Auflagen des Buches |
---|
Diese Seite enthält den Text von Wasseratmung aus The Elder Scrolls V: Skyrim.
Inhalt
Haliel Myrm
r ging durch die trockenen, bevölkerten Straßen von Bal Fell und freute sich, unter so vielen Fremden zu sein. In Vivec gab es solche Anonymität nicht. Dort kannten sie ihn als Schmuggler, aber hier konnte er alles und jeder sein. Vielleicht ein niederer Hausierer. Oder sogar ein Schüler. Einige der Leute schubsten ihn sogar im Vorübergehen, so als wollten sie sagen: "Es würde uns im Traum nicht einfallen, so unhöflich zu sein, wenn Ihr hierher gehören würdet."
Seryne Relas war in keiner der Tavernen, aber er wusste, dass sie hier irgendwo stecken musste. Vielleicht verbarg sie sich hinter dem Fenster eines Wohnhauses oder vielleicht stöberte sie gerade in einem Misthaufen nach einer Zutat für einen Zauber. Er wusste nur wenig über Zauberinnen, aber sie schienen immer exzentrische Dinge zu tun. Dieses Vorurteil sorgte dafür, dass er fast die alte Dunmer übersehen hätte, die einen Schluck aus einem Brunnen nahm. Was sie tat, war nicht sehr spektakulär, aber er erkannte an ihrem Aussehen, dass sie Seryne Relas, die große Hexenmeisterin, war.
"Ich habe Gold für Euch", sagte er, als er hinter ihr stand, "wenn Ihr mir das Geheimnis der Wasseratmung beibringt."
Sie drehte sich um und ein breites, nasses Grinsen zog sich über ihr Gesicht. "Ich atme es nicht, Junge. Ich trinke es nur."
"Veralbert mich nicht", entgegnete er etwas steif. "Entweder seid Ihr Seryne Relas und werdet mir das Geheimnis der Wasseratmung beibringen oder Ihr seid es nicht. Mehr Möglichkeiten gibt es nicht."
"Wenn du wirklich die Wasseratmung erlernen willst, mein Junge, dann musst du zuerst lernen, dass es noch weit mehr Möglichkeiten gibt als diese. Die Schule der Veränderung dreht sich um Möglichkeiten, Formwandlungen und Dinge, die man dazu macht, was sie sein könnten. Vielleicht bin ich nicht Seryne Relas und kann dich trotzdem die Wasseratmung lehren", sagte sie, während sie ihren Mund trocken wischte. "Oder vielleicht bin ich Seryne Relas und mache es trotzdem nicht. Oder vielleicht kann ich dich sogar lehren, wie man Wasser atmet, aber du kannst es nicht lernen."
"Ich werde es lernen", sagte er bestimmt.
"Warum kaufst du dir nicht einfach einen Zauber der Wasseratmung oder einen Zaubertrank in der Magiergilde?" fragte sie. "So macht man das für gewöhnlich."
"Die sind nicht mächtig genug", entgegnete er. "Ich werde lange Zeit unter Wasser bleiben müssen. Ich bin bereit, zu zahlen, was Ihr wollt, solange Ihr mir keine Fragen stellt. Man sagte mir, dass Ihr es mir beibringen könnt."
"Wie lautet dein Name, Junge?"
"Das ist eine gute Frage", sagte er. Sein Name war Thalien Winloth, aber in Vivec nannten sie ihn den Zöllner. Seine Arbeit bestand darin, einen Teil der Beute der Schmuggler einzutreiben, wenn diese in den Hafen kamen, um sie seinem Meister bei der Camonna Tong zu bringen. Von diesem Teil erhielt dann wiederum er einen Anteil. Am Ende blieb nur wenig übrig. Er hatte nur wenig Geld, doch das, was er hatte, gab er Seryne Relas.
Der Unterricht begann noch am gleichen Tag. Die Hexenmeisterin brachte ihren Schüler, den sie einfach "Junge" nannte, zu einer Sandbank am Meer.
"Ich bringe dir den mächtigen Zauber der Wasseratmung bei", sagte sie, "aber du wirst ihn selbst meistern müssen. Wie bei allen Zaubern gilt auch hier: Je mehr du übst, desto besser wirst du. Und selbst das ist nicht genug. Um ein wahrer Meister zu werden, musst du auch verstehen, was du da tust. Es ist nicht so einfach wie ein perfekter Schwertstoß. Du musst verstehen, was du tust und weshalb du es tust."
"Das ist doch wohl klar", sagte Thalien.
"Ja, das ist es", sagte Seryne und schloss dabei die Augen. "Aber die Zauber der Veränderung handeln von Dingen, die sich dem Allgemeinverständnis entziehen. Die unendlichen Möglichkeiten, das Durchbrechen des Himmels, das Verschlingen des Raumes, der Tanz mit der Zeit, brennendes Eis, der Glaube an das Irreale, können real werden. Du musst die Regeln des Kosmos erlernen und überwinden."
"Das klingt ... sehr kompliziert", erwiderte Thalien und versuchte, das Gesicht nicht zu verziehen.
Seryne deutete auf einen kleinen silbernen Fisch, der nahe des Ufers schwamm: "Das finden die gar nicht. Sie atmen das Wasser ohne Schwierigkeiten."
