Eigenes Werk Vielleicht ein Projekt

LPfreak

Reisender
Als ich mich heute ein wenig im Literaturforum umgeschaut habe schoss mir mit einem Mal eine Idee durch den Kopf. Die Grundidee war eine Geschichte im Stile von Dark Souls. Ich möchte nicht näher darauf eingehen sondern euch einfach mal meine erste Seite präsentieren die ich heute geschrieben habe.
Mir schwirren schon einige Gedanken zu dem Projekt im Kopf herum und mal schauen ob ich sie so oder so ähnlich zu Papier bringen kann. Da ich überhaupt noch nicht weiß ob ich diese Sache weiterverfolgen werde hab ich als Threadtitel erstmal "Vielleicht ein Projekt" geschrieben. Vielleicht etwas unspektakulär, aber nun gut. :)
Ich habe früher hin und wieder gern Kurzgeschichten geschrieben und die meisten fanden die Sachen eigentlich nicht schlecht. Mal schauen wie hier die Resonanz ist.
Wie gesagt -erwartet nicht zu viel. Es ist nur ein Anfang. Ich finde es bisher recht gut und könnte mir vorstellen daran weiterzuarbeiten.
Aber nun genug der Vorrede -hier also die erste Seite von "Vielleicht ein Projekt". ;)


Zeit? Zeit sollte etwas Beständiges sein. Etwas, dass nie enden wird und auch nie begann. Eine Konstante. Eine ewige Konstante. Zeit. Vorwärtseilend. Mit jedem Schritt vergehend. Und am Ende eines Lebens stirbt sie nicht mit der Person sondern wandert weiter. Läuft weiter. Ungebunden. Frei und zugleich versklavt. Der Mensch bannt und presst sie in Formen und Maßeinheiten. Er versucht die Zeit für sich zu nutzen. Doch der Erfolg? ...durchwachsen. Hier leben wir mit ihr. Stunden. Tage. Monate. Jahre. Formen und Maßeinheiten.
Doch diese Welt kenne ich nicht mehr. An diesem Ort an dem ich mich befinde...diesen Ort, hat die Zeit längst verlassen. Alles hier ist bedeutungslos. Ich höre den Tod. Ich rieche den Tod. Die einzige Konstante -Dunkelheit. Nicht die Zeit und nicht das Leben spielen hier eine Rolle, sondern nur die Finsternis.
Drei mal drei Schritt das Leben. Drei mal drei Schritt die Welt. Drei mal drei Schritt mein Sarg. Ich weiß nicht wie lange ich hier schon bin. Ich weiß nicht wie lange ich hier noch sein werde. Doch ich weiß, dass ich hier sterbe. Oder vielleicht nicht? An einem Ort an dem die Zeit bedeutungslos ist und der Tod keinen Körper hat, sondern nur Stimme und Geruch -kann man da überhaupt sterben?
Und selbst wenn -wohin käme man dann? Ich denke ich habe die Hölle bereits gefunden und einen Himmel gibt es nicht. Nicht hier. Nicht für mich. Für mich gibt es nur drei mal drei Schritt. Eine Zelle. Mein Leben.
Doch hin und wieder wird diese Trostlosigkeit gestört. Schwere Schritte nähern sich meinem Sarg. Dumpf hallen sie durch die Dunkelheit. Ich lausche. Nähere mich der Stelle an der ich die Schritte vermutete. Meine Hände berühren altes, modriges Holz. Feucht und rissig. Ich spüre die rostigen Nägel auf meinen Fingerkuppen. Ein Klappe öffnet sich. Ich kann keine Gesichter erkennen. Nur schwacher Fackelschein dringt herein und mit dem Licht kommt ein Schwall abgestandener Luft. Dort draußen scheint es noch Zeit, Leben und Licht zu geben. Mehr als hier.
Mir wird ein grobbehauenes Steintablett gereicht. Es ist Essenszeit. Damit verlängern sie wohl nur mein Leiden und halten mich vom Tod fern. Ich nehme das Tablett und bevor sich die Klappe wieder für scheinbar unendliche Zeit verschließt versuche ich noch einen Blick auf die Welt da draußen zu werfen. Doch mehr als einen langen Gang und eine finstere Gestalt kann ich nicht ausmachen. Dann ist es wieder dunkel.
Essen. Was für ein profane Methode um sich am leben zu halten. Geschmack und Konsistenz spielen hier keine Rolle. Ohne jedes Gefühl greife ich mit den Fingern in einen gallertartigen Berg aus Etwas. Stecke ihn mir in den Mund und würge ihn hinunter. Ich weiß gar nicht mehr wie richtiges Essen schmeckt. Alle Sinne sind betäubt und abgestumpft. So sitze hier. Kaue, schlucke und denke an nichts. Meine Hände betasten das Steintablett. Es ist nicht mehr viel übrig was ich mir noch einverleiben könnte. Doch da! Die ausgetrockneten, rissigen und dreckigen Finger berühren etwas. Etwas, dass hier nicht hingehört. Metall? Langsam taste ich den Gegenstand auf dem Tablett ab. Seine Form scheint mir vertraut. Tief in meinem Unterbewusstsein kommen Erinnerungen hoch. Erinnerungen an Gegenstände, Gerüche, Gesichter. Ein Schlüssel? Ja, es ist ein Schlüssel. Doch woher kommt er? Hat ihn diese dunkle Gestalt in mein Essen getan? Öffnet er etwa die Tür? Die Tür, welche für unendliche Zeit mein Leben von dem Leben da draußen trennte? Ist es eine Falle? Und wenn nicht -warum dann dieses Geschenk? Das Geschenk der Freiheit. Meine Gedanken überschlagen sich. Mein Herz beginnt wild zu pochen. Ich spüre wie das Blut durch meinen Körper strömt. Ich habe ein rauschen in den Ohren. Mein Körper beginnt leicht zu zittern. Vorsichtig stehe ich auf und taste mich in Richtung Tür vor. Erst spüre ich nur kalten, feuchten Stein, doch dann...Holz. Langsam fahre ich mit meinen Händen die Tür ab in der Hoffnung ein Schlüsselloch zu finden. Ich suche. Suche die Öffnung zur Freiheit. Suche in aller Verzweiflung nach jener Öffnung welche mich aus dieser Finsternis erlösen kann. Doch ich finde nichts. Das Zittern lässt nach. Meine Herzschläge werden weniger. Das rauschen in den Ohren verstummt. Verzweiflung durchströmt mich. Voller Gram sinke ich an die Tür gelehnt zu Boden. Meine Augen werden feucht. Ich schmecke salzige Tränen auf meinen spröden Lippen. Völlig erschlafft sinken Geist und Körper nieder. Durch Wut, Verzweiflung und Dummheit schlage ich immer wieder mit meinem Hinterkopf gegen die Tür. Doch nur dumpfer Hall zerreißt die Stille. Hall, welcher mich zu verhöhnen scheint.
Ich gebe auf. Ich lasse den Schlüssel zu Boden fallen und versuche mich mit den Händen an der Tür gestützt aufzurichten. Doch kaum bin ich Bewegung bemerke ich etwas. Etwas, dass mir vorher nicht aufgefallen war. Ich betaste es mit den Fingern während ich mich wieder zu Boden gleiten lasse. Sollte es...kann es? Ein Schlüsselloch! Winzig. Und doch hat dieses winzige Ding die Macht die Leiden eines Elenden zu beenden. Hastig suche ich den Schlüssel mit der anderen Hand. Nur nicht zu hektisch werden! Da! Meine Finger ertasten das blanke Metall. Zitternd hebe ich den Schlüssel auf und stecke ihn in das Schlüsselloch. Ich schwitze. Mir ist als ob mein Herz aus der Brust springt. Hastig drehe ich den Schlüssel und endlich vernehme ich ein leises klicken. Ein klicken! Das schönste Geräusch welches ich wohl je vernahm.
Vorsichtig schiebe ich die Tür einen winzigen Spalt auf und ich spüre wie Zeit, Leben und Licht die Dunkelheit zerreißen und mich durchfluten. Mein erster Gedanke: Nie mehr drei mal drei Schritt.
 
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Und weiter gehts. Ja, ich weiß, dass es schon wieder einige Zeit her ist als ich das letzte Mal was geschrieben habe, aber ich hab wieder ein paar Zeilen mehr. Viel Spaß damit... :)
Kleine Anmerkung vorweg. Momentan ist es nur Fließtext ohne große Absätze. Für manch einen ist das vielleicht etwas sperrig zu lesen, aber ich werde früher oder später noch Absätze einfügen. ;)

