Morrowind:2920, Sonnenuntergang

Eisherbst 2920 Abendstern
Auflagen des Buches

Diese Seite enthält den Text von 2920, Sonnenuntergang aus The Elder Scrolls III: Morrowind.

Inhalt

Sonnenuntergang
Buch Elf aus dem Jahr
2920, dem letzten Jahr der ersten Ära
von
Carlovac Taunwei

2. Sonnenuntergang, 2920

Tel Aruhn, Morrowind


„Hier ist ein Mann, der Euch sprechen möchte, Mutter der Nacht“, sagte die Wache. „Ein Stammesangehöriger der Kothringi, der sich als Fürst Zuuk vom Schwarzmarsch vorstellt, Mitglied der kaiserlichen Garnison von Gideon.“


„Wie kommt Ihr darauf, dass ich auch nur das entfernteste Interesse daran haben könnte, ihn zu sehen?“, fragte die Mutter der Nacht mit giftiger Süße.


„Er bringt einen Brief von der verblichenen Kaiserin des cyrodiilischen Reiches.“


„Dies ist tatsächlich ein ereignisreicher Tag“, lächelte sie und klatschte erfreut in die Hände. „Führt ihn herein.“


Zuuk betrat das Gemach. Seine metallische Haut, die zwar nur an Gesicht und Händen zu sehen war, fing das Licht des Kaminfeuers und das Leuchten der Blitze ein, die draußen die stürmische Nacht erhellten. Die Mutter der Nacht bemerkte außerdem, dass sie sich selbst so sehen konnte, wie er sie sah: gelassen, schön, furchterregend. Er reichte ihr wortlos den Brief der Kaiserin. Sie las ihn und trank dabei ihren Wein.


„Der Fürst von Morrowind hat mir in diesem Jahr bereits einen nennenswerten Betrag angeboten, damit der Kaiser umgebracht wird“, sagte sie, während sie den Brief zusammenfaltete. „Seine Zahlung versank und wurde nie überbracht. Das war wirklich äußerst ärgerlich, vor allem, da ich mir bereits die Mühe gemacht hatte, einen meiner Agenten im Palast unterzubringen. Warum sollte ich annehmen, das Eure mehr als großzügige Vergütung von einer toten Frau ankommen wird?“


„Ich habe sie bei mir“, sagte Zuuk schlicht. „Sie ist draußen in der Kutsche.“


„Dann bringt sie herein und das Geschäft ist perfekt“, lächelte die Mutter der Nacht. „Der Kaiser wird noch vor Ende des Jahres tot sein. Ihr könnt das Geld Apaladith geben. Es sei denn, Ihr möchtet zuvor etwas Wein?“.


Zuuk lehnte das Angebot ab und zog sich zurück. In dem Moment, als er den Raum verließ, schlüpfte Miramor lautlos hinter dem dunklen Wandteppich hervor. Die Mutter der Nacht bot ihm ein Glas Wein an und er nahm es an.


„Ich kenne diesen Zuuk“, sagte Miramor vorsichtig. „Ich wusste allerdings nicht, dass er für die alte Kaiserin gearbeitet hat.“


„Lasst uns weiter von Euch sprechen, falls es Euch nichts ausmacht“, meinte sie, wohl wissend, dass ihm dies ganz bestimmt nichts ausmachen würde.


„Gebt mir die Gelegenheit, meinen Wert zu beweisen“, sagte Miramor. „Lasst mich derjenige sein, der den Kaiser beseitigt. Ich habe bereits seinen Sohn getötet und Ihr habt gesehen, wie gut ich mich verbergen kann. Sagt mir, dass Ihr auch nur ein Kräuseln des Teppichs gesehen habt.“


Die Mutter der Nacht lächelte. Alles fügte sich erfreulich gut zusammen.


„Wenn Ihr wisst, wie man mit einem Dolch umgeht, werdet Ihr ihn in Bodrum finden“, sagte sie und erklärte ihm, was er zu tun hatte.


