Oblivion:Palla - Buch I

Version vom 28. August 2016, 19:20 Uhr von Scharebot (Diskussion | Beiträge) (Scharebot verschob die Seite Quelle:Palla - Buch I nach Oblivion:Palla - Buch I: Quellenverschiebung in den Namensraum des jeweiligen Spiels. (Bot 2.0 (alpha 8)))
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version ansehen (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
◄   Palla Buch II

Diese Seite enthält den Text des ersten Buches von Palla aus The Elder Scrolls III: Morrowind und The Elder Scrolls IV: Oblivion.

Inhalt

Palla - Buch I
von
Vojne Mierstyyd


Palla. Pal La. Ich erinnere mich, wann ich diesen Namen zum ersten Mal gehört habe, vor gar nicht langer Zeit. Es war während eines Balls auf einem äußerst feinen Landgut westlich von Mir Corrup, zu dem man mich und die anderen Geweihten der Magiergilde unerwartet eingeladen hatte. Ehrlich gesagt hätten wir nicht zu überrascht sein müssen. Es gab nur wenig andere Adelsfamilien in Mir Corrup - die Region hatte ihre glücklichen Tage vor langer Zeit in der zweiten Ära als Urlaubsort der Reichen - und bei weiterem Nachdenken war es nur angemessen, Hexenmeister und Zauberer zu einem übernatürlichen Feiertag einzuladen. Nicht, dass wir etwas Exotischeres waren als Schüler eines kleinen, weniger exklusiven Verbindungshaus der Gilde. Aber, wie ich bereits erwähnte, es gab einen Mangel an anderen verfügbaren Möglichkeiten.


Fast ein Jahr lang kannte ich kein anderes Heim als das recht baufällige, weit verstreut liegende Gelände der Magiergilde von Mir Corrup. Meine einzige Gefährten waren die anderen Geweihten, von denen die meisten mich nur duldeten, und die Meister, deren Bitterkeit darüber, in einer provinziellen Gilde sein zu müssen, unendliche Schmähungen hervorrief.


Die Schule der Illusion hatte mich augenblicklich gereizt. Der zuständige Meister erkannte in mir einen gelehrigen Schüler, der nicht nur die Zaubersprüche dieser Wissenschaft liebte, sondern auch ihre philosophischen Grundlagen. Etwas an der Idee, die unsichtbaren Energien des Lichts, der Geräusche und des Verstandes zu verformen, sagte meinem Wesen zu. Ich war nicht interessiert an den protzigen Schulen der Zerstörung und Veränderung, oder an den heiligen Schulen der Wiederherstellung und Beschwörung, oder an den praktischen Schulen der Alchemie und Verzauberung, oder an der chaotischen Schule der Mystik. Nein, für mich gab es nichts zufriedenstellenderes als ein gewöhnliches Objekt zu nehmen und, mit Hilfe von ein wenig Magie, es als etwas erscheinen zu lassen, das es nicht war.


Es brauchte mehr Vorstellungsvermögen, als ich es hatte, diese Philosophie auch auf mein eintöniges Leben anzuwenden. Nach dem Morgenunterricht wurden uns Aufgaben zugewiesen, an denen wir vor dem Abendunterricht arbeiten mussten. Meine Aufgabe war, das Arbeitszimmer eines kürzlich verstorbenen Gildenmitglieds auszuräumen, und sein Durcheinander an Zauberbüchern, Verzauberungen und Erstdrucken zu katalogisieren.


Es war eine langweilige und einsame Pflicht. Magister Tendixus war ein unverbesserlicher Sammler wertlosen Plunders gewesen. Aber jedes Mal, wenn ich etwas von auch noch so geringem Wert wegwarf, bekam ich einen Verweis. Allmählich lernte ich, jedes Stück seiner Habseligkeiten in der dazu passenden Abteilung abzugeben: Heiltränke zu den Magistern der Wiederherstellung, Bücher über physische Phänomene zu den Magistern der Veränderung, Kräuter und Mineralien zu den Alchemisten, und Seelensteine und beschworene Gegenstände zu den Beschwörern. Nach einer Lieferung für die Beschwörer entfernte ich mich gerade wieder mit dem gewöhnlichen Mangel an Anerkennung, als Magister Ilther mich zurückrief.