Stück für Stück schiebe ich die Tür weiter auf, immer in der Angst, dass plötzlich etwas unvorhergesehenes passiert. Der Fackelschein beginnt die Zelle immer weiter zu erleuchten. Schwach. Matt. Rötlich-Gelbes Licht, welches in mir die Hoffnung weckt. Langsam stecke ich den Kopf hinaus und erkenne mit leicht zusammengekniffenen Augen den Gang. Jenen Gang welchen ich sooft durch den Spalt sah. Links und rechts erstrecken sich unzählige weitere Zellen. Weitere Särge für andere arme Teufel wie mich. Leise vernehme ich wimmern, jammern, dumpfe Schreie. Ich krieche aus der Zelle und zum ersten Mal nach unzähliger Zeit erkenne ich meinen Körper. Ich sehe meine Arme, meine Hände, meine Finger. Alles ist zerschunden, schmutzig und blass. Meine Finger wirken wie Spinnenbeine. Lang und dürr. Meine Haut liegt auf den Knochen der Arme. Ich erkenne keine Muskeln. Sanft berühre ich meinen Körper und betrachte ihn im Licht. Alles Menschliche scheint von mir gewichen und selbst Gevatter Tod würde vor mir zurückschrecken. Verfilzt und spröde hängen mir die Haare ins Gesicht. Sind sie grau oder haben sie doch eine Farbe? Ich weiß es nicht. Weiß nach all der Zeit nicht einmal mehr welche Haarfarbe ich hatte. Voller Hoffnung blicke ich an mir herab und erkenne nur einen ausgemergelten Körper welcher mit Lumpen und Fetzen behangen ist. Doch all das ist egal. Ich bin frei! Allein durch diesen Gedanken schaffe ich es die Zelle hinter mir zu lassen. Auf allen Vieren krieche aus meinem Sarg und richte mich auf. Der Gedanke an ein neues Leben, ein Leben außerhalb dieser Mauern erfüllt mich mit Kraft. Einen Fuß vor den anderen setzend beginne ich an den endlosen Reihen der anderen Zellen vorbeizulaufen. Das wimmern und schreien aus ihnen verkrampft mir das Herz. Zu wissen, dass in diesen Zellen ebenfalls Menschen hausen, welche nur noch vor sich hinvegetieren erfüllt mich mit Trauer. Doch ich muss weiter. Egoismus. Egoismus ist es welcher mich weitertreibt und mich die anderen armen Teufel vergessen lässt. Durch einen tränenerfüllten Schleier vor meinen Augen kann ich in einiger Entfernung Gitter ausmachen. Meine Schritte werden schneller. Mein Herzschlag scheint so laut, dass ich alle anderen Geräusche in meiner Umgebung nicht mehr wahrnehme. Keine Schmerzensschreie. Keine Hilferufe. Kein Wehklagen. Nur meinen Herzschlag.
Endlich erreiche ich das Gitter. Meine Finger umschließen die kalten Metallstäbe und vorsichtig öffne ich die Gittertür. Ein letzter Blick zurück. Ein letzter Blick den Gang entlang. Stein. Holz. Metall. Fackeln. Mein Sarg. Dieses Leben liegt nun hinter mir. Ich drehe mich wieder um und betrete den nächsten Raum. Ich kann nicht viel erkennen, da ich immer noch Tränen in den Augen habe. Hastig wische ich sie mir mit meinen Lumpen aus den Augen. Ein weiterer Schritt zur neuen Menschwerdung ist damit getan. Kurz vor mir kann ich Stufen erkennen. Daneben stehen einige Kisten aus den es bestialisch stinkt. Ich möchte einfach nicht wissen was sich darin verbirgt. Behutsam steige ich die ersten Stufen hinauf. Das Fackellicht wirft einen grausigen Schatten an die steinigen und feuchten Wände. Plötzlich vernehme ich Stimmen. Aber nein, nicht Stimmen, sondern ein Knurren und Grunzen. Angestrengt lausche ich die Treppe hinauf. Da! Schwere Stiefel beginnen sich in Bewegung zu setzen. Mit entsetzen in den Augen eile ich die Treppe wieder hinunter. Die Schritte, das Grunzen wird lauter. Dumpf schlägt Metall auf Stein. Bewegen sich Eisenstiefel über den steinigen Fußboden. Schnell verstecke ich mich hinter den Kisten. Kauere mich in die Dunkelheit. Jene Dunkelheit, welcher ich zu entkommen versuchte, legt sich nun wie ein Mantel über mich und verdeckt mich. Ich wage kaum zu atmen. Die Schritte und Stimmen sind nun ganz nah. Doch die Stimmen sind mir fremd. Nie vernahm ich solch eine Sprache. Die Angst steigt in mir auf, als ich bemerke, dass sich die Gestalten den Kisten nähern. Ich halte den Atem an. Mache mich noch kleiner. Unmerklich beginnen meine Hände zu zittern. Ich erkenne wie sich eine dunkle Gestalt langsam über die Kisten beugt. Voller Angst schließe ich meine Augen als ich plötzlich einen Ruf vernehme, gefolgt von einem knurren. Wuchtig schlagen große Hände auf die Kisten. Vor Schreck zucke ich zusammen. Könnte dies schon mein Ende bedeuten? Jetzt? Hier? Kaum, dass ich einmal den Duft der Freiheit in dieser abgestandenen Luft gerochen habe? Doch nein. Ich blicke auf und bemerke wie sich die großen Hände wieder von der Kiste lösen. Langsam entfernen sich die Schritte von mir. Mit einem Mal jedoch beginnt sich ein Stimmen- und Grunzgewirr zu erheben. Nervös beginnen die schweren Eisenstiefel auf dem Boden herumzutrippeln. Schweiß läuft mir über die Stirn und mir kommt ein grausamer Gedanke -die Gitter- und die Zellentür! Ich habe sie offen stehen gelassen! Vor Angst reiße ich die Augen auf. Immer lauter wird der Krach welchen die Gestalten machen. Ich höre wie sie den Gang hinuntereilen. Höre wie sie ihre Waffen ziehen. Höre wie sie beginnen zu schreien und Geräusche wie Fluchen von sich zu geben. Ich kann nicht sagen wie viele Kreaturen es sind, aber der Lärm ist so ohrenbetäubend als wären es 20 Mann. Vorsichtig stecke ich den Kopf über die Kisten und spähe in den Gang. Ich kann fünf Personen erkennen, die hastig hin- und herlaufen. Mit Fäusten und Schwertern gegen die Türen schlagen und das Wehklagen der Insassen in den Zellen mit ihrem Geschrei übertönen. Ich erkenne wie zwei der Gestalten meine Zelle betreten. Kurze Zeit später kommen sie wieder heraus. Dann stecken alle fünf die Köpfe zusammen. Das ist meine Chance! Eilig und doch vorsichtig steige ich hinter den Kisten hervor und beginne die Treppe hochzulaufen. Mein Herz rast wie wild. Der Schweiß tropft mir beißend in die Augen. Meine Hände und Beine zittern. Muss weiter. Muss weg. Ich blicke nicht zurück sondern laufe einfach. Laufe einfach die Stufen hinauf. Mein Atem geht schwer. Ich keuche. Sekunden vergehen wie Stunden und endlich erreiche ich die oberste Treppenstufe. Oben befindet sich ein Gang welcher nach links und rechts verläuft. Ohne groß nachzudenken eile ich den linken Gang entlang. Während ich immer schneller den Gang entlanghaste vernehme ich in der Ferne wie sich die Kreaturen in Bewegung setzen. Schnell und dröhnend klirren die Rüstungen, Waffen und Stiefel der Gestalten. Ich höre wie sie die Treppe hinaufkommen. Ohne nachzudenken eile ich weiter den Gang entlang. Das rauschen in meinen Ohren nimmt immer weiter zu. Doch dann...kurz halte ich inne und lausche den Gang hinunter. Die Schritte. Werden sie etwa leiser? Angestrengt lausche ich. Ja, die Schritte werden leiser. Nach kurzer Zeit verstummen alle Geräusche und es wird still. Nur noch das keuchen meines Atems und mein Herzschlag sind zu hören. Zitternd und kraftlos sinke ich an die Steinwand gelehnt zu Boden. Nur kurz ausruhen. Immer wieder fallen mir die Augen zu. Darf nicht schlafen. Nicht jetzt. Muss weiter. Muss hier raus. Ich richte mich wieder auf. Langsam beruhige ich mich wieder. Der Atem wird flacher, der Herzschlag ruhiger. Ich beginne mich umzuschauen.
Zum ersten Mal nehme ich den Gang in seiner Gänze wahr. Überall auf dem Boden verstreut liegt Dreck, Kadaver von toten Tieren, Unkraut welches aus den Ritzen wächst. Nur wenige Fackeln erhellen den Gang. Im tanzenden Fackelschein kann zerrissene Banner und rostige Waffen und Schilde an den Wänden ausmachen. Die Luft riecht abgestanden. Innerlich denke ich: „Nun hast du wenigstens den Vorhof zur Hölle betreten. Es kann nur noch besser werden.“. Langsam nähere ich mich einer der Waffen, welche an der Wand hängen. Es ist ein altes Kurzschwert welches meine Aufmerksamkeit erregt. Vorsichtig versuche ich es aus seiner Halterung zu lösen. Plötzlich gibt es ein leises knacken. Ich kann nun noch sehen wie Steinstaub aus den Ritzen der Wand rieselt und wie in Zeitlupe löst sich die gesamte Halterung. Scheppernd fällt das Schwert mitsamt dem Halter zu Boden. Mir stockt der Atem. Vor Schreck halte ich die Luft an. Nervös beginne ich mich umzusehen. Hat es jemand gehört? Angestrengt lausche ich in den Gang hinein. Stille. Nur ein dumpfer Nachhall durchläuft die Ruhe. Zitternd hebe ich das Schwert auf. Schwer und ungewohnt liegt es in meiner knochigen Hand. Obwohl ich weiß, dass ich bei einem Gefecht gnadenlos unterliegen würde gibt mir die Waffe eine gewisse Ruhe. Trotz ihres Alters, den Rostflecken, den Scharten in der Klinge und der rauhen Oberfläche des Knaufs verströmt das Kurzschwert eine tödliche Schönheit, welche mich für einen kurzen Moment gefangennimmt und Erinnerungen an vergangene Zeiten hinter meinem geistigen Auge aufblitzen lässt. Doch ich habe keine Zeit mich diesen Gedanken hinzugeben. Ich muss weiter! Muss endlich hier raus! Mit der Kraft des Getriebenen laufe und stolpere ich weiter den Gang entlang. Ein klares Ziel? Nur das Ziel endlich wieder einen Himmel sehen zu können treibt mich weiter voran. Freiheit. Was für ein einfaches Wort für so etwas Großes. Während ich weiterlaufe blicke ich immer wieder über meine Schulter hinweg. Immer mit der Angst im Nacken, dass ich verfolgt werde. Doch ich sehe nur einen endlosen leeren Gang. Nach schier unendlicher Zeit gelange ich erneut an eine Kreuzung. Links? Rechts? Meinen Instinkten folgend wende ich mich nach rechts. Nach kurzer Zeit erreiche ich eine weitere, kleine Treppe. So fest wie es meine geschundene Hand erlaubt umfasse ich den Knauf des Schwertes und beginne die Treppe hinaufzugehen. Als ich oben ankomme sehe ich eine weiteren, schmutzigen Gang. Links und rechts an den Wänden sind Türen eingelassen. Alle geschlossen. Ein Atemzug der Entspannung entfährt mir. Doch gleich darauf packt mich erneut die Angst. Mit sehr bedachten Schritten laufe ich die Türen ab. Angespannt. Nervös. Schwitzend. Hastig blicke ich mich um. Von all dem hin- und herblicken beginnen meine Augen zu schmerzen. Mit der Waffe vorrausgestreckt laufe ich weiter. Da vernehme ich mit einem Mal ein leises klicken hinter mir, gefolgt von einem durchdringenden knarzen. Jemand...oder Etwas...hat eine der Türen geöffnet. Erschrocken blicke ich mich um und schaue in die leeren, schwarzen Augen eines haarigen Ungetüms. Es überragt mich um eine ganze Kopflänge. Dreckig-grünes Fell hängt an diesem „Tier“ herab und umhüllt es in seiner Gänze. Gelbe spitze Zähne lugen aus dem Mund hervor als mich diese Kreatur finster anzulächeln scheint. Fast unmerklich beginnt es seine riesigen, klauenbewehrten Hände zu heben. Ein zittern durchläuft mich und noch ehe ich überhaupt einen Gedanken fassen kann, entfährt diesem Monster ein markerschütternder Schrei. Vor Angst reiße ich die Augen auf, drehe mich um und beginne zu laufen. Laufen. Rennen. Stolpern. Ich stürze den Gang entlang. Hinter mir vernehme ich erneut diesen Schrei. Alles um mich herum beginnt sich zu drehen. Die Bilder vor meinen Augen beginnen zu verschwimmen. Ich muss weiter! Irgendwie! Mehr als diese Gedanken kann ich nicht greifen. Ich spüre wie sich dieses Ungetüm in Bewegung setzt und mir nachstellt. Der Boden zittert. Ich höre wie sich nun weitere Türen öffnen. Das Ende! Mein Ende! Und wieder dieser eine Gedanke: Freiheit. Ich stolpere weiter. Die Angst treibt mich voran. Ich wage nicht mich umzusehen, doch ich weiß, dass es mehr werden. Mehr dieser fürchterlichen Kreaturen. Mir kommt es so vor als ob ich bereits ihren fauligen Atem in meinem Nacken spüre. Ich weiß nicht wohin ich renne. Immer wieder biegt der Gang ab. Mir ist als liefe ich im Kreis. Immer wieder stürze ich zu Boden. Quäle mich wieder hoch und haste weiter. Immer lauter wird das Knurren in meinem Rücken. Ich biege um eine weitere Ecke und stelle mit Entsetzen fest, dass ich genau auf eine Tür zulaufe. Doch zum anhalten habe ich keine Zeit. Innerlich spanne ich meinen Körper an. Ein heftiges krachen ertönt, gefolgt von einem stechenden Schmerz in meiner Schulter und im Arm. Ich stürze und falle in den Raum hinein. Vor Angst gepeinigt blicke ich zurück und sehe, dass die Monster nur noch wenige Schritte hinter mir sind. Meine Gedanken rasen. Ich rappele mich auf und blicke mich voller Hast um. Nichts! Das Geschrei ist nur noch wenige Meter von mir entfernt. Ich spüre wie sich der kalte Hauch des Todes um mich legt. Doch was ist das? Ich erkenne eine kleine Klappe in der Wand. Ohne weiter darüber nachzudenken stürze ich auf die Öffnung zu und springe hinein. Erneut hüllt mich die Dunkelheit in Schweigen und das brüllen der Kreaturen wird leiser. Ich rutsche in die Tiefe. Merke wie sich der rauhe Stein an meiner Haut gütlich tut und sie aufschrammt. Doch von Angst getrieben bemerke ich nichts von dem Schmerz. Unaufhaltsam rutsche weiter die Tiefe hinab. Doch jäh werde ich gestoppt als ich gegen eine weitere Klappe stürze. Durch die Wucht wird sie aufgerissen und ich falle zu Boden. Halb betäubt und mit einem flimmern vor den Augen beginne ich mich aufzurichten. Und nun kommt auch der Schmerz. Zitternd blicke ich an meinen Armen hinab. Erkenne die Schürfwunden. Rot leuchtet das Blut aus ihnen hervor. Dann kommt auch der Schmerz in meiner Schulter wieder. Langsam taste ich mich mit meiner Hand die Schulter hinauf. Ein stechender Schmerz lässt mich die Zähne zusammenbeißen. Ich setze mich auf den dreckigen Boden und lausche. Leise kann ich am oberen Ende das Schreien und Knurren dieser Ungetüme vernehmen. Wäre ich doch in meiner Zelle geblieben. Meinem Sarg. Diesem endlosen Leben zwischen tot und lebendig. Ich erschrecke innerlich als ich erkenne welche Gedanken sich durch mein Hirn graben. Nein! Freiheit. Ich muss weiter. Schaudernd richte ich mich auf. Zitternd hebe ich das Kurzschwert vom Boden auf. Da vernehme ich erneut ein leises klicken. Ich blicke auf und erkenne wie sich eine Holztür vor mir öffnet. Ich erkenne eine Schatten. In einer schrecklichen Sekunde, die sich scheinbar endlos hinzieht stürme ich auf die Tür zu und ramme dem Schatten das Schwert in den Bauch. Stille. Ein leises röcheln. Langsam sinkt der Schatten zu Boden. Schwer atmend, immer noch die Waffe in der Hand trete ich einen Schritt zurück und blicke auf die Umrisse am Boden. Da offenbart sich mir die Grausamkeit die ich gerade begangen habe. Ich blicke in die toten Augen eines...Menschen. Vor mir liegt einer junger Knabe in seinem Blut. Langsam färben sich seine Lumpen rot. Von plötzlicher Trauer, Angst, Wut und Ratlosigkeit übermannt lasse ich das blutgetränkte Schwert zu Boden fallen und sinke auf die Knie.
 