3. Sonnenuntergang, 2920

Gramfeste, Morrowind


Der Herzog starrte aus dem Fenster. Es war früh am Morgen und schon den vierten Tag nacheinander hing ein roter Nebel über der Stadt, aus dem Blitze hervorschossen. Ein entfesselter Wind tobte durch die Straßen, riss die Fahnen von den Zinnen seines Schlosses und zwang seine Untertanen, ihre Fensterläden fest zu verschließen. Irgendetwas Schlimmes kam über sein Land. Er war kein besonders gebildeter Mann, aber er erkannte die Zeichen. Das galt auch für sein Volk.


„Wann werden meine Boten die Drei erreichen?“, grollte er und wandte sich seinem Burgvogt zu.


„Vivec befindet sich weit im Norden und verhandelt gerade ein Abkommen mit dem Kaiser“, sagte der Mann, dessen Gesicht und Stimme vor Furcht zitterten. „Almalexia und Sotha Sil sind in Necrom. Sie sind möglicherweise in einigen Tagen zu erreichen.“


Der Herzog nickte. Seine Boten waren schnell, aber das galt auch für die Mächte des Vergessens.


6. Sonnenuntergang, 2920

Bodrum, Morrowind


Das Kerzenlicht, das auf dem nebelverhangenen Schnee einen eigenartigen Widerschein erzeugte, verlieh dem Ort eine anderweltliche Atmosphäre. Soldaten aus beiden Lagern saßen dicht zusammengedrängt um das größte der Lagerfeuer herum. Der Winter ließ die Feinde aus achtzig Jahren Krieg eng zusammenrücken. Obwohl nur wenige der dunmerischen Soldaten Cyrodiilisch sprachen, fanden sie beim Kampf um Wärme ein gemeinsames Interesse. Als eine schöne Frau der Rothwardonen sich in ihre Mitte begab, um sich aufzuwärmen, bevor sie wieder ins Verhandlungszelt ging, wurde ihre Schönheit von vielen Männern aus beiden Armeen bewundert.


Kaiser Reman III. hätte die Verhandlungen gern verlassen, noch bevor sie begonnen hatten. Einen Monat zuvor hatte er gedacht, es sei ein Zeichen des guten Willens, sich hier am Ort seiner Niederlage gegen Vivec zu Verhandlungen treffen. Aber der Platz brachte mehr schlechte Erinnerungen in ihm hoch, als er gedacht hatte. Trotz der Beteuerungen seines Potentaten Versiduae-Shaie, dass die Steine des Flusses von Natur aus rot seien, hätte er schwören können, dass er Spritzer vom Blut seiner Soldaten sah.


„Wir sind uns über alle Einzelheiten des Vertrags einig“, sagte er und nahm ein Glas heißer Yülle von seiner Mätresse Corda entgegen. „Aber hier und jetzt ist nicht der Ort zum Unterzeichnen. Wir sollten das im Kaiserpalast tun, mit all dem Pomp und Glanz, den ein solch historisches Ereignis verlangt. Ihr müsst auch Almalexia mitbringen. Und diesen Zauberer.“


„Sotha Sil“, flüsterte der Potentat.


„Wann?“, fragte Vivec mit unendlicher Geduld.


„In genau einem Monat“, sagte der Kaiser gönnerhaft lächelnd und erhob sich dabei umständlich. „Wir werden einen großen Ball zu Ehren des Ereignisses abhalten. Jetzt muss ich einen Spaziergang unternehmen. Meine Beine sind ganz steif von dem Wetter. Corda, meine Liebe, kommt Ihr mit?“.


„Aber natürlich, Eure kaiserliche Majestät“, sagte sie und half ihm zum Ausgang des Zeltes.


„Wünscht Ihr, dass ich Euch ebenfalls begleite, Eure kaiserliche Majestät?“, fragte Versiduae-Shaie.


„Oder ich?“, fragte König Dro'Zel von Senchal[1], ein neu ernannter Berater des Hofes.


„Das wird nicht notwendig sein, ich bin sofort wieder da“, sagte Reman.


