Seit über zwanzig Jahren bin ich nun ein Heiler im Tempel des Stendarr. Wie dem Leser sicherlich bewusst ist, sind wir der einzige Tempel an der Iliac-Bucht, der Wundversorgung und Krankheitsheilung ebenso für Gläubige wie für Heiden anbietet. Wir tun dies, weil Stendarr der Gott der Gnade ist. Ich habe Menschen in ihren elendsten und schrecklichsten Momenten erblickt. Ich habe tapfere Ritter weinen und starke Bauern schreien sehen. Mir gefällt der Gedanke, dass ich die Masken von ihren Gesichtern fallen sah und die Leute so erkannt habe, wie sie wirklich sind.
Die Aufgabe eines Heilers besteht schließlich in mehr als einfach nur Wunden zu verbinden und die Ausbreitung von Gift und Krankheit aufzuhalten. Wir sind Tröster und Ratgeber für jene, die alle Hoffnung verloren haben. Manchmal scheint es, als ob freundliche Worte und Anteilnahme bei unseren Patienten mehr bewirken als unsere Zauber.
Ich erinnere mich an einen sehr kranken jungen Mann, der zum Tempel kam, weil er sich mit einer Vielzahl von Leiden quälte. Nachdem ich ihn untersucht hatte, teilte ich ihm - vorsichtig, um ihn nicht zu beunruhigen - die Ergebnisse mit. Ich ließ ihn entscheiden, wie er die Neuigkeiten erfahren wollte.
„Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht, mein Kind“, sagte ich.
„Dann höre ich lieber zuerst die schlechte Nachricht“, sagte er.
„Gut“, sagte ich, während ich ihn für den Fall, dass er bewusstlos würde, an der Schulter fasste. „Die schlechte Nachricht ist, dass Ihr, wenn ich nicht falsch liege, innerhalb der nächsten ein, zwei Tage noch kränker werdet. Und wenn Stendarr nicht entscheidet, es gnädig mit Euch zu meinen, werdet Ihr aus dem Leben scheiden. Es tut mir Leid, mein Kind.“
So sanft der Streich auch geführt war, er schmerzte trotzdem. Der Knabe war schließlich noch sehr jung. Er dachte, er hätte sein ganzes Leben noch vor sich. Tränen strömten sein Gesicht herab, als er fragte: „Und was ist die gute Nachricht?“
Ich lächelte. „Als Ihr hereingekommen seid, ist Euch da unsere Missionarin aufgefallen? Diese bezaubernde, sinnliche Blonde im Vorzimmer der Empfangshalle?“
Die Farbe kehrte in das Gesicht des jungen Mannes zurück. Sie war ihm tatsächlich aufgefallen. „Ja?“
„Ich schlafe mit ihr“, sagte ich.
Wenn mehr Heiler von Tamriel auch die Gefühle ihrer Patienten beachten würden und nicht nur den schnellsten Weg, sie wieder zu heilen und nach Hause zu schicken, dann hätten wir eine viel, viel gesündere Gesellschaft. Das glaube ich wirklich.