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Diese Seite enthält den Text des ersten Buches von Die Wolfskönigin aus The Elder Scrolls III: Morrowind und The Elder Scrolls IV: Oblivion.
Inhalt
aus der dritten Ära des ersten Jahrhunderts:
3Ä 63
Im Herbst des Jahres kam Prinz Pelagius, Sohn des Prinzen Uriel, welcher der Sohn der Kaiserin Kintyra, welche die Nichte des großen Kaiser Tiber Septim war, zum Stadtstaat Camlorn in Hochfels, um der Tochter von König Vulstaed den Hof zu machen. Ihr Name war Quintilla. Sie war die schönste Prinzessin in Tamriel, geschickt in den jungfräulichen Fertigkeiten und eine erfahrene Hexenmeisterin.
Pelagius war seit elf Jahren Witwer und hatte einen jungen Sohn namens Antiochus. Er erreichte den Hof, musste dort aber feststellen, dass der Stadtstaat von einem großen Dämonenwerwolf terrorisiert wurde. Anstatt sie zu umwerben, zog Pelagius mit Quintilla aus, um das Königreich zu retten. Durch sein Schwert und ihre Hexerei wurde die Bestie vernichtend geschlagen und Quintilla kettete mit Hilfe mystischer Kraft die Seele der Bestie an einen Edelstein. Pelagius ließ mit dem Juwel einen Ring schmieden und heiratete sie.
Aber man sagt, die Seele des Wolfs verblieb mit dem Paar bis zur Geburt ihres ersten Kindes.
3Ä 80
„Der Botschafter des Königreichs der Einsamkeit ist angekommen, Eure Hoheit”, flüsterte der Hofkämmerer Balvus.
„Gerade jetzt, während des Essens?”, murmelte der Kaiser. „Sag ihm, er soll warten.”
„Nein, Vater, es ist wichtig, dass Du ihn empfängst”, sagte Pelagius und erhob sich. „Du kannst ihn nicht warten lassen und ihm dann die schlechte Nachricht mitteilen. Das wäre sehr undiplomatisch.”
„Dann geh nicht, du bist viel diplomatischer als ich. Die ganze Familie sollte hier sein”, fügte Kaiser Uriel II. hinzu, als ihm bewusst wurde, dass nur wenige Mitglieder der Familie an seinem Tisch tafelten. „Wo ist deine Mutter?”
„Die schläft gerade mit dem Erzpriester von Kynareth”, hätte Pelagius fast gesagt, aber er war, wie sein Vater eben bemerkte, sehr diplomatisch. Stattdessen sagte er: „Bei der Andacht.”
„Und dein Bruder und deine Schwester?”
„Amiel ist in Erstburg und trifft sich dort mit dem Erzmagister der Magiergilde. Und Galana ist, auch wenn wir das dem Botschafter natürlich nicht erzählen werden, mit den Vorbereitungen für ihre Hochzeit mit dem Herzog von Narsis beschäftigt. Da der Botschafter ja erwartet, dass sie seinen Gönner, den König des Königreichs der Einsamkeit, heiratet, werden wir ihm mitteilen, dass sie bei den Quellen weilt, wo Pestbeulen von ihrem Körper entfernt werden. Erzähl ihm das und er wird nicht sehr auf die Heirat drängen, obwohl es schon aus politischen Gründen recht zweckmäßig wäre”, fügte Pelagius lächelnd hinzu. „Du weißt ja, wie mulmig es den Nord bei warzigen Frauen wird.”
„Aber beeile dich, ich habe das Gefühl, ich sollte meine Familie um mich haben, damit ich nicht wie ein alter Trottel aussehe, der von Freunden und Familie verschmäht wird”, brummelte der Kaiser und ging ganz recht in der Annahme. „Was ist mit deiner Frau? Wo ist sie, und wo sind meine Enkel?”
„Quintilla ist im Kinderzimmer mit Cephorus und Magnus. Antiochus hurt wahrscheinlich in der Stadt herum. Wo Potema ist, weiß ich nicht, wahrscheinlich lernt sie. Ich dachte, du magst die Kinder nicht um dich haben.”