Miramor hockte an derselben Stelle im Schilf, an der er sich vor beinahe acht Monaten verborgen hatte. Jetzt war der Boden hart und mit Schnee bedeckt und das Schilf war voller Eis. Jede kleine Bewegung erzeugte ein Knirschen. Wären da nicht die rauen Gesänge der um das Feuer versammelten Soldaten von Morrowind und der kaiserlichen Armee gewesen, hätte er es nicht gewagt, sich so nah an den Kaiser und seine Konkubine heranzuschleichen. Sie standen unterhalb der Klippe, an einer Biegung des gefrorenen Flusses, umgeben von eisig glänzenden Bäumen.


Vorsichtig zog Miramor den Dolch aus der Scheide. Er hatte etwas übertrieben, als er der Mutter der Nacht von seinem Geschick mit der kurzen Klinge berichtet hatte. Sicher, er hatte einen Dolch benutzt, um Prinz Juilek die Kehle durchzuschneiden, aber der Junge war zu diesem Zeitpunkt auch nicht in der Lage gewesen, sich zu wehren. Trotzdem, wie schwierig konnte es sein, einen alten, einäugigen Mann zu erstechen? Welche Kunstfertigkeit würde ein solch einfacher Mord schon verlangen?


Schon bald bot sich ihm die ideale Gelegenheit. Die Frau entdeckte etwas tiefer im Wald einen Eiszapfen von ungewöhnlicher Form und eilte los, um ihn zu holen. Der Kaiser blieb lachend zurück. Er drehte sich zur Stirnseite des Felsvorsprungs, um seinen Soldaten beim Singen zuzusehen, und wandte seinem Angreifer dabei den Rücken zu. Miramor wusste, dass sein Moment gekommen war. Bemüht, auf dem eisigen Boden möglichst wenig Geräusche zu verursachen, trat er vor und stach zu. Beinahe.


Fast gleichzeitig spürte er, wie ein starker Arm seinen Dolcharm festhielt und ein anderer einen Dolch in seine Kehle stieß. Er konnte nicht einmal schreien. Der Kaiser, der immer noch zu seinen Soldaten hochblickte, bemerkte nicht, wie Miramor zurück in den Busch gezogen wurde und eine Hand, die weitaus geschickter war als die seine, in seinen Rücken stach und ihn lähmte.


Während sein Blut ausströmte und auf dem eisigen Boden kristallisierte, sah Miramor sterbend zu, wie der Kaiser und seine Kurtisane zu dem Lager auf der Klippe zurückgingen.


12. Sonnenuntergang, 2920

Gramfeste, Morrowind


Ein sich windender Mahlstrom aus entfesselten Flammen, aus dem kochende Wolken in den Himmel schossen, war das Einzige, was vom zentralen Innenhof von Schloss Gramfeste übrig geblieben war. Ein dichter, zäher Gluthauch rollte durch die Straßen und entzündete alles, was aus Holz oder Papier war. Geflügelte, fledermausartige Kreaturen trieben die Bevölkerung aus ihren Verstecken ins Freie, wo die eigentliche Armee sie erwartete. Das Einzige, was verhinderte, dass ganz Gramfeste bis auf die Grundmauern niederbrannte, war das nasse, spritzende Blut seiner Einwohner.


Mehrunes Dagon lächelte, als er zusah, wie das Schloss in sich zusammenstürzte.


„Nicht auszudenken, dass ich beinahe nicht gekommen wäre“, sagte er laut. Seine Stimme dröhnte über das Chaos hinweg. „Sich vorzustellen, dass ich den ganzen Spaß verpasst hätte.“


Seine Aufmerksamkeit wurde von einem nadeldünnen Lichtstrahl gefangen genommen, der die schwarz-rote Wolkendecke durchbrach. Er verfolgte ihn zu seiner Quelle zurück. Zwei Gestalten, ein Mann und eine Frau, standen auf dem Hügel über der Stadt. Den Mann in der weißen Robe erkannte er sofort als Sotha Sil, den Hexenmeister, der die Prinzen des Reich des Vergessens zu diesem bedeutungslosen Waffenstillstand überredet hatte.


