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Diese Seite enthält den Text des Buches Lektion im Bogenschießen aus The Elder Scrolls III: Morrowind.
Inhalt
Alla Llaleth
Kelmeril Brin hatte eine sehr klare Vorstellung davon, wie Dinge zu tun waren. Jeder Sklave, den er kaufte, wurde noch am Tag des Kaufs gründlich auf dem Hof ausgepeitscht. Dies dauerte zwischen einer und drei Stunden, abhängig vom jeweils individuellen Grad geistiger Unabhängigkeit. Die Peitsche, die er verwendete - oder seinen Burgvogt benutzen ließ -, bestand aus nassem, verknotetem Stoff, der regelmäßig Blut fließen ließ, aber selten jemanden zum Krüppel machte. Zu seiner großen Befriedigung und seinem persönlichem Stolz mussten nur wenige Sklaven öfter als einmal ausgepeitscht werden. Die Erinnerung an ihren ersten Tag und der Anblick und die Geräusche des ersten Tags der nachfolgenden Sklaven blieb ihnen ihr Leben lang erhalten.
Als Brin seinen ersten bosmerischen Sklaven kaufte, wies er seinen Burgvogt an, ihn nur eine Stunde lang auszupeitschen. Das Wesen, das Brin Dob getauft hatte, erschien so viel zierlicher als die Argonier, Khajiit und Orks, die den Großteil seiner Sklaven ausmachten. Dob war für die Arbeit in den Minen oder auf den Feldern eindeutig nicht geeignet, aber er schien vorzeigbar genug für den Dienst im Haus.
Dob tat seine Arbeit still und einigermaßen gut. Brin musste ihn gelegentlich disziplinieren, indem er ihm das Essen verweigerte, aber es wurden nie strengere Strafe nötig. Wann immer Gäste die Plantage besuchten, waren sie von der exotischen und eleganten Erweiterung von Brins Dienerschaft beeindruckt.
„He, du”, fragte Genethah Illoc, ein unbedeutendes, aber adliges Mitglied des Hauses Indoril, als Dob ihr ein Glas Wein brachte, „wurdest du als Sklave geboren?”
„Nein, Sedura”, erwiderte Dob mit einer Verbeugung. „Ich pflegte nette Damen wie Euch auf der Straße auszurauben.”
Die Gesellschaft lachte amüsiert, aber Kelmeril Brin hakte bei dem Sklavenhändler nach, bei dem er Dob gekauft hatte, und erfuhr, dass die Geschichte stimmte. Der Bosmer war ein Wegelagerer gewesen, wenn auch kein besonders berüchtigter, bevor er gefangen und zur Strafe in die Sklaverei verkauft worden war. Es schien so unglaublich, dass ein ruhiger Bursche wie Dob, der beim Anblick seiner Herren immer respektvoll zu Boden schaute, ein Krimineller gewesen sein sollte. Brin entschloss sich, ihn darauf anzusprechen.
„Du musst doch irgendeine Art von Waffe verwendet haben, als du all diese Pilger und Händler ausgeraubt hast”, grinste Brin, als er Dob beim Putzen zusah.
„Ja, Sedura”, antwortete Dob demütig. „Einen Bogen.”
„Natürlich. Man sagt, ihr Bosmer seid sehr geschickt im Umgang mit Bögen.” Brin überlegte einen Moment und fragte dann: „'Du warst sicher ein guter Schütze, oder?”'
Dob nickte bescheiden.
„Du wirst meinem Sohn Wodilic das Bogenschießen beibringen”, sagte der Meister nach einer kurzen Pause. Wodilic war zwölf Jahre alt und von seiner Mutter, Brins verstorbener Frau, auf das Übelste verwöhnt und verzogen worden. Der Junge war ein Versager beim Schwertkampf, da er Angst hatte, getroffen zu werden. Seine Feigheit verletzte den Stolz seines Vaters, aber diese persönliche Schwäche schien ihn für den Umgang mit Pfeil und Bogen zu prädestinieren.
Brin ließ seinen Burgvogt einen erstklassig gefertigten Bogen und einige Köcher mit Pfeilen kaufen und befahl, auf der Blumenwiese neben dem Pflanzhaus Ziele aufzustellen. Nach nur wenigen Tagen begann der Unterricht.
In den ersten Tagen beobachtete der Meister Wodilic und Dob, um sicherzugehen, dass der Sklave wusste, wie er den Jungen zu unterrichten hatte. Er war erfreut zu sehen, wie sein Sohn die Griffe und verschiedenen Stellungen erlernte. Die Geschäfte hatten jedoch Vorrang, so dass Brin nur Zeit hatte, sich zu versichern, dass die Lektionen fortgesetzt wurden, aber nicht, wie gut sie voranschritten.
Es dauerte einen Monat, bevor er sich der Sache wieder zuwandte. Brin und sein Vogt prüften gerade die Einkünfte und Ausgaben der Plantage und waren beim Bereich der sonstigen Haushaltskosten angelangt.
„Du solltest außerdem nachsehen, wie viele Ziele auf der Wiese repariert werden müssen.”