Und weiter gehts Freunde der Sonne. Obwohl es heute verdammt heiß ist, hab ich mich hingesetzt und noch ein bisschen weitergeschrieben. Ich hoffe es gefällt euch und viel Spaß beim lesen. :)
Dieses Mal sind sogar ein paar Absätze dabei. ;)

Ich fühle wie die Zeit zäh dahinfließt. Immer wieder wird mir schwarz vor Augen. Ich fühle eine schwarze Leere, welche mich komplett auszufüllen scheint. Wie in Trance hebe ich langsam das Schwert auf und führe es an meine Kehle. Es geht ganz schnell. Es ist nur eine Handbewegung. Ein Schnitt und dann ist alles vorbei. Ich spüre wie die scharfe Kante des Schwertes meinen Hals berührt. Mein Atem geht nun ganz ruhig. Tränen laufen mir aus den Augen. Laufen die Wange hinab. Ein Handstreich und dieser Wahnsinn wäre vorbei. Langsam und mit ruhiger Hand ziehe ich das Schwert an meinem Kehlkopf entlang. Ich schließe die Augen und atme aus. Ich schmecke Eisen. Doch schmecke ich es wirklich oder ist nur ein Gedanke der Wirklichkeit werden soll? Ich lasse das Kurzschwert wieder sinken und betaste vorsichtig meinen Hals. Ich spüre die Wärme von frischem Blut. Zitternde betrachte ich meine Hand. Ein kleiner roter Streifen Blut zieht sich die Finger entlang. Nicht mehr. Bin ich zu schwach im Geiste um meinem Leben ein Ende zu setzen oder steckt doch etwas anderes dahinter? Eine Macht welche mich davon abhält? Es scheint als ob ich hier nicht sterben soll. Mit diesem Gedanken richte ich mich auf. Ein letzter Blick zu dem toten Knaben am Boden. Wer war er? Mir fällt auf, dass er nicht ganz so ausgemergelt wirkt wie ich. Um eines seiner Beine ist eine schwere Eisenschelle gebunden. Auch an seinen Händen kann ich Schellen erkennen. Sein Hals ist zerschunden. Ein Zeichen, dass er wohl auch an seinem Hals angekettet wurde. Das Gesicht ist schmutzig. Trüb und leer starren mich seine toten Augen an. Jegliche Farbe ist aus ihnen gewichen. Ich wende mich ab und laufe langsam zu der Tür,welche mir genau gegenüber offensteht. Kurz bevor ich den Raum verlasse schaue ich ein letztes Mal zurück, dann treibt mich mein Egoismus und die nahende Freiheit aus dem Zimmer.
Erneut stehe ich in einem Gang. Es ist dunkel. Immer wieder kehrt sie zu mir zurück. Die Dunkelheit. Und immer wieder spendet sie mir ein wenig Trost. Sie ist Leiden und Freude zugleich. Sie verbirgt den Hass und den Schmerz. Sie offenbart dein Innerstes, deine Ängste. Und obwohl nur schwarz hat sie die Macht deine Gedanken in Rage zu versetzen oder dich in tiefe, innere Stille versinken zu lassen.
Plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ich vernehme Stimmen. Sind es wieder diese Kreaturen? Nein. Diese Stimmen klingen irgendwie...menschlich. Doch sie sind sehr verzerrt und hören sich grauenvoll an. Langsam gehe ich den Gang weiter entlang, als ich wieder vor einem Eisengitter stehe. Die Stimmen werden lauter und es gesellt sich ein Scharren und Klopfen dazu. Angestrengt schaue ich durch das Gitter in den dahinterliegenden Raum. Ich kann schwach unzählige Zellen erkennen. Menschliche Umrisse welche sich apathisch hin- und herwiegen. Was ist das nur für ein schrecklicher Ort? Ich öffne die Gittertür und als ob ich eine unsichtbare Wand durchschritten hätte übermannt mich ein Schwall aus Schreien, Wehklagen, Knurren und Tränenerstickter Stimmen. Links und rechts von mir erstrecken sich unzählige Zellen. In ihnen liegen, stehen, laufen Gestalten die nur noch sehr entfernt an Menschen erinnern. Ein übler Gestank droht mich zu übermannen. Wie in Trance laufe ich den schmalen Gang zwischen den Zellen ab. Starr sind meine Augen auf den Ausgang in einiger Entfernung gerichtet. Drei mal drei Schritt...das war mein Leben. Doch das hier ist gar kein Leben mehr. Nur noch ein dahinsiechen. Ich versuche die Geräusche auszublenden, den Gestank nicht einzuatmen. Tausendfach hallt das Echo dieser Geschundenen in meinen Ohren wieder. Knochige Arme strecken sich mir entgegen. Tote Gesichter schauen mich aus leblosen Augen an. Die Zeit steht still. An diesem Ort gibt es nichts mehr. Keine Zeit. Kein Leben. Keinen Tod. Nur endlose Qual. Verkrüppelte Hände beginnen nach mir zu greifen. Angstschweiß läuft mir über den ganzen Körper. Überall an mir kribbelt es, als ob tausend kleine Spinnen über meine Haut laufen. Meine Schritte werden schneller. Das Wehklagen wird lauter. Immer mehr Arme beginnen nach mir zu greifen. Hände die versuchen mich festzuhalten. Ich laufe weiter. Immer schneller. Einfach vorwärts. Immer näher rückt der Ausgang, doch plötzlich gleitet er mir aus dem Blick. Ich erkenne wie der Fußboden näher kommt. Dann nichts mehr.
Nach schier endloser Zeit schlage ich die Augen auf. Ich liege am Boden und mit einem Schlag kommen die Stimmen dieser gemarterten Seelen und der Gestank über mich. Noch während sich meine Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnen beginnt mir das Blut in den Adern zu gefrieren. Ich starre in die Augen eines völlig Verwesenden. Die Haut hängt aschfahl herunter. Ratten laufen über sein Gesicht. Würmer ziehen sich langsam aus seinen Augenhöhlen. Vor Angst gepeinigt rappele ich mich auf. Dennoch kann ich meinen Blick nicht abwenden. Mir ist als stehe mir das Herz still. Da ergießt sich ein Schwall Erbrochenes auf den Toten und als ich aufsehe erkenne ich eine weitere Gestalt. Früher mag es wohl eine Frau gewesen sein. Vielleicht sogar eine hübsche Frau. Doch nun starrt mich eine geisterhafte Gestalt an. Nackt und unmenschlich verrenkt steht sie vor mir. Ich erkenne in ihren Augen tiefe Trauer und Schmerz. Dann kippt sie vornüber und fällt auf den Toten. Mir ist als erkenne ich, dass der letzte Lebenshauch aus ihr entweicht und gen Zellendecke fährt. Ich spüre wie allmählich die Zeit zurückkehrt. So schnell ich kann richte mich auf und stolpere Richtung Ausgang. Diesen armen Menschen ist nicht mehr zu helfen. Hier findet alles sein Ende.
Endlich erreiche den Ausgang und eine Treppe welche nach oben führt. Das Kurzschwert über den Boden schleifend laufe ich die Stufen hinauf. Alles was kommt kann nicht so schrecklich sein, als das was ich hier gerade gesehen habe. Jegliche Vorsicht ist von mir gewichen. Angespannt laufe ich weiter. Wieder überkommt mich dieser eine Gedanke -Tod. Wieder versuche ich ihn zu verdrängen, doch dieses Mal hat er sich tiefer in meinen Sinnen festgesetzt. Es kostet mich schier unmenschliche Kraft ihn zu vergessen und der Freiheit Platz zu schaffen. Doch es gelingt.
Ohne es zu bemerken stehe ich mit einem Mal wieder an einer Abzweigung. Wieder verläuft ein Gang nach rechts und nach links. Als ich beginne mich umzusehen erkenne ich in dem rechten Gang plötzlich ein Licht. Ein Licht welches mir bereits völlig fremd geworden ist. Blassweis. Eine Wärme ausstrahlend welche ich seit unzähligen Jahren nicht mehr gespürt habe. Sonnenlicht! Wahrhaftig die Freiheit. Ich stürze zu dem Fenster. Meine Gedanken kreisen. In einem Meer aus Tränen hindurch spüre ich den warmen Wind in meinem Gesicht. Mein Herz schlägt wie toll und ich beginne am ganzen Körper zu zittern. Ein lächeln umspielt meinen Mund. Ein Lächeln! Gefühle übermannen mich, welche ich seit Jahren nicht mehr gespürt habe. Freude. Liebe. Lachen. Alles scheint gleichzeitig zu passieren. Meine Hände beginnen sich am Fenstersims zu verkrampfen als ich durch das Fenster steige. Doch noch während ich hinausklettere packt mich plötzlich eine haarige Klaue und versucht mich wieder zurück zu ziehen. Ich höre wie erneut die bestialischen Grunzlaute aufwallen. Schmerzhaft krallen sich die Hände in mein Fleisch. Ich spüre wie ich wieder hineingezogen werde. Hinein und zurück in die Hölle. Nein! Ich hebe das Schwert und schlage auf die Hand ein. Ein grausamer Schmerzensschrei entfährt der Kreatur und sie lässt mich los. Ohne nachzudenken lasse ich mich aus dem Fenster fallen. Ich stürze auf einen trockenen Boden aus Kies. Vor Angst gepeinigt krieche ich von dem Fenster weg. Hinter mir vernehme ich immer noch das Brüllen. Ich krieche weiter. Meine Knie und Handflächen reiben sich an dem rauen Boden auf. Doch das ist nun alles egal. Freiheit! Endlich Freiheit! Nun finde ich auch die Kraft mich aufzurichten. Immer noch das Schwert in der Hand versuche ich mich weiter von der Kreatur und dem Fenster zu entfernen. Immer weiter laufe den steinigen Weg entlang. Ein letzter Blick zurück. Welch ein Fehler. Noch während ich zurückblicke und mit Schrecken erkenne wie sich mit einem Mal weiterer dieser Viecher aus dem Fenster schälen und mich verfolgen wollen, stolpere ich erneut und beginne zu fallen. Doch dieses Mal ist es keine kurzer Sturz auf den Boden. Immer weiter, immer tiefer stürze ich hinab. Steinklippen rauschen an mir vorbei. Weit oben erkenne ich die hässlichen Fratzen der Kreaturen. Dann gibt es einen schmerzhaften Schlag und ich spüre wie mich Wasser umspült. Jegliche Luft wird mir aus den Lungen gepresst. Dann wird mit einem Mal alles schwarz um mich herum. Und erneut schließt mich die Dunkelheit in ihre Arme.
 
Guten Abend Freunde der Sonne. Und wieder ist ein wenig Text zusammengekommen und ich möchte ihn euch natürlich nicht vorenthalten. Viel Spaß damit und seid euch gewiß, dass noch genug Ideen vorhanden sind, damit es weitergehen kann. ;)