„Wenn Ihr wegen des Herzogs von Gramfeste gekommen seid, er ist nicht hier“, lachte Mehrunes Dagon. „Aber vielleicht findet Ihr das nächste Mal, wenn es regnet, Stücke von ihm.“


„Daedra, wir können dich nicht töten“, sagte Almalexia mit harter und entschlossener Miene. „Aber das wirst du bald bedauern.“


Und damit begann in den Ruinen von Gramfeste eine Schlacht zwischen zwei lebenden Göttern und einem Prinzen aus dem Reich des Vergessens.


17. Sonnenuntergang, 2920

Tel Aruhn, Morrowind


„Mutter der Nacht“, sagte der Wache. „Eine Nachricht von Eurem Agenten im Kaiserpalast.“


Die Mutter der Nacht las das kurze Schreiben aufmerksam. Der Test war erfolgreich gewesen. Miramor war mit Erfolg entdeckt und getötet worden. Der Kaiser befand sich in äußerst unsicheren Händen. Die Mutter der Nacht antwortete umgehend.


18. Sonnenuntergang, 2920

Balmora, Morrowind


Sotha Sil begrüßte Vivec mit ernster und unlesbarer Miene auf dem großen Platz vor seinem Palast. Vivec war Tag und Nacht geritten, nachdem er in seinem Zelt in Bodrum von dem Kampf erfahren hatte. Er hatte Meile um Meile hinter sich gebracht und das tückische Gelände bei Dagoth Ur in Windeseile überquert. Während seiner gesamten Reise konnte er im Süden die wirbelnden roten Wolken sehen und wusste, dass die Schlacht sich fortsetzte, Tag für Tag. In Gnisis traf er auf einen Boten von Sotha Sil, der ihn darum bat, nach Balmora zu kommen.


„Wo ist Almalexia?“.


„Im Palast“, sagte Sotha Sil müde. Eine lange, hässliche Schnittwunde verlief quer über sein Kinn. „Sie ist schwer verletzt worden, aber Mehrunes Dagon wird für viele Monde nicht aus dem Reich des Vergessens wiederkehren.“


Almalexia lag auf einem Lager aus Seide, versorgt von Vivecs eigenen Heilern. Ihr Gesicht, sogar ihre Lippen, waren grau wie Stein und Blut drang durch die Gaze ihrer Bandagen. Vivec nahm ihre kalte Hand. Almalexias Mund bewegte sich stumm. Sie träumte.


Sie kämpfte wieder gegen Mehrunes Dagon, inmitten eines Feuersturms. Um sie herum brachen die geschwärzten Mauern eines Schlosses ein und schleuderten Funken in den Nachthimmel. Die Klauen des Daedra schlugen sich in ihren Bauch und jagten Gift durch ihre Venen, während Almalexia den dunklen Prinzen würgte. Als sie neben ihrem besiegten Gegner zu Boden sank, sah sie, dass das von den Flammen verzehrte Schloss nicht Schloss Gramfeste war. Es war der Kaiserpalast.


24. Sonnenuntergang, 2920

Die Kaiserstadt, Cyrodiil


Ein Wintersturm blies über die Stadt und klatschte gegen die Fenster und Glaskuppeln des Kaiserpalastes. Bebende Lichtstrahlen erleuchteten die Gestalten im Inneren auf surreale Weise.


Die Vorbereitungen für das Bankett und den Ball waren in vollem Gange und der Kaiser erteilte seinem Hofstaat lautstark Anweisungen. Dies war, was er am meisten genoss, noch mehr als Schlachten. König Dro'Zel, der für die Unterhaltung zuständig war, hatte hier ganz bestimmte Vorstellungen. Der Kaiser selbst kümmerte sich um die Details des Festmahls. Gerösteter Nebfisch, Speisekürbisse, Cremesuppen, in Butter gedünsteter Helerac, Leckerdorsch, Zunge in Aspik. Der Potentat Versiduae-Shaie hatte selbst einige Vorschläge gemacht, aber die Akaviri hatten einen ziemlich eigentümlichen Geschmack.


Als die Nacht anbrach, begleitete Corda den Kaiser in seine Gemächer.


Das Jahr vollendet sich im Abendstern.


Anmerkungen (Tamriel-Almanach)

  1. geändert, durch Tippfehler ursprünglich Selchal


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