„Doch. Vor allem bei solchen Treffen mit Botschaftern in muffigen Staatsgemächern”, seufzte der Kaiser. „Sie bringen frischen Wind herein und einen Hauch von Unschuld und Höflichkeit. Ach ja, lass den verdammten Botschafter rein”, sagte er zu Balvus.
Potema war gelangweilt. Es war Regenzeit in der kaiserlichen Provinz, Winter, und die Straßen und Gärten der Stadt waren überflutet. Sie konnte sich nicht mehr an die Zeit vor dem Regen erinnern. Waren es Tage, Wochen oder schon Monate, seit die Sonne zum letzten Mal geschienen hatte? Unter dem fortwährenden Flackern der Fackeln vor dem Palast war nur schwer zu beurteilen, wie viel Zeit verstrichen war. Potema ging durch die Hallen aus Marmor und Stein. Sie hörte den prasselnden Regen und dachte nur daran, wie langweilig ihr doch war.
Asthephe, ihr Lehrer, wartete sicher schon auf sie. Normalerweise machte es ihr nichts aus zu lernen. Das Auswendiglernen fiel ihr nicht schwer. Sie fragte sich selbst ab, als sie durch die den leeren Ballsaal ging. Wann war der Untergang von Orsinium? 1Ä 980. Wer schrieb die „Tamrilischen Traktate”? Khosey. Wann wurde Tiber Septim geboren? 2Ä 288. Wer ist derzeit König von Daggerfall? Mortyn, der Sohn von Gothlyr. Wer ist derzeit Herrscher von Silvenar? Varbarenth, der Sohn von Varbaril. Wer ist der Kriegsherr von Kleinmottien? Fangfrage: Es ist eine Frau, Ioa.
Was bekomme ich, wenn ich ein braves Mädchen bin, nicht in Schwierigkeiten gerate und mein Lehrer sagt, dass ich eine hervorragende Schülerin bin? Mutter und Vater werden ihr Versprechen, mir mein eigenes daedrische Katana zu kaufen, nicht einhalten und behaupten, dass sie sich an ein solches Versprechen nicht erinnern können und dass es ohnehin zu teuer und gefährlich ist für ein Mädchen meines Alters.
Stimmen kamen aus den Staatsgemächern des Kaisers. Es waren ihr Vater, ihr Großvater und ein Mann mit fremdem Akzent, ein Nord. Potema verschob einen Stein, den sie hinter einem Wandteppich gelockert hatte, und lauschte.
„Lassen Sie uns offen sprechen, Eure kaiserliche Hoheit”, vernahm sie die Stimme des Nords. „Meinem Gebieter, dem König des Königreichs der Einsamkeit, ist es egal, ob Prinzessin Galana aussieht wie ein Ork. Er möchte ein Bündnis mit der kaiserlichen Familie eingehen und Ihr habt zugesagt, ihm Galana zur Frau zu geben. Andernfalls müsst Ihr die Millionen von Gold zurückgeben, die er Euch gegeben hat, damit Ihr den Aufstand der Khajiit in Torval niederschlagen könnt. Das war eine Übereinkunft, die zu ehren Ihr geschworen habt.”
„Ich erinnere mich nicht an ein solches Versprechen”, hörte sie ihren Vater. „Erinnerst Du Dich, werter Vater?”
Potema glaubte, aus dem antwortenden Murmeln die Stimme ihres Großvaters, des alten Kaisers, herauszuhören.
„Vielleicht sollten wir zum Archiv gehen und nachsehen. Meine Erinnerung mag mich trügen', erklang die Stimme des Nords sarkastisch. 'Ich bin mir ganz sicher, dass Euer Siegel auf der Vereinbarung war, ehe es weggeschlossen wurde. Es kann aber natürlich sein, dass ich mich irre.”
