Oblivion:Der Rote Küchen-Lektor

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Diese Seite enthält den Text von Der Rote Küchen-Lektor aus The Elder Scrolls IV: Oblivion.

Inhalt

Der Rote Küchen-Lektor

Die rote Küche Von Simocles Quo

Obwohl von Natur aus bescheiden, muss ich zugeben, dass es mir eine gewisse Genugtuung bereitete, als mich der Vater unseres Kaisers, der verstorbene Pelagius IV, als „den besten Feinschmecker Tamriels“ bezeichnete. Er war auch so gütig, mich zum ersten und bis dato einzigen Küchenmeister am Kaiserlichen Hof zu ernennen. Andere Kaiser hatten natürlich Küchenchefs und Köche unter ihrem Personal, aber nur während der Herrschaft von Pelagius gab es jemanden von erlesenem Geschmack, der die Speisepläne entwarf und die feinsten Zutaten auswählte, die dann bei Hof serviert wurden. Sein Sohn Uriel bat mich, meinen Posten beizubehalten, aber ich war gezwungen, sein Angebot aus Alters- und Gesundheitsgründen taktvoll abzulehnen.

Dieses Buch stellt jedoch nicht meine Autobiografie dar. Ich habe sehr viele Abenteuer in meinem Leben als Ritter der feinen Speisen gehabt, aber meine Absicht für dieses Buch ist viel spezifischer. Oft bin ich gefragt worden, „Was war das Beste, was Ihr jemals gegessen habt?“

Die Antwort darauf ist nicht einfach. Das Vergnügen an einem großartigen Mahl hängt nicht ausschließlich vom Essen ab, sondern auch von der Umgebung, der Gesellschaft, der Laune. Isst man einen lieblos zubereiteten Braten oder einen gewöhnlichen Eintopf mit seiner einzigen wahren Liebe, so ist es ein unvergessliches Mahl. Isst man dagegen ein ausgezeichnetes Festmahl mit zwölf Gängen in langweiliger Gesellschaft und fühlt sich zudem noch ein wenig unwohl, so vergisst man dieses Essen schnell, oder denkt nur widerwillig daran.

Einige Mahlzeiten bleiben aber auch wegen der Ereignisse unvergesslich, die vor ihnen stattfanden.

Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich im nördlichen Skyrim ein wenig Pech. Ich war mit einer Gruppe von Fischern zusammen und beobachtete ihre Technik beim Fangen des Merringar, eines sehr seltenen, überaus köstlichen Fischs. Dieser Fisch kommt nur weit draußen im offenem Meer vor, also waren wir eine Woche lang auf See und fern der Zivilisation unterwegs. Nun, wir fanden unseren Merringarschwarm, aber als die Fischer begannen, die Fische zu harpunieren, zog das Blut im Wasser eine Dreugh-Familie an, die das Boot mitsamt der Besatzung zum Kentern brachte. Es gelang mir, mich zu retten, aber die Fischer und unsere ganzen Vorräte gingen verloren. Das Segeln gehört leider nicht zu den Fertigkeiten, die ich mir im Lauf der Jahre angeeignet habe, und ich brauchte drei Wochen ohne Proviant, bis ich den Weg zurück ins Königreich der Einsamkeit fand. Es gelang mir, kleine Fische zu fangen und roh zu essen, aber ich war trotzdem vor Hunger und Durst halb im Delirium. Meine erste Mahlzeit an Land bestand aus Wildschweinbraten nach Art der Nord, Jazbay-Wein und, jawohl, Merringar-Filet. Schon unter normalen Umständen wäre sie köstlich gewesen, aber nachdem ich beinahe verhungert wäre, war sie einfach göttlich.

Manchmal bleiben Mahlzeiten sogar wegen der Erfahrungen unvergesslich, die ihnen folgen.

In einer Taverne in Falinesti lernte ich ein einfaches Bauerngericht namens Kollopi kennen, leckere kleine Fleischbällchen, würzig und saftig, so überaus köstlich, dass ich die Wirtin fragte, woraus sie gemacht seien. Mutter Pascost erklärte mir, dass das Kollopi ein Baumnagetier sei, das sich ausschließlich von den zartesten Trieben der Graht-Eiche ernährte, und dass ich das Glück hätte, just zur Zeit der alljährlichen Ernte in Valenwood zu sein. Ich wurde eingeladen, mich einer kleinen Kolonie von Imga-Affen anzuschließen, die allein diese saftigen kleinen Mäuse fangen konnten. Da diese nur auf den dünnsten Zweigen der Bäume leben, und auch noch an deren Spitzen, müssen die Imga unter sie klettern und hochspringen, um die Kollopi zu „pflücken“. Imga sind von Natur aus sehr geschickt, aber ich war damals noch relativ jung und flink, und ich durfte ihnen helfen. Obwohl ich nicht so hoch springen konnte wie sie, stellte ich fest, dass ich, wenn ich Kopf und Oberkörper steif machte und mich vom Boden mit einem scherenartigen Tritt abstieß, die Kollopi auf den niedrigsten Zweigen des Baumes erreichen konnte. Ich glaube, ich habe drei Kollopi selbst gefangen, wenn auch mit beträchtlicher Anstrengung.

Bis heute läuft mir beim Gedanken an Kollopi das Wasser im Mund zusammen, wobei ich immer noch das Bild von mir und mehreren Dutzend Imgas vor Augen habe, wie wir im Schatten der Graht-Eichen herumspringen.

