Oblivion:Ein Tanz im Feuer - Band IV

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Band III Ein Tanz im Feuer Band V
Auflagen des Buches

Diese Seite enthält den Text von Ein Tanz im Feuer aus The Elder Scrolls III: Morrowind.

Inhalt

Ein Tanz im Feuer
Kapitel IV
von
Waughin Jarth

Achtzehn Bosmer und ein cyrodiilischer, ehemals höherer Büroangestellter der Kaiserlichen Baukommission bahnten sich vom Fluss Xylo aus ihren Weg in westlicher Richtung durch den Dschungel zum alten Dorf Vindisi. Für Decumus Scotti war der Dschungel eine feindliche, unbekannte Umgebung. Die riesigen, wurmstichigen Bäume, die den hellen Morgen mit Dunkelheit erfüllten, schienen nichts anderes zu sein als Krallen, die gierig ihr Fortkommen zu verhindern suchten. Selbst die Farne zitterten vor boshafter Energie. Schlimmer noch als seine Angst war die Tatsache, dass die anderen sie teilten. Seine Mitreisenden - Eingeborene, die die Angriffe der Khajiit überlebt hatten - trugen blankes Entsetzen im Gesicht.


In diesem Dschungel war etwas zu spüren. Dieses Etwas waren nicht nur wahnsinnige, sondern auch milde und gütige Geister. Am Rande seines Blickfelds entdeckte er Schatten der Khajiit, die den Flüchtlingen folgten und sich dabei von Ast zu Ast schwangen. Immer wenn er sich in ihre Richtung drehte, verschwanden die Umrisse in der Dunkelheit, so als seien sie nie dort gewesen. Aber er war sich sicher, dass er sie gesehen hatte. Den Bosmern ging es genauso und sie begannen daher, schneller zu gehen.


Nach achtzehn Stunden, in denen sie von Insekten zerbissen und von Tausenden von Dornen zerkratzt worden waren, gelangten sie endlich auf eine Lichtung in einem Tal. Es war tiefschwarze Nacht, aber eine Reihe aus brennenden Fackeln begrüßte sie. Die Fackeln erleuchteten die ledernen Zelte und Steinhaufen des Dorfes Vindisi. Am Ende des Tals markierten Fackeln eine heilige Stätte. Dort waren knorrige Äste zusammengedrückt worden, die eine Art Tempel bildeten. Still schritten die Bosmer durch den mit Fackeln gesäumten Pfad auf die Bäume zu. Scotti folgte ihnen. Als sie sich dem massiven Gebilde aus lebenden Hölzern genähert hatten, sah Scotti aus dem einzigen Eingang bläuliches Licht herausschimmern. Von drinnen war das tiefe Wehklagen Hunderter Stimmen zu hören. Die junge bosmerische Frau, der er gefolgt war, hielt die Hand empor und stoppte ihn.


„Ihr versteht es vielleicht nicht, aber kein Fremder, nicht einmal ein Freund, darf diesen Ort betreten”, sagte sie. „Dies ist ein heiliger Ort”'


Scotti nickte und beobachtete, wie die Flüchtlinge mit gesenkten Köpfen in den Tempel gingen. Ihre Stimmen verbanden sich mit den Stimmen im Tempel. Nachdem der letzte Waldelf hineingegangen war, richtete Scotti seine Aufmerksamkeit wieder auf das Dorf. Irgendwo müsste doch etwas zu essen zu finden sein. Ein Hauch von Rauch und der sanfte Geruch von Geröstetem weckten seine müden Sinne in Sekunden auf.


Fünf Cyrodiil, zwei Bretonen, und ein Nord hatten sich um ein Lagerfeuer aus glühenden, weißen Steinen verteilt. Abwechselnd rissen sie dampfende Stücke aus dem Kadaver eines großen Hirsches. Als Scotti sich näherte, standen alle bis auf den Nord auf, der zu sehr von seinem Brocken Fleisch abgelenkt zu sein schien.


„Einen guten Abend wünsche ich Euch. Entschuldigt meine Störung, aber ich habe mich gefragt, ob Ihr etwas zu essen entbehren könntet. Ich fürchte, ich bin ein wenig hungrig, nachdem ich den ganzen Tag mit diesen Flüchtlingen aus Grenos und Athay marschiert bin.”


Sie boten ihm an, sich zu setzen und begannen, sich vorzustellen.


„Nun, der Krieg ist wohl wieder ausgebrochen”, sagte Scotti freundlich.


