia, die sie die Regentin der Schlangenstrategien nennen. Im unteren Kargstein gab es eine vollkommen andere Befehlskette. Ich bin nie einer dieser Personen mit ihren breitspurigen Titeln begegnet. Und das ist wahrscheinlich auch gut so, da ich mir nicht sicher bin, ob meine Verkleidung sie getäuscht hätte.

Ich verbrachte meine restliche Zeit im Lager damit, herumzugehen und Unterhaltungen zu belauschen, und Männer und Frauen bei der Vielzahl der alltäglichen Arbeiten zu beobachten, die das Leben in jedem Militärlager ausfüllen. (Und damit es da kein Missverständnis gibt: Der Schuppenhof ist auf jeden Fall eine höchst militärische Organisation!) Es wurde auch irgendeine Art von Substanz erwähnt, die dem Schuppenhof offenbar wichtig ist, aber ich fand nie genau heraus, worum es sich dabei handelte. Vielleicht hat jemand bei den Sternguckern ja schon davon gehört. Sie nannten das Material „Nirnkruxstaub“. Wofür auch immer man es verwendet, der Schuppenhof scheint es als Schlüssel zu seinen Plänen zu betrachten.

Während meiner letzten Stunde im Lager beschlich mich zunehmend das Gefühl, beobachtet zu werden. Sofort fing ich an, meine Umgebung auf Hinweise darauf zu untersuchen, dass ich als Außenseiterin erkannt wurde. Allerdings schlug niemand Alarm. Niemand rannte in meine Richtung. Aber das Gefühl dauerte an, und ich entschied, dass es wohl an der Zeit war, zu gehen. Ich trennte mich langsam von der Gruppe und bewegte mich langsam hin zum Rand des Lagers, als es von einer Gruppe Eisenorks betreten wurde. Ihr Anblick ließ mir den Atem stocken, aber als ich den Troll sah, der sie begleitete, blieb mir die Luft vollends weg.

Der Troll trug seltsame Rüstung im Stil der Orks, überzogen mit Glyphen, die meinen Blick von sich zwangen (obwohl das womöglich auch nur an der Angst lag, die die Kreatur mir einjagte). Ich hätte schwören können, dass er sich zu mir drehte und mich genauer ansehen wollte, aber dann wurde er von seinen orkischen Herren weitergezogen, und mein Weg aus dem Lager war frei. Bevor ich jedoch die Freiheit erreichte, nach der es mich so verzweifelt verlangte, fühlte ich, wie eine Hand sanft meine Schulter packte. Ich zuckte zusammen, atmete ein paar Mal tief aus, um meine Nerven zu beruhigen, und drehte mich zu der Person um, die mich enttarnt hatte.

Da stand eine junge Waldelfin mit durchdringenden Augen. Sie lächelte, nicht unfreundlich, und gab mir ein gefaltetes Stück Papier. „Ich mag Euch“, sagte sie. Dann wendete sie sich ab und ich konnte das Lager ohne weitere Zwischenfälle verlassen. Ich muss eine Stunde oder mehr gegangen sein, bevor ich endlich Pause machte und meinen müden Rücken gegen einen großen, kühlen Felsen lehnte. Ich sank zu Boden und faltete das Stück Papier auf. Es enthielt fünf kurze Worte.

„Erzählt ihnen, was Ihr saht.“

Ich ließ das Papier fallen und rannte los; ich war mir sicher, dass die tobenden Horden des Schuppenhofs mir dicht auf den Fersen waren. Aber ich schaffte es ohne Probleme zurück nach Belkarth. Dort verfasste ich diesen Bericht, solange die Erinnerungen noch frisch waren. Und zwar sogar so frisch, dass ich wahrscheinlich Albträume davon haben werde.