Dann gibt es natürlich noch die seltenen Mahlzeiten, die wegen der Erlebnisse vor, nach, und während der Mahlzeit unvergesslich bleiben, und damit komme ich zum schönsten Essen, das ich jemals gekostet habe, der Mahlzeit, mit der meine lebenslange Besessenheit von exquisiter Küche begann.

In meiner Kindheit in Cheydinhal machte ich mir aus Essen überhaupt nichts. Ich erkannte den Wert der Nahrung an, denn ich war ja nicht ganz blöd, aber ich kann nicht behaupten, dass mir die Mahlzeiten Vergnügen bereitet hätten. Teilweise war natürlich die Köchin meiner Familie daran schuld, die Gewürze für eine Erfindung der Daedra hielt und der Meinung war, das Essen einer gut kaiserlichen Familie müsse in Wasser gekocht sein und weder Geschmack noch erkennbare Konsistenz besitzen. Obwohl ich glaube, dass nur sie der Sache eine religiöse Bedeutung beimaß, lässt meine Erfahrung mit der traditionellen Cyrodiil-Küche vermuten, dass diese Philosophie in meinem Heimatland leider weit verbreitet ist.

Obwohl ich also das Essen an sich nicht genoss, war ich in ansonsten nicht gerade ein braves, langweiliges Kind. Ich mochte natürlich die Kämpfe in der Arena, und nichts machte mich glücklicher als das Wandern durch die Straßen meiner Stadt, mit meiner Phantasie als einzigem Begleiter. Es war bei einem solchen Spaziergang an einem sonnigen Fredas in der Jahresmitte, dass ich eine Entdeckung machte, die mein Herz und mein Leben veränderte.

Es gab mehrere alte, verlassene Häuser in meiner Straße, und ich spielte häufig in ihrer Nähe, wobei ich mir vorstellte, sie seien voller ruchloser Verbrecher, oder von Hunderten von Dämonen heimgesucht. Ich hatte nie den Mut, sie zu betreten. Tatsächlich, hätte ich an jenem Tag nicht einige andere Kinder gesehen, die mich schon öfter gepiesackt hatten, wäre ich niemals hineingegangen. Aber ich musste Zuflucht suchen, und so lief ich in das nächstbeste Haus.

Innen schien das Haus ebenso verwahrlost zu sein wie außen, ein weiterer Beweis dafür, dass niemand dort lebte, und zwar schon seit geraumer Zeit. Als ich Schritte hörte, musste ich annehmen, dass die abscheulichen kleinen Bengel, denen ich ausweichen wollte, mir hierher gefolgt waren. Ich flüchtete in den Keller und von dort an einer baufälligen Wand entlang, die zu einem Brunnen führte. Ich konnte oben noch Schritte hören, und ich beschloß, dass ich meinen Peinigern nicht begegnen wollte. So schlug ich die rostigen Schlösser ab, und ließ mich in den Brunnen hinab.

Der Brunnen war trocken, aber ich entdeckte, dass er alles andere als leer war. Es gab eine Art unteren Keller, drei große Räume, die sauber, möbliert und offensichtlich überhaupt nicht verlassen waren. Meine Sinne sagten mir, dass doch noch jemand im Haus lebte, und zwar nicht nur meine Augen, sondern auch mein Geruchsinn. Denn einer der Räume war eine große, rot gestrichene Küche, und auf den Kohlen im Herd lag ein Braten, zerlegt in kleine mundgerechte Happen. Vor dem schönen, sehr passenden Relief einer Mutter beim Tranchieren eines Bratens für ihre dankbaren Kinder stehend bestaunte ich die Küche und die Wunder darin.

Wie gesagt, Essen hatte mich bis dahin nie interessiert, aber ich war fasziniert, und selbst heute, während ich diese Zeilen schreibe, fehlen mir die Worte, um den köstlichen Duft zu beschreiben, der in der Luft hing. Es war ganz anders als alles, was ich bis dahin in der Küche meiner Familie gerochen hatte; ich konnte mich nicht zurückhalten und steckte einen der dampfenden Fleischhappen in den Mund. Der Geschmack war wunderbar, das Fleisch zart und süß. Ehe ich mich versah, hatte ich alles aufgegessen, was auf dem Herd stand, und in diesem Augenblick erkannte ich, dass Essen großartig sein kann und sollte.

Nachdem ich nun alles gierig verschlungen und meine kulinarische Offenbarung erlebt hatte, kamen mir plötzlich Gewissensbisse. Eigentlich wollte ich gern dort unten in dieser roten Küche warten, bis der Koch zurückkam, damit ich ihn nach seinem heimlichen Rezept für das köstliche Fleisch fragen konnte. Gleichzeitig war mir jedoch klar, dass ich mich in jemandes Haus gestohlen und sein Mittagessen verputzt hatte, und dass es besser wäre zu gehen, solange ich noch konnte. Das tat ich dann auch.

Ich habe immer wieder versucht, zu diesem seltsamen, wunderbaren Ort zurückzufinden, aber Cheydinhal hat sich im Laufe der Zeit verändert. Alte Häuser sind saniert worden, und neuere verlassen. Ich weiß, wonach ich im Haus suchen müsste - nach dem Brunnen, dem schönen Bildnis einer Frau, die einen Braten für ihre Kinder zubereitet, der roten Küche selbst - aber es ist mir nie gelungen, das Haus wieder zu finden. Irgendwann, als ich älter wurde, gab ich die Suche danach auf. Es ist besser, wenn es so in meiner Erinnerung bleibt, die vollkommenste Mahlzeit, die ich jemals gegessen habe.

Dies war also das Erlebnis, das mein weiteres Leben prägte; dieses wunderbare Fleisch, dort in der roten Küche.