„Lorandrell…suche das Sanktuarium der Weißen Heldin…tief in den Gemäuern von Garh…finde deine Geschichte…“
Leise vernehme ich ein rauschen an meinen Ohren. Gleichmäßig auf- und abschwellend. Ein sanfter, ruhiger Klang. Ich schlage die Augen auf und bemerke wie mich die Wellen des Wassers umspülen. Verschleiert nehme ich meine Umgebung wahr. Ein Strand. Ich liege auf weißem Sand. Ruhig und gleichmäßig umspülen mich die Wellen und versuchen mich wieder zurück ins Wasser zu ziehen. Mühselig versuche ich mich aufzurichten, doch die Kraft in meinen Armen ist noch nicht zurückgekehrt und so sacke ich wieder in den Sand. Während ich tief ein- und ausatme schmecke ich Salz auf den Lippen. Ich schlage die Augen nieder und versuche mich an die Worte zu erinnern. Jene Worte welche tief in meinem Unterbewusstsein als Hauch, als leises Flüstern bestehen. Lorandrell. Sanktuarium der Weißen Heldin. Die Gemäuer von Garh. …Finde deine Geschichte. Nichts von alledem ergibt einen Sinn für mich. Nie habe ich auch nur einen dieser Namen vernommen. Nie hörte ich auch nur eine Geschichte über eine Weiße Heldin. Doch ein schier unbezwingbarer, innerer Drang treibt mich an. Erneut versuche ich mich aufzurichten. Mir wird leicht schwarz vor Augen, doch ich schaffe es aufzustehen. Langsam nehme ich nun auch meine Umgebung besser wahr. Ich stehe an einem scheinbar endlosen Strand. Hinter mir schlagen die Wellen in den Sand. Das Meeresrauschen, ist das Rauschen der Freiheit. Überall liegt verstreutes und angespültes Treibgut herum. Chaos inmitten der Ruhe. Wie Skelette kann ich in einiger Entfernung alte Schiffswracks ausmachen. Stur ragen die Holzbalken in den Himmel als wollten sie endlos Wind und Wetter trotzen. Ich schirme meine Augen mit der Hand gegen die Sonne ab, welche blendend und leuchtend über dem Strand scheint. Langsam drehe ich mich einmal um mich selbst. Erneut überkommt mich dieses Gefühl der Freude. Das Gefühl der Freiheit. Das Gefühl des Lebens. Innerlich übermannt breche ich erneut in Tränen aus. Ich habe es endlich geschafft! Wie als wollten das Meer und die Sonne die Freiheit mit mir feiern, treffen die Sonnenstrahlen auf die Wasseroberfläche und wie Diamanten beginnen leuchtend helle Lichtpunkte auf den Wellenbergen zu tanzen. Unfähig irgendetwas zu tun schaue ich einfach hinaus auf das Meer. Doch plötzlich überkommt mich ein Gefühl der Angst und des Grauens als ich in einiger Entfernung eine steile Klippe ausmachen kann. Uneinnehmbar scheint sie und weit oben thront ein altes Gemäuer. Mein Gefängnis. Mein altes Leben. Jahre des Leids und des Grauens in Stein gehauen. Wie als ob die Sonne selbst diesen Ort meidet, erscheint er dunkel und bedrohlich. Kein Licht scheint die Klippen und die Burg zu treffen. Düster und ohne Leben ragen die Mauern in die Luft. Mit Schrecken wende ich mich schnell wieder ab. Mein Ziel? Es scheint tief in mir verborgen zu liegen… Vor mir türmt sich ein kleiner Dünenwall auf. Langsam setze ich einen Fuß vor den anderen und laufe auf den Wall zu. Die ersten Schritte in ein neues Leben. Plötzlich bemerke ich wie ich auf etwas Hartes trete. Ich schaue nach unten und kann unter dem Sand begraben einen Schwertknauf ausmachen. Ich lasse mich auf die Knie fallen und beginne mit den Händen im Sand zu graben. Nach kurzer Zeit erkenne ich das Kurzschwert wieder welches ich bei meiner Flucht getragen hatte. Ein kurzes Lächeln umspielt meine Lippen als ich es aufhebe. Mit neuem Mut und einer Idee im Kopf laufe ich über den Dünenwall einem unbekannten Ziel entgegen.
Eine unendliche Welt breitet sich vor mir aus. Riesige Felder erstrecken sich in den schönsten Gelb- und Grüntönen über das Land. Inmitten der Felder kann ich Dörfer, Klöster und einzelne Häuser erkennen. In weiter Ferne kann ich ein Gebirge ausmachen. Groß, weiß, mächtig und unendlich alt erhebt es sich und scheint mit seinen Bergspitzen den Himmel zu berühren. Ich stehe am Rand dieser Welt und bin nun bereit sie zu betreten. Mit Freude im Herzen beginne ich das erstbeste Haus anzulaufen, welches ich erkennen kann.
Einsam wandere ich den steinigen Feldweg entlang. Links und rechts des Weges liegen grüne Wiesen und vereinzelt kann ich Bäume ausmachen. Man lernt das Wesen der Freiheit erst wirklich zu schätzen wenn man diese seit undenklichen Zeiten nicht mehr besaß. Nach einiger Zeit jedoch verfliegt das Hochgefühl der Freiheit etwas als ich bemerke, dass meine Beine und Füße beginnen zu schmerzen. Die Jahre in der Zelle haben mich doch sehr stark belastet. Immer holpriger und unkoordinierter wird mein Gang. Die Kräfte schwinden. Auch das Schwert in meiner Hand wird allmählich zu einer Last. Immer mehr beginne ich zu schlurfen. Das Kurzschwert lasse ich mittlerweile über den Boden schleifen. Unaufhörlich brennt die Sonne auf mich nieder. Jene Sonne welche ich in den ersten Sekunden meines neugewonnenen Lebens so euphorisch begrüßt hatte, wird nun langsam zu einer Folter für mich. Ich schleppe mich weiter auf das Haus zu, doch so langsam überkommt mich das Gefühl, dass ich dort vielleicht nie ankommen werde. Ich bemerke wie ich langsam in mich zusammensinke. Der Blick wird starr und trüb und ich kann meine Umgebung nur noch verschwommen wahrnehmen. Das Martyrium und Leiden in meinem Sarg, die Flucht aus der Burg und der Sturz von Klippe fordern nun ihren Tribut. Ich stürze auf die Knie und falle vornüber auf den staubigen Weg.
Es ist Nacht als ich wieder wach werde. Ich liege in einem Bett. Ein Bett! Die meisten meiner Gedanken sind noch tief in meinem Unterbewusstsein vergraben und scheinen dort zu ruhen. Verwundert schaue ich mich um und kann die ganze Situation im ersten Moment nicht wirklich erfassen. Alles wirkt so realitätsfern. Dunkel ist es hier. Durch ein kleines Fenster scheint der Mond in die Kammer. Ich kann undeutlich Umrisse von Möbeln erkennen. Ein Schrank, ein kleiner Tisch, ein Stuhl. Sonst nichts. Mir gegenüber befindet sich eine Tür. Diese ist jedoch geschlossen. Der erste Gedanke der mich befällt: Flucht! Ich weiß nicht warum es nur dieser eine Gedanke ist welcher mir kommt. Dennoch führt er dazu, dass ich so schnell wie möglich hier davoneilen möchte. Vorsichtig erhebe ich mich, schwinge die Beine aus dem Bett und versuche aufzustehen. Doch als ich mich versuche aufzurichten geben meine Knie nach und ich sacke zusammen. Mühselig ziehe ich mich an dem Bettpfosten wieder hoch als sich plötzlich die Tür öffnet. Dunkel und bewegungslos steht ein Schatten im Türrahmen. Mit weit aufgerissenen Augen starre ich die Gestalt an. In dem Moment als ein Schrei versucht aus meiner Kehle zu entkommen macht der Schatten einen Satz auf mich zu und drückt mir eine kalte Hand auf den Mund. Verängstigt und atmenlos schaue ich der Gestalt in die Augen. Doch selbst in dieser Dunkelheit kann ich die ruhigen Augen eines Menschen erkennen welcher die Situation vollends im Griff hat. Ich weiß, dass dieser Mensch scheinbar genau weiß warum er mir den Mund zuhält. Sein ganzes Gebaren, soweit ich es in dieser Dunkelheit erkennen kann wirkt in keinster Weise feindselig. Langsam beruhige ich mich. Mein Atem wird ruhiger und ich entspanne mich langsam etwas. Nach einer Weile nimmt die Gestalt die Hand wieder von meinem Mund. Doch während sie das tut bedeutet sie mir still zu sein. Mit geschmeidigen Bewegungen erhebt sie sich und begibt sich langsam zum Fenster. Interessiert und dennoch zögernd schaue ich ihr nach. Mit einer bedachten Handbewegung öffnet sie vorsichtig das Fenster einen kleinen Spalt und lauscht angestrengt in die Dunkelheit. Durch den Schein des Mondes kann ich nun auch erkennen, dass der Schatten eine junge Frau ist. Ihr kurzes Haar fällt leicht über die Ohren. Sanft schimmern große Ohrringe durch das herabfallende Haar. Ich erkenne außerdem, dass diese Frau eine Rüstung aus Leder zu tragen scheint. Überall an ihrem Körper kann ich Schnallen und Manschetten erkennen. Als ich etwas tiefer blicke erkenne ich einen kleinen, blitzenden Dolch, welcher an einem Gürtel um ihre Hüfte hängt. Warum ist diese Frau nur so gerüstet? Welcher Gefahr hat sie sich ausgesetzt, dass sie so auf Vorsicht bedacht ist. Ich komme nicht dazu weiter darüber nachzudenken, als ich mit einem Mal ein leises Knurren von außerhalb des Hauses vernehme. Es klingt jedoch nicht so wie, dass knurren welches ich in der Burg von den Kreaturen vernommen hatte. Es klingt anders. Fremdartiger. Böser. Dämonischer. Schnell drückt sie die Frau seitlich an das Fenster. Ich sehe wie sie einen Finger vor die Lippen hält und mit damit sagt, dass ich still sein soll. Mein Herz beginnt wieder schneller zu schlagen und mein Atem wird hektischer. Das knurren vor dem Fenster wird lauter und vermischt sie langsam mit einem quietschen und kratzen. Die Geräusche nehmen zu und es ist als ob sie beginnen sich in meinem Kopf festzusetzen und ihnen von innen aushöhlen wollen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht halte ich mir die Hände an die Schläfen, kneife die Augen zusammen und beiße die Zähne so heftig aufeinander, dass es bereits in meinem Kinn beginnt zu schmerzen. Vor meinem inneren Auge beginnen Lichtpunkte zu tanzen und ich höre wie das Blut durch meinen Körper rauscht. Plötzlich zucke ich zusammen, als ich etwas auf meiner Schulter bemerke. Augenblicklich reiße ich die Augen auf und sehe wie die Frau eine Hand auf meiner Schulter gelegt hat. Erst jetzt stelle ich fest, dass die Geräusche verklungen sind. Es ist wieder still. Ich zittere am ganzen Leib. Mit tiefem Blick schaut mich die Frau an. Ernst und doch beruhigend beginnt sie mit mir zu sprechen: „Nun, meiner werter Freund. Ich denke ihr habt euch den falschen Ort und die falsche Zeit ausgesucht. Hätte ich euch nicht auf dem Weg hierher gefunden, wärt ihr nun einer von Ihnen geworden.“ Und mit diesen Worten dreht sie den Kopf in Richtung Fenster. Während sie mir beginnt aufzuhelfen und mich auf das Bett zu setzen spricht sie weiter: „Ihr solltet nicht hier sein. Dieser Ort…nun, wie soll ich sagen, dieser Ort ist für Unbedarfte mehr als der Tod. Vorallem Nachts gibt es hier nur sehr wenige Möglichkeiten sich in Sicherheit zu wiegen. Ihr habt Glück gehabt, doch ich würde mich nicht darauf verlassen, dass das ein zweites Mal gelingt. Mein Name ist übrigens Jora.“ Noch während sie mir Ihren Namen sagt, geht sie langsam zum Fenster zurück, schaut ein letztes Mal hinaus und schließt dann die Läden. „Ich denke wir sollten uns unterhalten.“ sagt sie, zieht sich den Stuhl heran und setzt sich mir gegenüber hin.
 
Hallo, ihr Lesewütigen. Und weiter geht es mit meiner Geschichte. Erneut sind drei Seiten Story zusammengekommen und ich hoffe es gefällt euch. :)
Viel Spaß mit dem neusten Absatz zu "Vielleicht ein Projekt"...