„Junge”, sagte der beleibte, alte Mann und gab mir einen Gegenstand zurück. „Zerstört dies.”


Es war eine kleine, schwarze Scheibe mit Runen und einem Ring aus orange-roten Edelsteinen, die den Rand wie Knochen umkreisten


„Es tut mir Leid, Magister”, stammelte ich. „Ich dachte, es wäre für Euch von Interesse.”


„Bringt es zu der großen Flamme und zerstört es”, bellte er und kehrte mir seinen Rücken zu. „Ihr habt es nie hierhergebracht.”


Meine Interesse war erregt, denn ich kannte die einzige Sache, die ihn so reagieren ließ. Totenbeschwörung. Ich ging zurück zu Magister Tendixus Kammer und blätterte durch seine Aufzeichnungen, um nach einem Hinweis auf die Scheibe zu suchen. Leider waren die meisten Notizen in einem seltsamen Code geschrieben, den ich nicht entziffern konnte. Ich war von diesem Geheimnis so fasziniert, dass ich fast zu meinem Abendunterricht der Verzauberung bei Magister Ilther selbst zu spät gekommen wäre.


Während der nächsten Wochen teilte ich meine Zeit auf: Die eine Hälfte verbrachte ich mit der Katalogisierung des allgemeinen Plunders und dessen Zustellungen, in der anderen Hälfte stellte ich Nachforschungen über die Scheibe an. Ich erkannte allmählich, dass mein Instinkt richtig gewesen war: Die Scheibe war ein authentisches Artefakt der Totenbeschwörung. Obwohl ich die meisten Notizen des Magisters nicht verstand, stellte ich doch fest, dass er sie für ein Mittel hielt, eine geliebte Person aus dem Grab auferstehen zu lassen.


Traurigerweise war die Kammer irgendwann ausgeräumt und alle Gegenstände katalogisiert. Mir wurde eine andere Aufgabe zugeteilt, nämlich in den Ställen der Gilden-Menagerie auszuhelfen. Wenigstens arbeitete ich mit einigen der anderen Geweihten zusammen und hatte die Möglichkeit, das gemeine Volk und die Adeligen zu treffen, die aus verschiedenen Gründen zur Gilde kamen. Derart war ich also beschäftigt, als wir alle zum Ball eingeladen wurden.


Als ob der erwartete Glanz des Abends noch nicht genug war, so wurde von unserer Gastgeberin gemunkelt, dass sie eine junge, reiche, unverheiratete Waise aus Hammerfell war. Erst einen oder zwei Monate zuvor war sie in unsere trostlose, bewaldete Ecke der kaiserlichen Provinz gezogen, um das alte Herrenhaus der Familie wieder zu bewohnen. Die Geweihten der Gilde tratschten wie alte Weiber über die Vergangenheit der mysteriösen jungen Dame: Was mit ihren Eltern geschehen sein mochte und warum sie ihr Heimatland verlassen haben könnte, oder ob sie sogar daraus vertrieben worden war. Ihr Name war Betaniq-i, und das war alles, was wir mit Sicherheit wussten.


Als wir beim Ball ankamen, trugen wir voller Stolz unsere Initiationsroben. In dem gewaltigen Marmorfoyer wurde jeder unserer Namen angekündigt, als ob wir zu einem Königshaus gehörten, und wir stolzierten dann in die Mitte der Feiernden. Natürlich wurden wir daraufhin prompt von allen und jedem ignoriert. Im Wesentlichen waren wir zu unwichtig, um dem Ball zu beeinflussen. Hintergrundgestalten.