„Das Beste, was diesen faulen Taugenichtsen passieren konnte”, antwortete der Nord zwischen zwei Bissen. „Ich habe in meinem Leben noch nie ein solch faules Volk gesehen. Jetzt werden sie an Land von den Khajiit und auf See von den Hochelfen angegriffen. Wenn es eine Provinz gibt, die ein wenig Leid verdient, dann ist es Valenwald.”


„Ich verstehe nicht, was Euch so gegen sie aufgebracht hat”, sagte einer der Bretonen lachend.


„Es sind manische Diebe. Dabei sind sie schlimmer als die Khajiit, weil sie in ihrer Aggression noch freundlich erscheinen”, sagte der Nord und spuckte dabei ein Stück Fett aus, das auf den heißen Steinen des Feuers zu zischen begann. „Sie pflanzen ihre Wälder in Gebiete, die ihnen nicht gehören. So beginnen sie langsam, das Land ihrer Nachbarn an sich zu reißen. Und dann wundern sie sich, wenn Elsweyr sie zurückschubst. Das sind alles Verbrecher der schlimmsten Sorte.”


„Was macht Ihr hier?”, fragte Scotti.


„Ich bin Diplomat am Hofe von Jehenna”, murmelte der Nord, bevor er sich wieder um sein Essen kümmerte.


„Und Ihr? Was treibt Euch hierher?”, fragte einer der Cyrodiil.


„Ich arbeite für Fürst Atrius' Baukommission in der Kaiserstadt”, sagte Scotti. „Einer meiner früheren Arbeitskollegen schlug vor, ich solle nach Valenwald kommen. Er sagte, dass der Krieg vorüber sei und dass ich viele Aufträge für meine Firma bekommen könnte, da die zerstörten Gebäude alle wieder aufgebaut werden müssten. Eine Katastrophe folgte der anderen und ich habe all mein Geld verloren. Jetzt bin ich mitten in einem neu aufkeimenden Krieg und kann meinen ehemaligen Kollegen nicht finden.”


„Euer ehemaliger Kollege,” murmelte einer der Cyrodiil, der sich als Reglius vorgestellt hatte, „er trägt nicht zufällig den Namen Liodes Jurus?”


„Ihr kennt ihn?”


„Er hat mich mit exakt den gleichen Argumenten nach Valenwald gelockt”, sagte Reglius mit einem leicht säuerlichen Lächeln. „Ich habe für einen Konkurrenten Eures Arbeitgebers, Fürst Vanech, gearbeitet. Dort war Liodes Jurus auch einmal. Er hat mir geschrieben und mich gebeten, als Angestellter einer Kaiserlichen Baukommission einen Beitrag zum Wiederaufbau nach dem Krieg zu leisten. Ich war gerade von meinem Arbeitsplatz freigestellt worden und dachte mir, dass wenn ich ein paar neue Aufträge mitbringen würde, ich vielleicht an meinen Platz zurückkehren könnte. Jurus und ich trafen uns in Athay. Er sagte, dass er ein sehr lukratives Treffen zwischen mir und dem Silvenar arrangieren würde.”


Scotti war völlig verblüfft. „Wo ist er jetzt?”


„Ich bin kein Theologe, daher weiß ich es nicht”, sagte Reglius und zog die Schultern hoch. „Er ist tot. Als die Khajiit Athay angriffen, haben sie den Hafen in Flammen gesetzt. Dort war Jurus gerade dabei, sein Boot fertig zu machen. Ich sollte vielleicht besser mein Boot sagen, da es mit dem Gold gekauft wurde, das ich mitgebracht hatte. Bevor uns klar wurde, was passierte oder wir überhaupt ans Fliehen denken konnten, war schon alles in Ufernähe Asche und Flamme. Die Khajiit mögen Tiere sein, aber sie wissen, wie man einen Angriff durchführt.”


„Ich glaube, sie sind uns durch den Dschungel nach Vindisi gefolgt”, sagte Scotti nervös. „Es ist definitiv etwas durch die Baumkronen gehüpft.”


„Vermutlich ein paar Affen”, schnaubte der Nord verächtlich. „Nichts, um das man sich sorgen müsste.”


„Als wir nach Vindisi kamen und die Bosmer alle diesen Baum betreten haben, wurden sie fuchsteufelswild. Sie sprachen davon, einen uralten Terror gegen ihre Feinde einzusetzen', sagte der Bretone mit deutlichem Unbehagen in der Stimme. 'Sie sind jetzt schon anderthalb Tage hier. Wenn Ihr etwas sucht, vor dem Ihr Euch fürchten könnt, dann empfehle ich einen Blick in diese Richtung.”


Der andere Bretone, der ein Repräsentant der Magiergilde von Daggerfall war, starrte in die Dunkelheit, während sein Landsmann sprach. „Möglich. Aber am Rand des Dschungels, rechts vom Dorf, ist auch etwas, dass herübersieht.”