„Wir werden eine Pagen zum Archiv schicken, damit dieser die benannten Dokumente bringt”, hörte sie ihren Vater, mit der ihr vertrauten milden Stimme antworten, die er benutzte, wenn er dabei war, ein Versprechen zu brechen. Potema kannte sie nur zu gut. Sie steckte den Stein wieder zurück an seinen Platz und eilte aus dem Ballsaal. Sie wusste genau, wie langsam die Pagen gingen, die es gewohnt waren, Botengänge für den tatterigen Kaiser zu machen. Sie konnte in null Komma nichts ins Archiv gelangen
Die massive Ebenholztür war natürlich verschlossen, aber sie wusste, was sie zu tun hatte. Vor ungefähr einem Jahr hatte sie die bosmerische Kammerzofe ihrer Mutter beim Stehlen erwischt. Im Gegenzug für ihr Schweigen musste die junge Frau ihr beibringen, wie man Schlösser knackt. Potema zog zwei Nadeln aus ihrer roten Diamantbrosche und steckte die erste mit ruhiger Hand in das erste Schloss, wobei sie sich die Kombination aus Schlüsselhalmen und Zuhaltung im Mechanismus einprägte.
Jedes Schloss hatte seinen eigenen Charakter.
Das Schloss zur Speisekammer in der Küche: sechs freie Zuhaltungen, eine siebte feste und ein Sicherungsbolzen. Sie war nur zum Spaß in die Speisekammer eingebrochen, aber sie dachte mit einem Lächeln, wäre Sie zum Beispiel eine Giftmörderin, dann wäre der gesamte kaiserliche Haushalt nun tot.
Das Schloss zu Antiochus' verstecktem Vorrat kahjiitischer Pornographie: nur zwei freie Zuhaltungen und eine lächerliche Falle aus vergifteten Stacheln, die durch Druck auf das Gegengewicht leicht zerlegt werden konnte. Das war ein einträglicher Treffer gewesen. Es war schon merkwürdig, dass Antiochus, der sonst nie Scham zeigte, so leicht zu erpressen war. Sie war natürlich auch erst zwölf und betrachtete den Unterschied zwischen der Perversion der Katzenmenschen und der der Cyrodiil aus einer eher wissenschaftlichen Perspektive. Nichtsdestotrotz musste Antiochus ihr die Diamantbrosche geben, die sie so sehr schätzte.
Sie war noch nie entdeckt worden, weder als sie in das Studierzimmer des Erzmagiers einbrach, um dessen ältestes Buch mit Zaubersprüchen zu stehlen, noch als sie in das Gästezimmer des Königs von Gilane einstieg, um dessen Krone am Tag der offiziellen Willkommenszeremonie von Magnus zu stehlen. Es war schon fast zu einfach, ihre Familie mit diesen kleinen Verbrechen zu piesacken. Aber nun ging es um ein Dokument, das der Kaiser für ein sehr wichtiges Treffen brauchte. Sie würde es zuerst bekommen.
Leider war dies das schwierigste Schloss, das sie bisher zu knacken hatte. Wieder und wieder drückte sie gegen die Zuhaltungen, schob die gegabelte Klammer beiseite, die gegen ihre Nadeln schnappte und an die Gegengewichte hämmerte. Sie brauchte fast dreißig Sekunden, um durch die Tür in das Archiv einzudringen, in dem die Schriftrollen des Ältestenrats aufbewahrt wurden.
Die Dokumente waren wohl sortiert, nach Jahrgang, Provinz und Königreich. Schnell fand Potema das Heiratsversprechen von Uriel Septim II., Kaiser von Gottes Gnaden des heiligen cyrodiilischen Kaiserreichs von Tamriel, zwischen dessen Tochter Prinzessin Galana und Seiner königlichen Hoheit des Königreichs der Einsamkeit, Mantiarco. Sie schnappte sich ihre Beute und war auch schon wieder aus dem Archiv, dessen Tür sie natürlich wieder verschloss, ehe die Pagen auch nur in Sichtweite waren.
Wieder im Ballsaal angekommen, lockerte sie den Stein erneut und lauschte gespannt den Gesprächen. Ein paar Minuten lang sprachen die drei Männer, also der Nord, der Kaiser und ihr Vater nur über das Wetter und einige langweilige diplomatische Einzelheiten. Dann hörte sie Schritte und ein junge Stimme, die eines Pagen.
„Eure kaiserliche Hoheit, ich habe das Archiv durchsucht, aber ich kann das Dokument, nach dem Ihr gefragt habt, nicht finden.”
„Da seht Ihr es”, sagte Potemas Vater. „Wie ich sagte, das Dokument existiert nicht.”
„Aber ich habe es gesehen!”. Die Stimme des Nords war voller Wut. „Ich war da, als mein Lehnsherr und der Kaiser es unterzeichneten! Ich war selbst dabei!”