Durchdringend schaut sie mich an. Endlos zäh scheint sich die Zeit hinzuziehen. Weder sie noch ich machen irgendwelche Anstalten ein Wort zu sagen. Nach einigen qualvollen, schweigsamen Minuten, höre ich wie Jora unvermittelt Luft einsaugt und zu erzählen beginnt: „Ich weiß nicht wer du bist oder woher du kommst und eigentlich es mir egal. Was mir jedoch nicht egal ist, dass du mitten auf der Straße liegenbleibst und das an diesem Tag!“ Völlig verwirrt schaue ich die Frau an. Langsam öffne ich den Mund aber ich schaffe es nicht Worte zu formen. Die langen Jahre in der Zelle. Die Qualen. Die Stille und die Dunkelheit. Unmerklich fange ich an zu zittern. Mich überkommt die Angst, dass ich nie wieder werde sprechen können. Erneut öffne ich den Mund und versuche zu sprechen, doch alles was ich hervorbringe ist ein heiseres krächzen. Bedrückt schlage ich die Augen nieder. Wie als ob mich Jora verstehen würde beginnt sie erneut anzusetzen und erzählt weiter: „Da du offensichtlich nicht aus dieser Gegend bist will ich dir erklären warum es so gefährlich ist, in dieser Nacht draußen unterwegs zu sein. Wir befinden uns hier in Drochsell. Dieses Dorf gehört zu den Heimlichen Feldern, einem Landstrich welcher recht klein ist. Früher war es wirklich schön hier. Die Felder waren weit und grün, die Wälder dicht und beruhigend. Es gab regen Handel. In und um Drochsell blühte das Leben. Doch irgendwann…es mag 10 Jahre her sein, begann sich die Umgebung zu verändern. Die Nächte wurden finsterer. Die Felder verdorrten. In den Wäldern begann das Böse umherzustreifen. Niemand wusste woher es kam oder wie man es wieder vertreiben könne. Anfangs war es nur eine kleine Vorahnung, ein Hauch oder auch nur ein Schatten. Doch mit der Zeit wurde es immer schlimmer.“ Jora hält kurz inne, als erinnere sie sich an eine schreckliche Begebenheit aus ihrer Vergangenheit. Leise höre ich sie atmen. Es klingt etwas erstickt. Unvermittelt beginnt sie jedoch weiter zu sprechen: „Dann begann das Sterben! Es muss an einem Abend wie diesem gewesen sein. Erst war da dieses heulen. Dann kam das grunzen und knurren dazu. Und dann kamen sie…die Heuler!“ Das letzte Wort betont Jora sehr scharf, so als ob es alles erklären würde. Ungläubig schaue ich ihr in die Augen. Traurig weicht sie meinem Blick aus und erzählt weiter: „Es war die finsterste Nacht die Drochsell bis dahin erlebt hatte. Niemand traute sich auf die Straße. Durchdringend fiel der Regen vom Himmel. Erst war es still, doch dann…das heulen. Man erzählt sich noch heute, dass die nachfolgenden Ereignisse vielleicht nicht eingetreten wären, wenn dieses…Kind nicht gewesen wäre.“ Ich bemerke wie eine einzelne Träne über Joras Wange läuft und zu Boden fällt. Ich bemerke wie sie immer unruhiger wird und nervös auf dem Stuhl hin und her rutscht. Es fällt ihr sichtlich immer schwerer die Fassung zu wahren und weiterzuerzählen. Wie als ob sie diesen inneren Kampf nicht aufgeben will strafft sie die Schultern und spricht leise weiter: „In dieser Nacht lief gerade ein Kind durch die Straßen. Es war wohl auf dem Heimweg als das heulen begann. Was genau passierte weiß heute niemand mehr. Jedoch am nächsten Tag…fand man eine schrecklich entstellte Leiche in den Straßen. Man erkannte nichts mehr, doch die Dorfbewohner schienen gewusst zu haben, dass es die Leiche des kleinen Kindes gewesen sein muss. In aller Eile wurde die Leiche beigesetzt und man hoffte, dass es bei diesem unsäglichen Einzelschicksal bleiben würde. Wie sie sich doch getäuscht hatten! In der darauffolgenden Nacht begannen die Dinge ihren Lauf zu nehmen. Das Kind…es lebte…oder vielmehr etwas in der Leiche lebte. Erneut stieg das heulen aus den Wäldern herauf und das Kind entstieg seinem Grab…so erzählte man sich.“ Ich bemerke wie sich ein kalter Schauer über meinen Rücken legt und die Fingerspitzen kalt werden. Mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund, unfähig etwas zu röcheln, starre ich die Frau an. „Sie war die Erste…und sie war nicht die Letzte.“ Setzt Jora wieder an. „Zusammen mit den Heulern ging das Kind oder vielmehr dieses ‚Ding‘ auf die Jagd. Diesmal erwischte es mehr Dorfbewohner. Alles muss so schnell gegangen sein, dass sie keine Zeit hatten sich zu wehren. …Damit begann die Zeit der ‚Ewigen Scheiterhaufen‘ wie es heute heißt. Aus der Erfahrung mit dem Kind wurden die Bewohner von Drochsell gelehrt die Leichen zu verbrennen. Erst brannten die Scheiterhaufen nur einige Stunden, doch bald…wurden es Tage. Eine Panik begann das Dorf zu ergreifen und die Bewohner fingen an von hier fortzuziehen. Doch das sterben hörte nicht auf. Immer mehr Dorfbewohner gesellten sich zu der Armee der Heuler. Trotz, dass sie verbrannt wurden konnte man ihnen nicht beikommen. Wie schrecklich muss dieses Bild gewesen sein –Hässlich entstellte und verbrannte Leichen bewegen sich in einer riesigen Masse zwischen den Heulern und töten alles und jeden dem sie begegnen! Das Dorf verwahrloste zusehends. Die Felder begannen zu wuchern. Die Wälder wurden grau.“ Mit diesen Worten steht Jora auf und begibt sich erneut zu dem Fenster. Langsam öffnet sie die Läden und späht hinaus. Der Mond scheint ungeheuer grell in das kleine Zimmer hinein. Erst jetzt erkenne ich wirklich, dass es in dem Zimmer unglaublich staubig, dreckig und verwahrlost aussieht. Spinnweben in den Ecken zeugen davon, dass hier wohl schon lange niemand mehr zu Hause ist. Noch während ich Jora schweigend im Mondlicht betrachte schließt sie erneut die Fensterläden und setzt sich wieder zu mir. Dann spricht sie weiter: „Mittlerweile lebt in Dorchsell niemand mehr. Alles ist verlassen und die Gebäude verrotten immer mehr. Lass mich kurz nachdenken…vor etwa sieben Jahren begab es sich, dass ein Fremder in das Dorf kam. Schon damals war nicht mehr wirklich viel übrig was noch an die glorreiche Zeit erinnerte. Dieser Fremde gab sich als Prosecure Magita aus…einer verdammt hoher Rang in der Gilde der Zweiten Magita. Niemand wusste so recht, wer er war und ob er wirklich diesen Rang innehatte. Unzweifelhaft ist aber sein Wirken gewesen! Man erzählte sich, dass er es geschafft hatte die Heuler und die Leichen in ihre Schranken zu weisen. Keiner weiß wie er es gemacht hat, doch seit diesem Tag tauchen die grausamen Kreaturen des Finsteren nur noch in der Zeit auf wenn der Tag am kürzesten und die Nacht am längsten ist. Tja, und was soll ich sagen…dieser Tag oder sollte ich eher sagen –diese Nacht ist heute. Der Prosecure verschwand auch recht bald, wie man sagte und er tauchte hernach auf nie wieder auf. Man munkelt, dass er einen Pakt mit dem Bösen eingegangen wäre, aber ob das stimmt… Dennoch –jedes Jahr in dieser Nacht tauchen die Bestien erneut auf um jeden in ihre Armee zu rufen welcher sich ohne Schutz durch Drochsell wagt. Du kannst mehr oder weniger meiner guten Seele danken, dass du jetzt hier in diesem Bett liegst als als Untoter durch die Wälder zu streifen.“ Mit diesen Worten endet auch Joras Erzählung. Völlig ungläubig und verwirrt schaue ich sie an. Gerade als ich versuchen möchte erneut ein paar Worte zu sprechen unterbricht mich die Frau harsch: „Schlaf jetzt…wenn es geht. Morgen solltest du zusehen, dass du weiterkommst. Mein Weg ist ein anderer und ich werde dich nicht begleiten…wohin dich dein Weg auch immer führen wird.“ Unvermittelt steht Jora auf und verlässt ohne ein weiteres Wort das Zimmer. Ein gruseliges Unbehagen umfängt mich als ich mich zurück in das Bett lege. Spricht sie die Wahrheit oder hält sie mich zum Narren? Noch während ich darüber nachdenke übermannt mich ein schwerer, traumloser Schlaf. Nur ein Wort taucht immer wieder in meinen Gedanken auf –Lorandrell.
Ein dunkler Schatten. Eine grausame Stimme. Körperlose Gestalt. Hitze. Schmerzhafte, tödliche Hitze. Ein Berg in der Ferne. Schweißgebadet erwache ich. Schemenhaft kann ich meine Umgebung wahrnehmen. Es ist immer noch das Zimmer vom Vorabend. Dunstig und staubig fällt das Licht des neuen Tages in den Raum. Ich versuche mich an den Albtraum der vergangenen Nacht zu erinnern. Doch nichts Greifbares lässt sich in meinen Gedanken auffinden. Noch leicht im Dämmerzustand schwinge ich die Beine aus dem Bett und versuche aufzustehen. Mit der Angst wieder zusammenzusacken versuche ich so langsam wie möglich die Beine zu belasten. Langsam belaste ich die Füße und richte mich auf. Leicht schwankend doch stabil richte mich auf. Vorsichtig ein Bein vor das andere setzend begebe ich mich zum Fenster und öffne es. Grell scheint die Sonne in das Zimmer und die frische Luft scheint mich zu übermannen. Trotz aller traurigen und grausamen Vorrahnungen von gestern Nacht atme ich die Luft tief ein und fühle mich beschwingter. Ich drehe mich von dem Fenster weg und kann zum ersten Mal das Zimmer in seiner Gänze wahrnehmen. Mein erster Eindruck von gestern Nacht scheint bestätigt. Die Möbel, welche gestern in der Dunkelheit noch annehmbar aussahen, offenbaren sich als recht heruntergekommen. Überall auf dem Boden liegt Geschirr, Wäsche und anderer Krempel verstreut herum. Spinnweben und Staub verdecken die ehemalige Einfachheit und Schönheit dieses Raumes. Mit unsicheren Schritten erkunde ich das Zimmer weiter als ich plötzlich den Stuhl erkenne, auf welchem Jora letzte Nacht gesessen hatte. Auf ihm befindet sich nun ein Bündel Kleider. Unsicher blicke ich an mir herab und stelle fest, dass ich komplett entblößt im Raum stehe. So schnell wie ich auf meinen noch wackeligen Beinen laufen kann, eile ich zu dem Stuhl und nehme das Bündel Kleidung auf. Mühsam beginne ich mich anzukleiden. Richtige Kleidung. Wann habe ich das letzte Mal so etwas getragen? Die braune Leinenhose ist zwar etwas zu lang, doch ist alles besser als dieser zerlumpte Fetzen, welchen ich die ganzen Jahre tragen musste. Schlaff hängen das weiße Stoffhemd und die wollene Weste an meinem Oberkörper herab. Die Person, dem die Kleidung vorher gehört hat, muss mindestens einen Kopf größer gewesen sein als ich. Die hellbraunen Stiefel passen jedoch recht gut. Nachdem ich es endlich geschafft habe mich anzukleiden begebe ich mich zu der Tür. Plötzlich taucht unvermittelt ein Gedanke in meinem Kopf auf –wo ist das Schwert? Nervös beginne ich mich umzublicken, kann das Kurzschwert jedoch nirgendwo finden. Weder neben dem Bett, noch auf dem Stuhl ist es zu finden. Unruhig beginne ich das Zimmer zu durchsuchen, allein das Schwert bleibt verschwunden. In der Hoffnung, dass Jora es in ihre Obhut genommen hat trete ich zu der Tür und öffne sie.
Vor mir befindet sich ein kleiner Flur. Alles liegt im Dämmer des neuen Tages. Keine vier Schritt befindet sich eine kleine Treppe rechter Hand von mir. Mit unsicheren Schritten laufe ich auf die Treppe zu und beginne, am Geländer festhaltend mit dem Abstieg. Jeder Schritt scheint mich unendlich viel Mühe zu kosten, doch endlich komme ich unten an. Die Treppe endet in einem kleinen Vorraum. Links und rechts von mir geht ein Durchgang ab. Überall liegt Unrat auf dem Boden. Diese Behausung hat ihre besten Tage weit hinter sich gelassen. Zertrümmerte Möbel stehen herum. Überall hängen Spinnweben. Staub, welcher alles Vergangene zu konservieren scheint, hat sich wie eine undurchdringliche Schicht auf alles gelegt. Während ich die Szenerie auf mich wirken lasse bemerke ich Geräusche aus dem linken Durchgang. Vorsichtig taste ich mich hin und spähe hindurch. Ich erkenne Jora. Sie steht an einem alten Küchenschrank und durchsucht ihn lautstark. Unvermittelt hält sie jedoch in der Bewegung inne und dreht den Kopf. Erschrocken zucke ich zusammen als sie mich mit ihren blauen Augen anschaut. „Da sieh einer an. Auch schon aufgewacht?“ Verdutzt schaue ich sie an. „Ganz ruhig. Ich habe dich schon bemerkt, als du die Treppe betreten hast. So laut wie du bist könntest du sogar ein Mamullon wecken und das ist schon schwer.“ Verschmitzt schaut sie mich an. Die Traurigkeit und Anspannung von gestern Abend scheinen völlig von ihr gewichen sein. „Setz dich und iss erstmal was.“ Mit einer Kopfbewegung deutet sie auf den Tisch, welcher sich in der Mitte des Raumes befindet. Zögerlich trete ich ein und setze mich an den Tisch. Es ist nicht viel was sich auf ihm befindet. Ein Kanne mit frischem Wasser, ein Kanten Brot und etwas was entfernt an ein Kaninchen erinnert befinden sich auf ihm. Unbeholfen beginne ich das Stück Fleisch zu zerteilen. Es scheint unvorstellbar lang her zu sein, dass ich das letzte Mal richtiges Essen zu mir genommen habe. Trotz der augenscheinlichen Einfachheit des Gerichtes fühle ich mich mit diesem Bissen Fleisch endgültig von der Tyrannei befreit. Genüsslich kaue ich auf dem Stück herum. Lasse es in meinem Mund kreisen. Ich genieße jeden Augenblick. Erst als ich bemerke, dass mich Jora etwas verwundert anschaut schlucke ich den Bissen Kaninchen herunter. „Du bist eine sehr seltsame Person.“ Mokiert sie sich, ohne auf ein kleines, veschmitztes Grinsen zu verzichten. Schon nach kurzer Zeit befinden sich auf dem Tisch nur noch einige armselige Essensreste und ein leerer Wasserkrug. Während ich mich satt und zufrieden –das erste Mal nach ewiger Zeit, in den Stuhl sinken lasse, beginnt Jora bereits mit dem packen ihrer Sachen. Ich sehe wie sie einen kleinen Ledersack mit Essen, kleinen Phiolen und Wurfmessern füllt. Eine gewisse Unruhe scheint sie befallen zu haben, denn sie packt sehr schnell. Es wirkt als ob sie mit einem Mal diesen Ort so schnell wie möglich verlassen möchte. Jegliche Heiterkeit ist von ihr gewichen und hat einer merkwürdigen Anspannung Platz gemacht. Nervös schaue ich ihrem Treiben zu und endlich nehme ich all meinen Mut zusammen und versuche erneut einige Worte zu sprechen. Quälend langsam öffnet sich mein Mund und…tatsächlich –meine Lippen und meine Zunge formen ein Wort –„K…urz…schw…ert“. Es ist mehr ein röcheln als ein deutliches sprechen, dennoch scheint mich die Frau zu verstehen. Eilig läuft sie aus dem Zimmer und kommt kurze Zeit später mit dem Schwert in der Hand zurück. Unwirscher als eigentlich beabsichtigt knallt sie die Waffe auf den Tisch. „Hier hast du es wieder. Ich wollte es nur verwahren…für den Fall, dass du vorhattest dir oder, noch schlimmer –mir, etwas damit anzutun.“ Mit ruhigen Handbewegungen streiche ich über die zerscharrte Oberfläche der Klinge. „Wir sollten nun zusehen, dass wir von hier verschwinden!“ Ihre Worte kommen hastig hervor. Ich schnappe mir das Schwert und verlasse mit Jora das Haus. Ein letzter Blick in den Vorraum, dann schließt sich die Tür.
 