„Vielleicht noch mehr Flüchtlinge?”, sagte Scotti, der sich sichtlich Mühe gab, die Angst in seiner Stimme zu unterdrücken.


„Dann müssten sie aber schon über die Baumwipfel geflohen sein”, flüsterte der Zauberer. Der Nord und einer der Cyrodiil griffen nach einem langen Stück feuchten Leders und zogen es über das Feuer, das mit nicht mehr als einem Zischen sofort erlosch. Jetzt konnte Scotti die Eindringlinge sehen. Ihre elliptischen, gelben Augen und langen, bösartigen Klingen reflektierten das Licht der Fackeln. Er war starr vor Angst und betete, dass sie ihn nicht sehen würden.


Er spürte, wie etwas gegen seinen Rücken schlug und ächzte.


Reglius' Stimme war von oben zu hören: „Um Maras Willen, seid still und klettert hier hoch.”


Scotti griff sich die zusammengeknotete Kletterpflanze, die von einem hohen Baum am Rand des erloschen Lagerfeuers hinabhing. Er kletterte sie so schnell es ging hinauf und hielt dabei den Atem an, damit ihm auch ja kein Laut entfleuchen konnte. Am Ende der Kletterpflanze, hoch über dem Dorf, befand sich auf einem dreieckigen Ast das verlassene Nest eines riesigen Vogels. Nachdem sich Scotti in das weiche, duftende Nest hinaufgezogen hatte, begann Reglius damit, die Kletterpflanze hochzuziehen. Niemand sonst war zu sehen und als Scotti nach unten blickte, konnte er auch niemanden entdecken. Niemanden bis auf die Khajiit, die sich langsam dem schwach leuchtenden Eingang des Tempelbaumes näherten.


„Ich danke Euch”, flüsterte Scotti, den es zutiefst berührte, dass ihm jemand geholfen hatte. Er drehte sich vom Dorf weg und sah, dass die oberen Äste des Baumes gegen die moosbewachsenen Felshänge lehnten, die das Tal umringten. „Wie steht es mit Euren Kletterfertigkeiten?”


„Ihr seid verrückt”', sagte Reglius außer Atem. „Wir sollten hier bleiben, bis sie wieder verschwinden.”


„Wenn die Vindisi genauso abfackeln wie Athay und Grenos, dann sind wir hier oben ebenso todgeweiht wie am Boden.” Scotti begann langsam und vorsichtig den Baum hochzuklettern. Dabei überprüfte er jeden Ast auf seine Stabilität. „Könnt Ihr sehen, was sie machen?”


„Nicht besonders gut.” Reglius starrte in die Dunkelheit. „Sie stehen vor dem Tempel. Es scheint so, als hätten sie lange Seile dabei, die sie hinter sich herziehen.”


Scotti kroch auf den stärksten Ast und deutete auf das nasse, felsige Antlitz der Klippe. Es war kein weiter Sprung. Die Klippe war sogar so nahe, dass er die Feuchtigkeit des Steins riechen und seine Kälte spüren konnte. Aber es war trotz allem ein Sprung und in seiner bisherigen Laufbahn als Büroangestellter hatte er noch niemals in fast hundert Meter Höhe von einem Baum auf einen Felsen springen müssen. Vor seinem geistigen Auge stellte er sich die Schatten vor, die ihn in solchen Höhen durch den Dschungel verfolgt hatten. Er dachte an ihre Beine beim Sprung, wie ihre Arme elegant nach vorne geschnellt waren, um nach Halt zu greifen. Er sprang.


Seine Hände griffen nach dem Felsen, aber die langen, dicken Stränge aus Moos waren einfacher zu greifen. Er hielt sich gut fest, aber als er versuchte, die Position seiner Füße zu verändern, rutschte er weg. Ein paar Sekunden lang hing er kopfüber, bis es ihm endlich gelang, sich wieder in eine etwas komfortablere Position zu bringen. In der Klippe fand er eine schmale Ausbuchtung, in der er stehen und in Ruhe durchatmen konnte.


„Reglius. Reglius. Reglius.” Scotti traute sich nicht zu rufen. Eine Minute lang erzitterten Äste und dann kam Fürst Vanechs Mann zum Vorschein. Erst seine Tasche, dann sein Kopf und dann der Rest seines Körpers. Scotti begann etwas zu flüstern, aber Reglius schüttelte aufgeregt den Kopf und deutete nach unten. Einer der Khajiit stand unten am Baumstamm und sah auf die Überreste des Lagerfeuers.