"Aber das ist auch keine Magie."
"Und ich sage dir, Junge, dass es das doch ist."
Seryne bildete ihren Schüler einige Wochen lang aus und je mehr er verstand, was er tat, und je länger er übte, desto länger konnte er unter Wasser atmen. Als er der Meinung war, dass er lange genug unter Wasser bleiben könne, dankte er der Hexenmeisterin und verabschiedete sich von ihr.
"Es gibt noch eine Lektion, die ich dir beibringen muss", sagte sie. "Du musst lernen, dass das Verlangen allein nicht ausreicht. Die Welt wird deinen Zauber beenden, egal wie gut du bist und egal wie sehr du es auch willst."
"Das ist eine Lektion, die ich gerne lerne", sagte er und begab sich unverzüglich zurück nach Vivec.
An den Kais ging es zu wie immer. Es gab hier immer noch dieselben Gerüche, dieselben Geräusche und dieselben Gestalten. Er erfuhr, dass sein Meister einen neuen Zöllner eingestellt hatte. Sie waren immer noch auf der Suche nach dem Schmugglerschiff Morodrung, aber sie hatten die Hoffnung aufgegeben, es jemals wiederzusehen. Thalien wusste, dass ihre Suche vergebens war, denn er hatte das Schiff vor langer Zeit versinken sehen.
In einer mondlosen Nacht sprach er den Zauber und warf sich dann in die brandenden blauen Fluten. Er rief sich die Welt des Unmöglichen in den Sinn, in der Bücher singen konnten, in der Grün Blau und Wasser Luft war. Jeder Schwimmzug würde ihn dem gesunkenen Schiff voller Schätze näher bringen. Er spürte, wie Magicka ihn umwallte, als er sich auf den Weg in die Tiefe begab. Vor sich sah er den geisterhaften Schatten der Morodrung. Ihr Mast bewegte sich im Wind der Unterwasserströmungen. Er spürte außerdem, wie sein Spruch nachzulassen begann. Er konnte die Realität gerade lange genug überwinden, um zurück zur Oberfläche zu gelangen, aber nicht lange genug, um das Schiff zu erreichen.
In der nächsten Nacht tauchte er erneut und diesmal war der Zauber stärker. Er konnte die Details des Schiffes sehen, das von Schlamm und Matsch bedeckt war. Den Riss in seiner Hülle, an der Stelle, wo das Schiff gegen das Riff geschlagen war. Ein goldenes Glitzern drang ihm entgegen. Aber er spürte auch diesmal, wie die Realität näher kam, und musste zur Oberfläche zurück.
In der dritten Nacht kam er bis zum Steuerrad, an den aufgedunsenen Körpern der Seeleute vorbei, die von den Fischen angefressen und zerpflückt wurden. Ihre glasigen Augen waren hervorgequollen, ihre Münder weit aufgerissen. Hätten sie nur den Zauber gekannt, dachte er voller Mitleid, aber dann richtete sich seine Aufmerksamkeit auf das Gold, das sich aus zerborstenen Kisten und Truhen über den Boden verteilt hatte. Er zog in Erwägung, seine Taschen damit zu füllen, doch eine dicke, eiserne Kiste schien ihm größere Reichtümer zu versprechen.
An der Wand befand sich eine Reihe von Schlüsseln. Er nahm jeden Einzelnen herunter und versuchte, damit die Kiste zu öffnen. Ohne Erfolg. Ein Schlüssel fehlte allerdings. Thalien sah sich in dem Raum um. Wo könnte er sein? Sein Blick fiel auf einen der Seemänner, der in einer Art Todestanz in der Nähe der Kiste umhertrieb und etwas fest mit den Händen umschlossen hielt. Es war ein Schlüssel. Als das Schiff zu sinken begann, war dieser Seemann anscheinend zu der Kiste gerannt. Was immer es auch war, es musste sehr wertvoll sein.
Thalien nahm dem Seemann den Schlüssel ab und öffnete die Kiste. Sie war mit zerbrochenem Glas gefüllt. Er wühlte herum, bis er etwas Festes spürte und zwei Flaschen irgendeines Weines zutage förderte. Er lächelte, als er an die Dummheit dieses armseligen Alkoholikers dachte. Das schien dem Seemann von allen Schätzen der Morodrung am kostbarsten gewesen zu sein.
Dann plötzlich spürte Thalien Winloth die Realität.
Er hatte nicht bemerkt, wie sich die erbarmungslose Macht der Wirklichkeit langsam ihren Weg durch seinen Zauber gebahnt hatte. Seine Fähigkeit, Wasser zu atmen, schwand. Es blieb keine Zeit, zurück an die Oberfläche zu gelangen. Es blieb gar keine Zeit mehr. Beim nächsten Atemzug füllten sich seine Lungen mit kaltem, salzigem Wasser.
Ein paar Tage später fanden Schmuggler, die an den Kais arbeiteten, den Körper des ertrunkenen ehemaligen Zöllners. Eine Leiche im Wasser zu finden, das war in Vivec nichts Besonderes. Was allerdings merkwürdig war und noch bei so mancher Flasche Flin für Gesprächsstoff sorgte, war die Frage, wie es passiert war, dass er mit zwei Zaubertränken der Wasseratmung in der Hand ertrank.