Es war ja nun schon längere Zeit still, aber untätig war ich in der Zwischenzeit natürlich nicht. Es sind wieder 6-7 Seiten zusammengekommen und ich möchte euch diese natürlich nicht vorenthalten. Der besseren Übersicht wegen werde ich den Text in zwei Posts packen. ;)
Viel Spaß damit... :)

Geblendet von der Sonne schirme ich meine Augen mit der Hand gegen die Strahlen ab. Langsam gewöhne ich mich an das helle Tageslicht und ich beginne Formen zu erkennen. Das Dorf, welches am Vortag von weitem noch einen guten Eindruck machte entpuppt sich bei näherer Betrachtung als wahrlich heruntergekommen. Überall bemerke ich verfallene Gebäude. Eingestürzte Dächer, zerstörte Türen und Fenster, marode Hauswände. Einige der Häuser bestehen gar nur noch aus ihrem Grundgerüst. Skelette der Zivilisation. Auf den schlammigen Straßen sammelt sich der Unrat. Unkraut sprießt aus allen Ritzen und Fugen. Es riecht leicht süßlich nach Verwesung und Tod. Mit steifer Miene nehme ich die Szenerie in mich auf, während ich mich langsam um mich selbst drehe. Ich bemerke wie mich Jora neugierig mustert. Plötzlich fällt mein Blick auf die Tür aus der wir eben getreten waren. Auf ihr ist ein Symbol mit roter Fettkreide gezeichnet. Langsam nähere ich mich dem Symbol um es mir genauer anzuschauen. Zwei stilisierte Adlerklauen welche eine gewundene Schlange tragen in einem Kreis aus seltsamen Symbolen. Dieses Zeichen ist mir völlig fremd. Fragend schaue ich Jora an während ich auf das Symbol deute. Mit einem verneinenden Kopfdrehen bedeutet mir die Frau, dass sie mir nicht erklären kann oder will worum es sich bei diesem Symbol handelt. Ruckartig dreht sie Jora plötzlich um und beginnt in die Richtung zu laufen aus der ich ursprünglich kam. Noch während sie davonläuft ruft sie mir, ohne sich umzudrehen, nach: „Also mein Bester. Pass auf, dass du nicht wieder in solche Gefahr gerätst, denn das nächste Mal werde ich wohl nicht da sein um deinen ***** zu retten. Gehab dich wohl und viel Glück.“ Und mit diesen Worten entschwindet die Frau langsam aus meinem Blickfeld. Allein und verloren stehe ich nun in diesem toten Dorf. Ohne eine Ahnung wohin ich nun gehen könnte beginne ich einfach in die entgegengesetzte Richtung zu laufen in die Jora gegangen ist. Zurück zum Strand? Zurück ins Sichtfeld dieses grausamen Gefängnisses? Zurück in meine schreckliche Vergangenheit? Niemals!
Langsam und mit bedachten Schritten laufe ich zwischen den verfallenen Häusern entlang. Ich bemerke wie der Verwesungsgeruch stärker wird. Nach einigen weiteren Schritten ist der Gestank so stark, dass ich kurz innehalten muss. Tief atme ich ein und aus. Unvermittelt beginne ich zu würgen und zu husten. Als ich meinen Kopf nach rechts drehe erstarre ich vor Angst. Keine 20 Schritt von mir entfernt, zwischen den Häusern türmt sich ein Leichenberg auf. Verwesende Kadaver von Menschen umkreist von Fliegen und überlaufen von Maden halten meinen Blick gefangen. Mit Grauen wende ich mich ab und muss mich übergeben. Der Anblick scheint mir unerträglich. Dennoch kann ich nicht anders als erneut hinzusehen. Diese Leute verotteten nicht einfach nur, teilweise waren sie verbrannt. Man konnte erkennen, dass das Feuer und die Hitze wohl nicht ausgereicht hatten um alle zu verbrennen. Erneut übergebe ich mich. Als ich wieder aufblicke kann ich in dem Leichenberg etwas erkennen das nicht an einen Menschen erinnert. Es ist etwas anderes. Vorsichtig nähere ich mich den Leichen. Mit einem Hemdsärmel, welchen ich mir vor den Mund halte, versuche ich diese verseuchte Luft nicht weiter einzuatmen. Als ich auf zehn Schritte an den Leichenberg herangekommen bin erkenne ich eine lange, verkohlte Schnauze. Mit steigendem Unbehagen nähere ich mich weiter an. Immer genauer kann ich nun erkennen, dass dieses Wesen alles andere als ein Tier oder gar ein Mensch ist. Vergammeltes Fleisch hängt in Fetzen von der Schnauze herunter. Das Maul ist leicht geöffnet sodass ich eine Reihe gelber, spitzer Zähne erkennen kann. Wenn dieses Wesen jemals ein Fell besessen haben sollte so kann man dieses nun nicht mehr ausmachen. Tiefe, leere Augenhöhlen starren mich an und mir scheint als ob sie mich mit unverhohlenem Hass anblicken. Ich ziehe mein Schwert und beginne in dem Schädel herumzustochern. Sollte dies etwa eine dieser Bestien, dieser Heuler sein von denen Jora gesprochen hatte? Sie ähnelten mehr einem großen Hund oder Wolf, als an eine Menschenmordende Kreatur. Angsteinflößend waren sie zwar, zumindest dem Schädel nach zu urteilen, aber sie wirkten nicht gefährlicher als andere Tiere des Waldes. Noch während ich meinen Gedanken nachhänge schnappt mit einem Mal das Maul zu und die Augenhöhlen beginnen leicht aufzuleuchten! Ich höre ein leises knurren und sehe wie sich langsam ein durchsichtiger Faden Speichel aus dem Maul des Heulers ergießt. Mit weit aufgerissenen Augen und von Angst und Grauen gepackt starre ich die Bestie an. Meine Beine sind unfähig einen Schritt zu tun. Mein Herz beginnt wie wild zu schlagen. Es kostet mich unendliche Mühe meinen Körper zu drehen, mich abzuwenden, die Beine in Bewegung zu setzen. Das knurren wird lauter und das leuchten in den Augenhöhlen stärker. Nun gibt es kein Halten mehr. Ich beginne zu rennen! Einfach rennen! Einfach weglaufen! Blindlings stürze ich durch das Dorf. Immer wieder rutsche ich auf dem matschigen Boden aus. Immer wieder stolpere ich gegen Zäune und Häuserwände. Mein einziger Gedanke –Lauf! Ich schaue mich nicht um. Ich renne einfach. In irgendeine Richtung. Stolpere, stürze, raffe mich wieder auf, renne weiter. Meine ganze Umgebung beginnt zu verschwimmen, Geräusche nehme ich nur noch wie durch Watte wahr. Ich denke nicht. Ich handle instinktiv. Ich laufe. Mein Körper gehorcht mir scheinbar nicht mehr. Alles scheint automatisch zu geschehen. Einen Fuß vor den anderen. Ich schreie nicht, ich atme einfach. Es ist als ob die Zeit stillstehen würde. Mir kommt es vor als ob ich mich durch einen zähen Morast kämpfe. Die Beine werden schwerer, die Atmung unsteter und hektischer. Doch ich renne weiter. Ich weiß nicht wie lange ich bereits gelaufen bin, als ich erneut stolpere. Doch statt wieder im schlammigen Morast der Dorfstraße zu landen falle ich in weiches Gras. Mir fehlt die Kraft um erneut aufzustehen. Mit einem stechen in der Brust drehe ich mich auf den Rücken. Schwer und schnell hebt und senkt sich mein Brustkorb. Ich starre in den Himmel. Lausche. Nichts. Ich höre weder ein knurren oder brüllen oder sonst irgendein Geräusch welches an die Bestie erinnert. Nur das leichte pfeifen des Windes, welcher zwischen den Bäumen entlangweht. Unruhig atmend beginne ich mich, auf den Ellenbogen abgestützt, aufzurichten. In einiger Entfernung kann ich Drochsell erkennen. Erneut habe ich den Eindruck, dass das Dorf noch belebt sei. Doch ich weiß nun, dass dort nur noch der Tod lebt. Plötzlich fällt mir wieder ein warum ich so eilig weggerannt bin und beginne mich nervös umzusehen. Ich liege auf einer kleinen Wiese, neben einem Feldweg. Linker Hand von mir erstreckt sich ein kleines Wäldchen. Ohne den Blick von dem Wald abzuwenden taste ich nach meinem Kurzschwert. Alsbald berührt meine Hand das kalte Metall der Klinge. Mit unruhigen Gedanken nehme ich die Waffe und richte mich auf. Angestrengt lausche ich in den Wald hinein. Stille. Wie ein greller Blitz kommt mir plötzlich das Bild dieser hässlich entstellten Bestie für einen Bruchteil wieder in den Sinn. Die Zähne, das knurren, das leuchten in den Augen. Doch hier…hier an diesem Ort, ist alles friedlich. Ich atme tief durch und schließe für einen Moment meine Augen. Garh! Erneut nimmt dieses Wort all meine Gedanken gefangen. Ich muss dieses Garh finden. Mit einem letzten Blick auf Drochsell wende ich mich ab und laufe den Feldweg weiter entlang ohne zu wissen ob es die Richtung ist die ich einschlagen muss.
Mir ist als ob ich seit Stunden unterwegs bin. Die Sonne steht hoch über mir und taucht die Welt in ein grelles Licht. Der Feldweg, welchen ich eingeschlagen habe, führt mich über sanfte Hügel, schmale Bäche und kleine Wäldchen endlich zu einer befestigten Straße. Suchend schaue ich mich um, doch nirgendwo kann ich ein Schild oder sonst einen Wegweiser finden. Ich schaue die Straße hinauf und hinab, doch in beiden Richtungen sieht die Umgebung ähnlich aus. Rechter Hand führt der Weg um eine Kurve scheinbar zurück in die Richtung aus der ich gekommen bin. Linker Hand führt er weiter und verschwindet schließlich am Horizont. Ich entschließe mich diesem Weg zu folgen in der Hoffnung möglichst bald auf Zivilisation zu treffen. Ich halte mich etwas abseits der Straße. Die Bäume am Wegesrand spenden mir einen kühlen Schatten und im Falle einer Gefahr kann ich mich schnell im Unterholz verkriechen. So laufe ich weiter. Minute um Minute. Stunde um Stunde. Nach einer Weile bemerke ich, dass es langsam zu dämmern beginnt. Erneut blicke ich mich um, doch nirgendwo kann ich Anzeichen von Menschen erkennen. Ich schlage mich etwas in den Wald hinein. Nicht weit von der Straße entfernt. Dort zwischen den Bäumen finde ich auch bald eine Windgeschützte Stelle. Ich setze mich auf den Boden und lehne mich gegen einen alten, großen Baum. Mit fester Hand umklammere ich mein Schwert und verschränke die Arme vor meiner Brust, denn es ist mittlerweile empfindlich kalt geworden. Immer wieder nicke ich weg, doch der erhoffte Schlaf bleibt aus.