Die wichtigen Leute gingen mit perfekter Höflichkeit an uns vorbei. Dort war die alte Gräfin Schaudirra, die diplomatische Berufungen nach Balmora mit dem Herzog von Rimfarlin diskutierte. Ein Kriegsherr der Orks unterhielt eine kichernde Prinzessin mit Geschichten über Notzucht und Plünderung. Drei der Gildenmagister sorgten sich zusammen mit drei dürren, adeligen, alten Jungfern um die Heimsuchung von Daggerfall. Intrigen am kaiserlichen und an verschiedenen königlichen Höfen wurden analysiert, leicht verspottet, sich darüber aufgeregt, darauf angestoßen, verworfen, eingeschätzt, gemildert, getadelt und untergraben. Niemand sah uns an, selbst wenn wir direkt neben ihnen standen. Es war, als ob meine Fertigkeit der Illusion uns alle irgendwie unsichtbar gemacht hatte.


Ich nahm meinen Krug mit hinaus zur Terrasse. Die Monde hatten sich verdoppelt und leuchteten gleichermaßen stark am Himmel und in dem riesigen Teich, der sich im Garten erstreckte. Die weißen Marmorskulpturen, die den Teich säumten, fingen das feurige Leuchten ein und schienen wie Fackeln in der Nacht zu brennen. Der Anblick war so unwirklich, dass ich davon und von den seltsamen rothwardonischen Gestalten, die mit Hilfe des Steins unsterblich gemacht waren, fasziniert war. Unsere Gastgeberin hatte ihr Heim erst vor so kurzer Zeit bezogen, dass einige der Skulpturen noch immer in Laken gehüllt waren, die sich in der sanften Briese bauschten. Ich weiß nicht, wie lange ich auf diesen Anblick gestarrt hatte, bevor ich bemerkte, dass ich nicht allein war.


Sie war so klein und so dunkel, nicht nur ihre Haut, sondern auch ihre Bekleidung, dass ich sie fast für einen Schatten hielt. Als sie sich mir zuwandte, sah ich, dass sie wunderschön und jung war, nicht mehr als siebzehn Jahre alt.


„Seid Ihr unsere Gastgeberin?” fragte ich schließlich.


„Ja”, lächelte sie und errötete. „Aber ich bin beschämt, zugeben zu müssen, dass ich sehr schlecht darin bin. Ich sollte drinnen bei meinen neuen Nachbarn sein, aber ich glaube, dass wir sehr wenig gemeinsam haben.”


„Es wurde mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie hoffen, dass auch ich nichts mit ihnen gemeinsam habe”, lachte ich. „Wenn ich ein wenig hochrangiger bin als ein Geweihter der Magiergilde, werden sie mich vielleicht eher als Gleichgestellten ansehen”


„Ich verstehe noch immer nicht das Konzept der Gleichstellung hier in Cyrodiil”, sagte sie und runzelte die Stirn. „In meiner Kultur müsstet Ihr Euren Wert unter Beweis stellen, und ihn nicht bloß erwarten. Meine Eltern waren beide große Krieger, was ich hoffentlich auch einmal werde.”


Ihre Augen schweiften zum Rasen, zu den Statuen.


„Stellen die Skulpturen Eure Eltern dar?”


„Das dort ist mein Vater Pariom”, sagte sie und zeigte auf eine lebensgroße Darstellung eines massiv gebauten Mannes, unverhohlen nackt, der einen anderen Krieger bei der Kehle ergriff und sich darauf vorbereitete, ihn mit seinem ausgestreckten Schwert zu köpfen. Es war eindeutig eine realistische Darstellung. Parioms Gesicht war unscheinbar, geringfügig hässlich mit einer tiefen Stirn, einer Fülle verfilzten Haares und Stoppeln auf seinen Wangen. Er hatte sogar eine kleine Zahnlücke, die sich sicherlich kein Bildhauer ausgedacht hätte, außer um die wahren Eigenheiten seines Modell zur Geltung zu bringen.


„Und Eure Mutter?” fragte ich und deutete auf die nahe Statue einer stolzen, ziemlich untersetzten Kriegerin in einem Umhang und Schultertuch, die ein Kind hielt.