„Das habe ich bereits erwartet, Sedura”, sagte der Vogt. „Sie sind in ausgezeichnetem Zustand.”
„Wie ist das möglich?”. Brin schüttelte den Kopf. „Ich habe Zielscheiben gesehen, die nach nur wenigen Treffern auseinander gefallen sind. Nach einem Monat des Unterrichts sollte nichts von ihnen übrig sein.”
„Es sind überhaupt keine Löcher in den Zielen, Sedura. Seht selbst.”
Wie um diese Zeit üblich, fand gerade eine Lektion statt. Brin ging über das Feld und schaute zu, wie Dob Wodilics Arm führte, als dieser in den Himmel zielte. Der Pfeil flog hoch in die Luft, über die Zielscheibe hinweg und bohrte sich in den Boden. Brin untersuchte die Ziele und fand sie, wie sein Vogt gesagt hatte, in ausgezeichnetem Zustand. Kein Pfeil hatte sie je berührt.
„Master Wodilic, Ihr müsst Euren rechten Arm weiter nach unten nehmen”, sagte Dob. „Und der weiterführende Schwung ist essenziell, wenn der Pfeil auch eine gewisse Höhe erreichen soll.”
„Höhe?”, knurrte Brin. „Was ist mit Zielsicherheit? Außer für den Fall, dass er versucht, einen geheimen Rekord im Töten von Vögeln aufzustellen, hast du meinem Sohn absolut nichts über das Bogenschießen beigebracht.”
Dob verbeugte sich ergeben. „Sedura, zuerst muss sich Master Wodilic mit der Waffe vertraut machen, bevor er sich über Treffsicherheit Gedanken machen kann. In Valenwald lernen wir, indem wir die verschiedenen Flugbahnen und den Einfluss der Winde studieren, bevor wir anschließend hart dafür trainieren, Ziele zu treffen.”
Brins Gesicht wurde rot vor Zorn: „Ich bin doch kein Narr! Ich hätte es besser wissen sollen, als einen Sklaven mit der Ausbildung meines Sohnes zu betrauen.”
Er packte Dob und stieß ihn in Richtung Pflanzhaus. Dob verfiel mit gesenktem Kopf in den demütig schlurfenden Gang, den er sich im Zuge seiner häuslichen Pflichten angewöhnt hatte. Wodilic, in Tränen aufgelöst, versuchte zu folgen.
„Du bleibst hier und übst!”, brüllte sein Vater. „Versuch die Zielscheibe anzuvisieren, nicht den Himmel! Du kommst mir nicht ins Haus, bevor sich nicht ein Loch in der verdammten Mitte des Ziels befindet!”
Der Junge wandte sich weinend seinem Bogen zu, während Brin Dob in den Hof brachte und nach seiner Peitsche verlangte. Dob riss sich plötzlich los und versuchte, sich zwischen einigen Fässern in der Mitte des Hofes zu verstecken.
„Nimm deine Bestrafung entgegen, Sklave! Ich hätte an dem Tag, an dem ich dich kaufte, niemals Gnade zeigen sollen!', brüllte Brin und ließ die Peitsche wieder und wieder auf Dobs entblößten Rücken niederknallen. 'Es wird Zeit, dass ich dich abhärte! Es wird in Zukunft keine leichten Jobs als Lehrer und Kammerdiener mehr geben!”
Wodilics klagender Schrei drang von der Wiese herüber: „Ich kann nicht! Vater, ich kann es nicht treffen!”
„Master Wodilic!”, rief Dob so laut er konnte zurück, seine Stimme bebte dabei vor Schmerz. „Haltet Euren linken Arm gestreckt und zielt leicht nach Osten! Der Wind hat sich gedreht!”
„Hör auf, meinen Sohn zu verwirren!”, tobte Brin. „Du wirst auf den Salzreis-Feldern landen, wenn ich dich nicht vorher totschlage! Wie du es verdienen würdest!”
„Dob”, heulte der Junge, weit entfernt. „Ich treffe immer noch nicht!”
„Master Wodilic! Tretet vier Schritte zurück, zielt nach Osten und habt keine Angst vor der Höhe!” Dob rannte von den Fässern weg und verbarg sich unter einem Wagen nahe der Mauer. Brin folgte ihm und schlug weiter auf ihn ein.
Der Pfeil des Jungen segelte hoch über das Ziel und stieg immer weiter auf. Er erreichte seinen Höhepunkt am Rande des Pflanzhauses, bevor er in einem prächtigen Bogen herunter kam. Brin schmeckte das Blut, bevor ihm klar wurde, dass er getroffen worden war. Vorsichtig hob er seine Hände und fühlte eine Pfeilspitze aus seinem Nacken herausragen. Er schaute Dob an, der unter dem Wagen kauerte, und meinte ein dünnes Lächeln auf den Lippen des Sklaven zu sehen. Bevor er starb, sah er einen Moment lang das Antlitz des wilden Wegelagerers in Dobs Gesicht.
„Volltreffer, Master Wodilic!”, rief Dob lachend.