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Diese Seite enthält den Text des Buches Der Axtkämpfer aus The Elder Scrolls III: Morrowind.
Inhalt
einem unbekannten Autor
Von allen Angehörigen der Morag Tong, mit denen ich je sprach, beunruhigte mich niemand so sehr wie Minas Torik. Ein ruhiger und reservierter Mann, der nie trank, nie ein Bordell besuchte und niemals fluchte. Er war für seine Fahigkeit bekannt, Leute verschwinden zu lassen. Wenn eine Person ins Visier der Bruderschaft geraten war und Torik zu ihr geschickt wurde, hörte die Person einfach auf zu existieren. Ich fragte ihn, welche Waffe er am liebsten einsetzt, und er zögerte bei seiner Antwort ein wenig.
„Ich benutze nur Äxte”, sagte er in dem für ihn typischen, ruhigen Ton.
Der Gedanke daran, dass dieser ruhige Kerl jemanden mit einem solch blutrünstigen Instrument wie einer Axt angreifen könnte, ängstigte und verunsicherte mich so sehr, dass ich ihm weitere Fragen dazu stellte. Das ist von Natur aus schon gefährlich, da Meuchelmörder für gewöhnlich nicht sehr versessen darauf sind, ihre Geschichten preiszugeben. Torik machten meine Fragen allerdings nichts aus, obwohl es wegen seiner Scheue doch etwas dauerte, bis er seine Geschichte zu erzählen begann.
Torik war als kleines Kind bereits zum Waisen geworden und man schickte ihn zu seinem Onkel, einem Plantagenbesitzer, nach Sheogorad im nördlichen Teil von Vvardenfell. Der Mann versprach, seinem Neffen das Geschäft beizubringen und ihn vielleicht auch zu seinem Partner zu machen, wenn er erst einmal alt genug sein würde. Bis dahin sollte der Junge als sein Hausdiener arbeiten.
So zu leben war eine Strafe für den Jungen, denn der alte Mann war von Natur aus pedantisch. Zuerst musste der Junge alle Böden vom Speicher bis in den Keller ordentlich schrubben. Wenn einer der Böden nicht zur Zufriedenheit des Onkels geschrubbt war, und das kam häufig vor, wurde Torik geschlagen und gezwungen, von vorne zu beginnen.
Die zweite Aufgabe des Jungen bestand darin, die Glocke zu läuten, damit die Arbeiter ins Haus kamen. Dies hatte mindestens viermal am Tag, zu jeder Mahlzeit, zu geschehen. Hatte sein Onkel allerdings Anweisungen für die Arbeiter, und das kam häufig vor, musste die Glocke Dutzende Male am Tag geläutet werden. Es war eine große Eisenglocke im Turm und der Junge merkte schon bald, dass er sich mit dem ganzen Körper einsetzen musste, um sie überhaupt so stark in Bewegung zu setzen, dass die Arbeiter auf dem Feld das Läuten hörten. Wenn er zu müde war, um die Glocke laut genug zu läuten, war sein Onkel schnell bei ihm, um ihn so lange zu verprügeln, bis die Glocke wieder laut genug klang.
Toriks dritte Aufgabe bestand darin, die Bücher in der großen Bibliothek seines Onkels abzustauben. Da die Regale breit und alt waren, musste er einen langen, schweren Staubwedel an einem Stab dafür benutzen. Es gelang ihm nur, die hinteren Bereichen der Regale zu wischen, indem er den Staubwedel auf seine Schulter stützte und dann wischende mit ihm Bewegungen ausführte. Und auch hier bestrafte der Onkel den Jungen sofort und schwer, wenn er der Meinung war, dass dieser nicht hart genug arbeitete.
Nach ein paar Jahren war Minas Torik zu einem jungen Mann herangewachsen, aber sein Aufgabenbereich war immer noch derselbe. Sein Onkel versprach, ihm das Geschäft beizubringen, sobald Torik seine Aufgaben als Diener meistern würde. Da er keine Arbeit als seine eigene kannte, wusste Torik weder, wie verschuldet sein Onkel war, noch, wie schlecht die Geschäfte auf der Plantage liefen.
An seinem achtzehnten Geburtstag wurde Torik von seinem Onkel in den Keller gerufen. Er dachte, er hätte den Boden nicht genug geschrubbt und hatte Angst vor der Tracht Prügel, die ihn dort unten erwarten würde. Was er jedoch vorfand, war sein Onkel, der seine Besitztümer in Kisten verpackte.
„Ich verlasse Morrowind”, erklärte er. „Die Geschäfte laufen schlecht und ich werde mein Glück mit einer Karawane in Himmelsrand versuchen. Ich habe gehört, dass man gutes Geld machen kann, wenn man falsche dwemerische Artefakte an die Nord und die Cyrodiil verkauft. Ich wünschte, ich könnte dich mitnehmen, mein Junge, aber dort, wo ich hingehe, braucht man niemanden, der schrubbt, Glocken läutet und abstaubt.”
„Aber Onkel”, sagte Torik. „Ich kann nicht lesen und weiß nichts von dem Geschäft, das du mich lehren wolltest. Was soll ich alleine anfangen?”
„Ich bin mir sicher, dass du eine Anstellung in einem Haus finden wirst”, sagte der Onkel und zuckte mit den Schultern. „Ich habe dir viel beigebracht.”
Torik hatte seinem Onkel nie widersprochen und er spürte keinen Zorn. Nur ein gewisses Gefühl der Kälte umklammerte sein Herz. Unter den Besitztümern, die sein Onkel verpacken wollte, befand sich auch eine schwere Eisenaxt, die vermutlich aus dwemerischer Herstellung stammte. Er nahm sie in die Hand und stellte überrascht fest, das sie nicht mehr zu wiegen schien als sein Wischmopp. Sie fühlte sich sogar sehr gut an, als er sie nahm und schwang, wie er es früher schon viele Male mit dem Staubwedel getan hatte. Diesmal jedoch schwang er sie in den Arm seines Onkels.
Der alte Mann schrie vor Schmerz, aber aus irgendeinem Grund hatte Torik keine Angst mehr. Er zog die Axt hoch über seine Schulter und schlug erneut zu. Sie riss eine große Kerbe in die Brust des alten Mannes, so dass dieser zusammenbrach.
Torik zögerte ein wenig, bevor er die Axt über den Kopf hob. Auch dies schien ihm eine vertraute Haltung zu sein - fast so, als würde er die Glocke läuten. Immer und immer wieder schwang er die Axt, so als wollte er die Arbeiter vom Feld rufen. Diesmal gab es allerdings nur dumpfe, nasse Geräusche und keiner der Arbeiter kehrte vom Feld zurück. Sein Onkel hatte sie bereits vor Stunden nach Hause geschickt.
Nach einer kurzen Zeit war von seinem Onkel nichts übrig geblieben, das man nicht durch den Abfluss des Kellers hätte spülen können. Auch das Schrubben und Säubern ging Torik leicht von der Hand. Blut ließ sich viel einfacher wegwischen als der Dreck, der für gewöhnlich den Kellerboden bedeckte.
Allen war bekannt, dass Toriks Onkel Morrowind verlassen wollte, daher schöpfte auch niemand bei seinem Verschwinden Verdacht. Das Haus wurde mit allen Besitztümern an die Schuldeneintreiber verkauft, aber Torik behielt seine Axt. Es schien so, als hätte sein Onkel ihm doch einige wichtige Dinge für sein späteres Berufsleben beigebracht.