Mittlerweile ist es finstere Nacht und noch immer döse ich mehr als, dass ich schlafe. Da vernehme ich mit einem Mal ein leises quietschen und knarzen. Aufgeschreckt von den Geräuschen schnelle ich hoch. Langsam laufe ich vor zu der Straße und verstecke mich hinter einem Busch. Das Quietschen und Knarzen wird lauter und ich sehe in einiger Entfernung eine Laterne leuchten. Unruhig schwingt sie hin und her und es wirkt als ob sie von Geisterhand getragen durch die Luft schweben würde. Angestrengt und mich leicht zusammengekniffenen Augen starre ich in die Dunkelheit. Da erkenne ich plötzlich einen Heuwagen, an welchem die Laterne befestigt ist. Gezogen wird der Wagen von einem kräftigen Gaul. Auf dem Kutschbock sehe ich eine Gestalt in dunkler Kleidung. Ich rutsche etwas tiefer hinter Busch, als der Wagen immer näher heranrumpelt. Als er an mir vorbeifährt kann ich den Kutscher etwas genauer erkennen. Seine Kleidung scheint schwarz zu sein. Er verbirgt sein Gesicht unter einer dunklen, ledernen Kapuze. Auch sein Mantel scheint aus Leder zu sein. Für einen einfachen Bauern mutet diese Art von Kleidung sehr seltsam an. Nervös starre ich auf den Mann, als dieser sich plötzlich umdreht und mir für einen kurzen Augenblick direkt in die Augen schaut. Ertappt rutsche ich noch weiter hinter Busch, presse mich auf den Boden und hoffe, dass mich dieser Kerl nicht bemerkt hat. Doch es ist zu spät. Mit einem sanften „Brrrr“ bringt der Kutscher den Karren zum stehen. Behände springt er von dem Bock herunter, greift sich die Laterne und bewegt sich langsam auf mich zu. Fest umklammere ich mein Schwert. Mein ganzer Körper ist angespannt. Mit meinen Augen versuche ich ihm zu folgen. Doch das Licht der Laterne blendet mich, sodass ich nichts erkennen kann. Plötzlich vernehme ich eine rauhe Stimme: „He, du da! Waldschrat. Komm raus aus deinem Gebüsch bevor ich ihn anzünde. Oder hab ich dich gerade beim ******en gestört?“ Er hält die Laterne hoch und leuchtet mich nun direkt an. Ertappt richte ich mich auf. Geblendet von dem Lichtschein wende ich mein Gesicht ab. „Da schau her. Du bist ja gar kein Waldschrat, sondern ein lausiger, verdreckter Kerl. Doch so wie du mir ausschaust und so wie du riechst macht das auch keinen Unterschied.“ bemerkt die Gestalt lakonisch. Von diesen Worten getroffen schaue ich an mir herunter. Dieser Kerl hat Recht. Ich bin ein verdreckter Waldschrat. Erst jetzt bemerke ich das dreckige Hemd, die stark verschmutzte Hose und die schlammigen Stiefel. Außerdem ist der Wams an einigen Stellen eingerissen. „Jetzt schau nicht so belämmert drein. Immerhin hast du da ein schönes Schwert in der Hand. Wenn du es verkaufst kannst du dir bestimmt ein schönes Bad und neue Kleidung leisten.“ und mit diesen Worten deutet er auf mein Kurzschwert, welches ich immer noch gesenkt in der Hand halte. Eine nervöse Stille breitet sich über der Szenerie aus. Leise höre ich das Pferd wiehern. Ich drehe meinen Kopf in Richtung des Gauls. Da höre ich erneut die rauhe Stimme des Kutschers: „Jetzt sei mal nicht so nervös Kerl oder hast du Angst vor Pferden? Und wenn nicht –solltest du sie aber haben. Denn wenn meine Corseptia Angst riecht wird sie ganz wild und frisst dich mit Haut und Haar!“ Erschrocken über diese Worte drehe ich mich wieder dem Mann zu und starre ihn an. Plötzlich senkt er die Laterne, schlägt die Kapuze nach hinten und beginnt lauthals zu lachen. Es ist ein kehliges Lachen. Rauh und durchdringend. „Hah, da hab ich dir wohl einen ordentlichen Schrecken eingejagt, was!? War doch alles nur ein Spaß. Oder glaubst du etwa, dass Pferde Menschenfleisch mögen? Meine Corseptia zumindest nicht…“ Ich schaue in das vernarbte Gesicht eines älteren Mannes. Sein linkes Auge ist stark getrübt. Ein längerer, grauer Bart hängt an seinem Kinn herab und zuckt wenn der Mann redet. Ein Krieger? Ein alter Ritter? Ein Söldner? Mir schwirren unzählige Gedanken durch den Kopf. Was wenn er mich jetzt und auf der Stelle tötet? Hat er überhaupt noch die Kraft dazu? Wer ist dieser alte Mann? Meine Gedanken werden jäh unterbrochen, als das Pferd erneut wiehert. Diesmal jedoch klingt es nervöser und ängstlicher. Das Lachen des Mannes gefriert. Ich bemerke wie er den Körper anspannt und in die Dunkelheit hineinhört. Unruhig beobachte ich den Alten. Dann dreht er sich unvermittelt um und flüstert mir zu: „Hör zu. Wir werden jetzt von hier verschwinden und zwar so schnell wie möglich. Du setzt deinen verlausten ***** jetzt auf den Kutschbock und bist still. Und mach keine Mätzchen. Glaub mir, ich kann dich schneller erledigen als du furzen kannst. Also los jetzt!“ Während der Mann weiter mit der Laterne in die Dunkelheit hineinleuchtet bewege ich mich mit eiligen Schritten auf den Kutschbock zu, steige auf und setze mich. Einen Moment später sitzt auch schon der Alte neben mir, schnappt sich die Zügel und im eiligen Galopp entfernen wir uns von der Stelle. Immer wieder blickt sich der Mann um. Ich tue es ihm gleich, doch ich kann nichts erkennen. Keine Verfolger, keine Heuler…wenn es hier welche geben sollte. Niemand. Nur die Schwärze der Nacht, welche uns im Rücken hängt.
Nach einer Weile verlangsamt der Mann den Ritt des Pferdes und versetzt es in einen sanften Trab. So rollen wir eine ganze Zeitlang schweigend die Straße entlang. Allmählich beginnt es zu grauen und langsam erhebt sich die Sonne für den neuen Tag. Als ich erneut versuche zu schlafen spricht mich der Alte unvermittelt an: „So, jetzt erzählst du dem Onkel Nirvellen erstmal wie du heißt. Und dann erzählst du mir wo du herkommst und wo du hin willst. Alles schön der Reihe nach und denk dran –machst du den Frechen, muss ich die erstechen! Hah, guter Reim, nicht wahr? Hab ich mir ausgedacht. Man hat halt Zeit wenn man, wie ich, oft allein unterwegs ist. Also…wie ist dein Name?“ Erstaunt schaue ich den alten Mann aus großen Augen an. „Na…me?“ ist das einzige was ich hervorbringe. „Ja, dein Name. Du wirst sowas doch wohl haben? Oder wurdest du von Baumwesen großgezogen die vergessen haben dir einen Namen zu geben?“ Wieder lacht der Mann laut und kehlig. Mein Name. Mein Name? Wer bin ich überhaupt? Wie lautet mein Name? Ich versuche mich zu erinnern. Versuche tief in meinen Gedanken zu graben. Doch alles was ich finde ist eine gähnende Leere. Ich weiß nicht mehr wer ich bin. Unruhig beginne ich auf dem Kutschbock hin- und herzurutschen. Suche mich flehend um. Meine Augen blicken nervös hin- und her. Wie als ob mein Name irgendwo in der Luft geschrieben stände beginne ich den Kopf zu drehen. Doch nirgends finde ich einen Namen. Meinen Namen. Panik beginnt sich in mir auszubreiten. Da bemerke ich wie die kräftige Hand Nirvellens auf meinem Brustkorb zum liegen kommt. Trotz ihrer Größe und den Adern welche auf dem Handrücken hervorquellen beruhigt sie mich. Meine Atmung wird flacher und ich entspanne mich wieder. Niedergeschlagen blicke ich auf den Boden zwischen meinen Füßen. Ich habe meinen Namen vergessen…
„Du scheinst mir ja einiges durchgemacht zu haben, wenn du schon so durchdrehst wenn man dich nur nach deinem Namen fragt. Hast ihn wohl vergessen, was? Also gut. Dann lassen wir das eben. Aber du kannst mir doch hoffentlich sagen wo du herkommst oder!?“ Durchdringend schaut mich Nirvellen an. Bilder beginnen sich vor meinem Inneren Auge zu formen. Schreckliche Bilder. Bilder aus einer scheinbar weit zurückliegenden Zeit. Dunkelheit. Stein. Leichen. Tod. Mein altes Leben. Drochsell. Die Heuler. Der Leichenberg. Mit erstarrtem Gesichtsausdruck blicke ich nach vorn. Plötzlich sacke ich in mich zusammen und beginne heftig zu weinen. All der Hass und die Angst beginnen sich zu lösen und verlassen in einem salzigen Meer aus Tränen meine Augen. „Das darf doch nicht wahr sein.“ höre ich erneut Nirvellens Stimme. „Mir ist, dass alles was ich frage zu einer übertriebenen Reaktion deinerseits führt. Also entweder bist du ein Verrückter oder du hast Dinge erlebt und gesehen die jede Seele brechen könnten. So oder so möchte ich nicht mit dir tauschen.“ Es ist als ob er all das nur beiläufig erzählt, denn während er redet blickt der Mann weiter starr nach vorn. Mit verheulten, roten Augen schaue ich ihn an. „Jetzt hör mal zu. Ich kann sowas nicht sehen…solche verheulten Gesichter. Du trinkst jetzt erstmal einen Schluck und beruhigst dich dann wieder. Das ist ja hier schlimmer als auf einem Trauermarsch.“ Und mit diesen Worten greift Nirvellen hinter sich und reicht mir einen Lederschlauch. Gierig öffne ich ihn und nehme einen großen Schluck. Welch ein Fehler! Ich beginne zu husten und mir ist als ob mein Innerstes anfängt zu brennen. Die Flüssigkeit liegt scharf auf meiner Zunge und ich merke wie sie mir langsam den Mundraum etwas betäubt. „Na, so ein kräftiger Schluck Weißer Schnaps kann einen wieder in die rechten Bahnen lenken will ich meinen!“ Verschmitzt schaut mich der Alte an. Während ich noch am husten und prusten bin reiche ich dem Alten den Lederschlauch zurück. Auch er nimmt einen kräftigen Schluck ohne jedoch mit der Wimper zu zucken. Dann legt er den Schlauch wieder hinter sich auf den Wagen.
 