Reglius versuchte, so gut es ging das Gleichgewicht zu halten, aber obwohl der Ast sehr stark war, fiel es ihm mit nur einer freien Hand alles andere als leicht. Scotti deutete Reglius, ihm die Tasche zuzuwerfen. Es schien Reglius zwar sehr zu missfallen, sich von seiner Tasche trennen zu müssen, aber letztendlich warf er sie Scotti zu.


Es war ein kleines, kaum sichtbares Loch in der Tasche und als Scotti sie auffing, fiel eine einzelne, kleine Goldmünze heraus. Mit einem Klingeln, das Scotti so laut wie die schrillsten Alarmglocken zu sein schien, schlug sie gegen den Fels.


Dann geschah alles sehr schnell.


Der Cathay-Raht, der unten am Baum stand, sah nach oben und gab einen lauten Schrei von sich. Die anderen Khajiit stimmten in das Geheule ein, während sich die Katze unten am Baum duckte, um kurz darauf in die unteren Äste des Baumes zu springen. Reglius sah, wie sie mit unglaublicher Geschicklichkeit auf ihn zukletterte und geriet in Panik. Noch bevor er sprang, wusste Scotti, dass er fallen würde. Mit einem Schrei stürzte der Büroangestellte Reglius auf den Boden, wobei sein Genick durch die Wucht des Aufpralls brach.


Ein weißer Blitz drang aus jeder Spalte des Tempels und das Wehklagen der Gebete der Bosmer schlug in schreckliche, überirdische Geräusche um. Der kletternde Cathay-Raht hielt inne und begann zu starren.


„Keirgo”, ächzte er. „Die Wilde Jagd.”


Es war, als habe sich in der Realität eine Spalte aufgetan. Eine Flut von furchteinflößenden Kreaturen, tentakelbewehrten Kröten, gepanzerten, mit Stacheln besetzten Insekten, glitschigen Schlangen, nebelhaften Gestalten mit götterähnlichen Gesichtern, all das strömte mit unbändiger Wucht und Grausamkeit aus jedem Winkel des großen, hohlen Baumes. Die Khajiit, die sich vor dem Tempel befanden, wurden von ihnen einfach in Stücke gerissen. All die anderen Katzen flohen in den Dschungel und zogen dabei an den Seilen, die sie mit sich trugen. Innerhalb von Sekunden war das ganze Dorf Vindisi von den grausamen Bildern der Wilden Jagd erfüllt.


Aus dem Geschwätz, Geheule und Gebrüll der wilden Horde hörte Scotti die Schreie der Cyrodiils, die in ihren Verstecken zerfleischt wurden. Der Nord und beide Bretonen wurden ebenfalls entdeckt und gefressen. Der Zauberer hatte sich selbst unsichtbar gemacht, aber der Schwarm war nicht auf Augen angewiesen. Der Baum, in dem sich der Cathay-Raht befand, bebte unter dem schrecklichen, unaussprechlichen Grauen, das zu seinen Füßen tobte. Scotti blickte in die angsterfüllten Augen des Khajiit und streckte ihm einen der Moosstränge entgegen.


Im Gesicht der Katze war eine mitleidige Dankbarkeit zu sehen, als sie zum Sprung ansetzte. Ihr blieb keine Zeit mehr, diesen Gesichtsausdruck zu ändern, als Scotti den Strang blitzartig zurückzog und der Katze beim Sturz zusah. Die Wilde Jagd hatte sie bis auf die Knochen abgenagt, noch bevor sie den Boden erreicht hatte.


Scottis Sprung auf die nächste Felsnische war indes erfolgreicher. Von dort aus gelang es ihm, sich an den oberen Rand der Klippe zu ziehen und einen Blick auf das Chaos zu werfen, das einst das Dorf Vindisi war. Die Menge der Jagd war gewachsen und begann aus dem Tal hinter den fliehenden Khajiit herzuströmen. Zu diesem Zeitpunkt begann der eigentliche Wahnsinn erst.


Im Licht des Mondes konnte Scotti endlich erkennen, woran die Khajiit ihre Seile befestigt hatten. Mit einem unglaublichen Lärm stürzten Felsen herab und versiegelten den Pass. Nachdem sich der Staub gelegt hatte, sah er, dass der Ausgang aus dem Tal verschlossen war. Die Wilde Jagd hatte nichts außer sich selbst, wogegen sie sich richten konnte.


Scotti wandte sich schaudernd ab, da er die kannibalistische Orgie nicht mit ansehen konnte. Die Nacht lag im Netz des Waldes vor ihm. Er warf Reglius' Tasche über die Schulter und trat hinein.


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