„Ich hoffe, Ihr wagt es nicht, die Worte meines Vaters, des höchsten Kaisers von ganz Tamriel anzuzweifeln, nicht jetzt, wo es Beweise gibt, dass Ihr Euch ... geirrt habt”, sagte Pelagius mit leiser, bedrohlicher Stimme.
„Natürlich nicht”, erwiderte der Nord schnell. „Aber was sage ich meinem König? Er wird nicht mit der kaiserlichen Familie verbandet und erhält auch das Gold nicht zurück, das er Euch gemäß der Vereinbarung - so wie wir sie in Erinnerung haben - gegeben hat?”
„Wir möchten wirklich keine Spannungen zwischen dem Königreich der Einsamkeit und uns,” hörte sie die Stimme des Kaisers, zaghaft aber deutlich. „Wie wäre es, wenn wir König Mantiarco stattdessen unsere Enkelin anbieten?”
Potema fühlte, wie die Kälte des Saals auf sie hernieder sank.
„Die Prinzessin Potema? Ist sie nicht ein wenig zu jung?”, fragte der Nord.
„Sie ist schon dreizehn Jahre alt”, sagte ihr Vater. „Alt genug, um zu heiraten.”
„Sie wäre eine ideale Partnerin für Euren König”, sagte der Kaiser. „Zugegeben, sie ist sehr schüchtern und unschuldig, aber ich bin sicher, dass sie die höfischen Sitten und Gebräuche schnell erlernt. Sie ist schließlich eine Septim. Ich glaube, sie wäre eine hervorragende Königin des Königreichs der Einsamkeit. Nicht besonders aufregend, aber von noblem Charakter.”
„Die Enkelin des Kaisers steht ihm aber nicht so nah wie seine Tochter”, sagte der Nord übellaunig. „Andererseits weiß ich nicht, wie wir dieses Angebot zurückweisen könnten. Ich werde es meinem König überbringen lassen.”
„Ihr könnt gehen”, sagte der Kaiser und Potema hörte den Klang der Schritte des Nords, wie er die Staatsgemächer verließ.
Tränen liefen Potema über die Wangen. Sie wusste, wer der König des Königreichs der Einsamkeit war. Mantiarco. Zweiundsechzig Jahre alt und ziemlich fett. Sie wusste auch, wie weit das Königreich der Einsamkeit entfernt war und wie kalt es dort, in den nördlichen Gefilden, wurde. Ihr Vater und ihr Großvater verbannten sie zu den barbarischen Nord. Die Stimmen redeten weiter.
„Gutes Schauspiel, mein Junge. Nun sieh aber auch zu, dass die Dokumente sicher verbrannt werden”, sagte ihr Vater.
„Mein Prinz?”, fragte der Page leicht verunsichert.
„Die Vereinbarung zwischen dem Kaiser und dem König des Königreichs der Einsamkeit, du Dummkopf. Wir möchten nicht, dass jemand weiß, dass sie existiert.”
„Mein Prinz, ich habe die Wahrheit gesagt. Ich konnte das Dokument im Archiv nicht finden. Es scheint verloren gegangen zu sein.”
„Bei Lorkhan!”, brüllte ihr Vater. „Warum geht in diesem Palast immer alles verloren? Geh zurück zum Archiv und suche, bis du es findest!”
Potema betrachtete das Dokument. Millionen von Goldstücken wurden dem Königreich der Einsamkeit versprochen, falls Prinzessin Galana den König heiraten würde. Sie konnte es ihrem Vater übergeben und vielleicht müsste sie Mantiarco dann nicht heiraten. Oder lieber nicht. Sie könnte ihren Vater und den Kaiser auch damit erpressen und ein hübsches Sümmchen herausschlagen. Oder sie könnte es hervorzaubern, wenn sie Königin des Königreichs der Einsamkeit wäre und damit ihren Säckel füllen, um alles zu kaufen, was ihr Herz begehrte. Und das war mehr als ein daedrisches Katana, das war sicher.
So viele Möglichkeiten, dachte Potema. Plötzlich stellte sie fest, dass sie auf einmal gar nicht mehr so gelangweilt war.