„Oh nein”, lachte sie. „Sie war das alte Kindermädchen meines Onkels. Die Statue meiner Mutter ist noch mit einem Laken bedeckt.”


Ich weiß nicht, was mich veranlasste, sie zu überreden, die Statue, auf die sie zeigte, zu enthüllen. Aller Wahrscheinlichkeit nach war es nichts als Schicksal, und ein selbstsüchtiges Verlangen, die Unterhaltung fortzusetzen. Ich fürchtete, dass sie sich genötigt fühlen würde, zu der Feier zurückzukehren, wenn ich ihr keine Beschäftigung gäbe, und ich dann wieder allein wäre. Zunächst war sie widerwillig. Sie war sich bis dahin noch nicht sicher, ob die Statuen im nassen, manchmal kalten, cyrodiilischen Klima Schaden nehmen könnten. Vielleicht sollten alle Statuen bedeckt werden, schlussfolgerte sie. Möglicherweise machte sie nur Konversation, und mochte, als ich der verfahrenen Situation ein Ende machen wollte, nur ungern zu der Feier zurückkehren.

In wenigen Minuten hatten wir die Statue von Betaniq-is Mutter von ihrer Umhüllung befreit. Das war der Moment, in dem sich mein Leben auf ewig änderte.


Sie war ein wilder Geist der Natur, sie schrie und kämpfte mit einer missgebildeten, monströsen Gestalt in schwarzem Marmor. Ihre wundervollen, langen Finger kratzten über das Gesicht der Kreatur. Die Krallen des Monsters packten ihre rechte Brust in einer Art Liebkosung, die eine tödliche Wunde einleitete. Seine und ihre Beine waren ineinander verschlungen in einem Kampf, der einem Tanz glich. Ich fühlte mich am Boden zerstört. Diese geschmeidige, aber bedrohliche Frau war wunderschön, jenseits aller oberflächlichen Normen. Wer auch immer der Bildhauer gewesen war, er hatte nicht nur Gesicht und Figur einer Göttin eingefangen, sondern irgendwie auch ihre Kraft und ihren Willen. Sie war gleichzeitig tragisch und triumphierend. Ich verliebte mich augenblicklich und auf verhängnisvolle Weise in sie.


Ich bemerkte nicht einmal, dass Gelyn, einer der Geweihten, der die Feier verlassen wollte, hinter uns auftauchte. Offensichtlich hatte ich das Wort „großartig” geflüstert, denn ich hörte Betaniq-i scheinbar aus weiter Ferne sagen: „Ja, es ist großartig. Darum hatte ich Angst, es den Elementen auszusetzen.”


Dann hörte ich ganz deutlich, als wenn ein Stein eine Wasseroberfläche durchbricht, Gelyn sagen: „Mara bewahre mich. Das muss Palla sein.”


„Dann habt Ihr von meiner Mutter gehört?” fragte Betaniq-i und wandte sich ihm zu.


„Ich komme aus Wegesruh, praktisch von der Grenze zu Hammerfell. Ich denke nicht, dass es dort jemanden gibt, der nicht von Eurer Mutter und ihrem großen Heldentum, das Land von dieser abscheulichen Bestie befreit zu haben, gehört hat. Sie starb in diesem Kampf, nicht wahr?”


„Ja”, sagte das Mädchen traurig. „Und die Kreatur mit ihr.”


Einen Moment lang waren wir alle still. Ich erinnere mich an sonst nichts aus dieser Nacht. Irgendwie wusste ich noch, dass ich für den nächsten Abend zum Essen eingeladen war, aber mein Verstand und Herz waren gänzlich und auf ewig an die Statue gefesselt. Ich kehrte zur Gilde zurück, aber meine Träume waren fieberhaft und brachten mir keine Ruhe. Alles erschien diffus durch weißes Licht, außer einer wunderschönen, furchterregenden Frau. Palla.



Bücherindex
    | Übersicht | Buch II