Und hier auch schon der zweite Post an diesem Tag. Viel Text für alle Lesewütigen, aber ich hoffe es wird euch nicht langweilig damit. :)

Wieder wird es still zwischen mir und Nirvellen. Ich beginne schläfrig zu werden. Immer wieder fallen mir die Augen zu. Die Anstrengungen der vergangenen Nacht machen sich mit einem Mal bemerkbar. Langsam sinkt mir der Kopf auf die Brust und ich gleite in einen traumlosen Schlaf hinab. Mir ist als ob ich unzählige Tage geschlafen hätte, als mich Nirvellen unsanft mit dem Ellenbogen in die Rippen stößt und ich langsam erwache. Mehr als ein gemurmeltes „Hmm?“ bekomme ich nicht heraus. Verschlafen reibe ich mir die Augen und langsam beginnen die verschwommen Umrisse vor meinen Augen eine feste Form anzunehmen. In einiger Entfernung kann ich ein altes Gemäuer ausmachen. Ich erkenne einen hohen, steinernen Turm, umgeben von einer hohen Mauer mit eingelassenen Schießscharten. Innerhalb des Mauerrings erkenne ich einige steinerne Hausdächer, welche knapp hervorragen. Wir reiten über einen kleinen Hügel und nähern uns langsam der Mauer. Nun kann ich auch das große Holztor erkennen, welches Nirvellen zielstrebig ansteuert. Mit einem ausdruckslosen Blick dreht er sich zu mir um, mustert mich kurz und sagt dann mit leiser Stimme: „Also…hier endet unsere gemeinsame Reise. Ich werde dich hier jetzt absetzen. Die Nonnen in diesem Kloster werden sich deiner annehmen und dich pflegen. Vielleicht werden sie dich auch von deinem Wahnsinn befreien…wenn es überhaupt sowas wie Wahnsinn ist.“ Bei den letzten Worten schaut er mich mit einer Mischung aus Ratlosigkeit und Bedauern an, dann spricht er weiter: „Ich weiß nicht wie es mit dir weitergehen wird, aber ich denke wir werden uns sobald nicht wiedersehen.“ ‚Nicht wiedersehen‘, mir ist als ob ich diese Worte schon einmal in ähnlicher Weise vernommen hätte. Da fällt mir Jora wieder ein, die etwas Ähnliches sagte als sich unsere Wege trennten. Ich versinke in eine grundlose Niedergeschlagenheit. Mir ist also würde sich alle Welt gegen mich wenden. Natürlich ist es nur eine Einbildung, welcher ich mich hingebe. Natürlich ist mir klar, dass die Personen welche ich bereits getroffen habe mir nicht auf ewig werden helfen können und mit mir den unbekannten Weg teilen den ich gehe. Dennoch verspüre ich eine Schuld. Die Schuld, dass es an mir liegen könnte, dass sie sich von mir abwenden. Während ich meinen finsteren Gedanken nachhänge vernehme ich plötzlich erneut Nirvellens Stimme: „Hör mal…“ beginnt er. „Während du den Schlaf der Gerechten geschlafen und dabei auch noch einen Wald niedergesägt hast, habe ich mir einen Namen für dich ausgedacht.“ Erstaunt schaue ich den alten Mann an. Ein Name? Ein neuer Name? Ich werde wieder wer sein. Vielleicht nicht der Alte wie damals, doch wie mit meinem alten Namen verschwand auch meine alte Vergangenheit in diesem finsteren Verliest welches ich für viele Jahre mein Leben und Sterben nannte. „An deinen leuchtenden Augen kann ich erkennen, dass du ganz nass auf deinen neuen Namen bist, was!?“ Lächelnd schaut mich der Alte an. Dann atmet er einmal tief ein und redet weiter: „Also dein Name…ich habe eine Weile überlegt, aber ich denke dieser könnte ganz gut zu dir passen und ich denke weiterhin, dass er dir wohl gefallen könnte. Also dein neuer Name lautet ab sofort…Andareen. Na, was sagst du dazu?“ Erwartungsvoll schaut mich Nirvellen an. Ich lasse mir diesen neuen Namen, dieses neue Leben durch den Kopf gehen. Andareen. Hat dieser Name eine Bedeutung? Ist er einfach nur ausgedacht? Liegt eine Vergangenheit hinter diesem Namen? Ich versuche ihn mit meinem Mund zu formen und auszusprechen: „An…da…reen“ Als dieses Wort über meine Lippen kommt, bemerke ich wie ein neuer Schwall Lebensenergie zurückzukehren scheint. Immer wieder wiederhole ich den Namen. Immer kräftiger. Immer öfter ohne Unterbrechung. Es ist als ob dieser eine Name alles für mich bedeutet. Mein ganzes Leben erklärt und meine Vergangenheit in die Schatten drängt. Nach einer Weile unterbricht mich Nirvellen mit einem rauhen räuspern. Dann dreht er sich zu mir um und spricht mit vielsagender Stimme: „Weiß du, dieser Name…ist schon recht alt. Es gab eine Zeit da war ich ein Anderer. Einer auf den man nicht unbedingt stolz sein konnte. Aber weiß du…Andareen…es waren andere Zeiten und Kriege können einen Mann verändern. Zumindest traf ich damals auf einen Jungen. Er war ein bisschen wie du. Auch er irrte durch die Wälder. Lebte von der Hand in den Mund. Sein Herz war von Bitterkeit zerfressen. Ich traf ihn nicht etwa in jenen Wäldern in denen er wohl streunte. Ich erwischte ihn nicht beim stehlen. Und ob sein Herz wirklich von Bitterkeit zerfressen war…nun, ich hab es mir damals einfach nur gedacht.“ Der Alte schweigt für einen Moment, schaut in den Himmel und es wirkt als ob er die Wolken um Rat fragen wolle. Dann setzt er seine Erzählung fort. „Jaja, die alten Zeiten. Schlimme Zeiten. Zumindest...diesem Jungen begegnete ich auf dem Schlachtfeld. In Rüstung und mit einem schartigen Schwert stand er im Schlachtengetümmel. Die Augen voller Angst und Zweifel. Blinder Gehorsam und Schmerz mögen ihn wohl angetrieben haben. Vielleicht auch leere Versprechungen. Ich erinnere mich noch wie er auf mich zugestürmt kam. Wollte mir sein ‚Wurstmesser‘ in den Bauch rammen. Wollte mich bluten sehen. Wie ich vorhin erwähnte…ich war in diesem Krieg ein anderer Mann. Brutal und gnadenlos. Mann, Weib oder Kind, es war mir egal. Ich stürmte auf den Jungen zu und rammte ihm meine Lanze in den Leib. Ich sah wie jegliches Leben aus seinen Augen wich. Spürte wie seine Seele aufstieg. Kraftlos sank er vor mich hin. Blutend und sterbend. Und weißt du Andareen –in diesem Moment wurde ich erneut ein Anderer. Es war als ob einer der Höheren auf die Erde herabgekommen wäre, mich berührt und mir alles Böse aus dem Körper gezogen hätte. Ich fiel auf die Knie, ließ die Lanze fallen und hielt meine Hände auf um das Kind in meinen Armen aufzufangen. Traurig und doch mit dem Blick eines Menschen der endlich seinen Frieden gefunden hatte schaute mich der Knabe an. Ich erinnere mich auch heute noch schmerzlich daran, wie er mich daraufhin anlächelte und hauchte ‚Ich…bin Andareen…und…wer bist du?‘ …Tja, ich bin Nirvellen, der Lanzenbastard. Dann sank der Junge tot in meinen Armen zusammen. Voller Trauer ließ er mich allein auf dem Schlachtfeld zurück. Seit diesem Tage habe ich meine Lanze nie wieder gegen einen Menschen erhoben. Ich vergaß die Welt um mich herum, lief von dem Schlachtfeld und verschwand viele Jahre von dieser Welt. Und nun ist das hier mein Leben.“ Er deutet mit einer ausholenden Handbewegung nach hinten auf die Heukutsche. Dann streicht er sich gedankenverloren über eine seiner Narbe, welche sein Gesicht ziert. Plötzlich ein leichtes zucken durch seine Hand. Es ist als ob ihn die Vergangenheit wieder losgelassen hat und er unerwartet wieder in der Gegenwart angekommen ist. Mit tonloser Stimme spricht er weiter: „Erst viele Jahre später habe ich herausgefunden was es mit diesem Name auf sich hat. Er bedeutet soviel wie ‚Der Vergessene‘.“ Und mit diesen Worten endet Nirvellens Geschichte. Traurig schaut er nach vorn und ich erkenne wie eine einzelne Träne seine Wange hinunterläuft. „Du erinnerst mich irgendwie an diesen Jungen. Die traurigen Augen, die Schrecknisse die du wohl erlebt hast, die Bitterkeit in deinem Herzen. Vielleicht auch eine kindliche Unbedarftheit die du dir irgendwo bewahrt hast. All das sehe ich in dir und sah ich damals auch in dem anderen…Andareen. Aber genug dieser alten Geschichte. Sieh, wir sind da.“ Dankend schaue ich Nirvellen an, dann blicke ich nach vorn und bemerke, dass wir das Holztor des Klosters erreicht haben. Mit einem lauten „Brr“ bringt der Alte Corseptia zum stehen. Dann steigen wir beide von dem Kutschbock ab, laufen langsam zu dem großen Tor. Von nahem betrachtet wirkt alles hier etwas verwittert. Efeu und Weinranken laufen die alte Mauern hinauf. Überall erkenne ich Risse in der Wand. An vielen Stellen hat die Witterung bereits das Mauerwerk freigelegt. Das Tor, vor dem wir nun stehen, sieht nur unwesentlich besser aus. Das Holz wirkt schon leicht marode. Die Eisennägel und Beschläge sind bereits stark verrostet. In dem großen Holztor selbst ist ein kleineres Eisengitter eingelassen, welches als Tür fungiert. Es ist mit einem schweren Eisenschloss versperrt. Zielstrebig läuft Nirvellen darauf zu und bedeutet mir, dass ich ihm folgen soll. Als wir vor dem Gitter stehen schlägt der alte Mann mit seiner Faust dreimal kräftig gegen das Holz des Tores. Ich höre wie das Eisenschloss heftig anfängt zu zittern und gegen die Gitter schlägt. Eine Zeitlang passiert nichts. Unverdrossen schaue ich in den Himmel und in die hoch am Himmel stehende Mittagssonne. Es weht ein sanfter Wind. Nicht kalt, aber dennoch erfrischend. Mit einem Mal erscheint eine ältere Frau hinter dem Gitter. Sie trägt eine abgewetzte, braune Kutte. Die Kutte wird von einem derben Seil um ihre Hüfte zusammengehalten. Um ihren Hals hängt eine grobgeschnitzte, hölzerne Perlenkette mit einem kleinen Anhänger dran. Ihre Haare sind kurzgeschoren und man kann leicht das grau der Jahre erkennen. Ihre Augen jedoch strahlen etwas Jugendliches und gleichzeitig Weises aus. Mit einem freundlichen Lächeln blickt sie Nirvellen an. Sanft beginnt sie zu sprechen: „Nirvellen. Wie lange ist das nur her? Sollen wohl schon zwei Winter vergangen sein, als du das letzte Mal hier vorbeigekommen bist? Und doch bist du immer für eine Überraschung gut. Wen hast du denn da als Gast auf deine Reise mitgenommen?“ Freundlich schaut mich die ältere Frau an. Verstohlen blicke ich zu dem alten Mann. Dieser schaut mich lächelnd an. Dann wende ich mich erneut der Frau zu und stottere: „Andareen.“ Bei der Erwähnung des Namens schaut die Nonne sehr wissend zu Nirvellen. Etwas ertappt und leicht errötet wechselt er schnell das Thema. „Ich habe ihn letzte Nacht im Wald aufgegabelt. Wirkte ganz verängstigt und weltfremd der Gute. Außerdem musste ich ihn mitnehmen. Es waren Granteln im Wald unterwegs. Hätte ich ihn nicht eingesackt wäre er jetzt wahrscheinlich ein Baum. Ich wollte ihn in eure Obhut übergeben, da mit scheint, dass er einiges durchgemacht hat und ich denke, dass ich nicht die rechte Person bin um solcherlei ‚Krankheit‘ zu heilen.“ „Du hast wohl daran getan ihn bei uns vorbeizubringen. Wir Schwestern vom Orden der Purpurnen Tosken werden ihn bei uns aufnehmen und gesund pflegen, denn die Höhere Mehlkine hält ihre Hand über ihn…ich spüre es.“ Verwirrt schaue ich die Frau an. „Nun komm. Ich möchte dich hier Willkommen heißen. Hab keine Angst.“ Die Nonne schließt mit einem großen Metallschlüssel das Schloss auf und öffnet das Gitter. Dann streckt sie mir die Hand entgegen und bittet mich herein. Etwas ängstlich schaue ich zu dem alten Mann. Mit einem väterlichen Lächeln blickt er mich an. „Nun, ich sagte doch, dass unsere gemeinsame Reise hier endet. Matinde wird sich gut um dich kümmern. Ich weiß es. Du hast doch gehört was sie sagte ‚Die Höhere Mehlkine hält die Hand über dich‘ und das ist ein gutes Zeichen. Ach ja…das hätten wir ja fast vergessen.“ Eilig dreht sich Nirvellen um und läuft zu der Heukutsche zurück. Dann holt er mein Kurzschwert hervor, kehrt zurück und reicht es in meine Hände. „Ich denke du solltest es nicht vergessen. Wer weiß ob und wann du es mal gebrauchen kannst. Doch solltest du es nie im Zorn erheben, denn sowas bringt nur Unglück. Schau mich an. Also Andareen, ich wünsche dir alles Gute.“ Mit kräftigem Druck packt er meine Schultern und schaut mich dabei lächelnd an. Dann wendet er sich ab, setzt sich auf den Kutschbock und beginnt davonzufahren. Ich schaue ihm nach und in mit regt sich ein Gefühl als ob ich einen alten Freund ziehen lasse. Erneut vernehme ich Matindes sanfte Stimme: „So ist Nirvellen. Er kommt und geht wie es ihm beliebt. Geheimnisvoll, rauh, freundlich und doch ein trauriger Mann. So wollen wir ihn auch in Erinnerung behalten.“ Sie dreht sich um und ruft mir nach: „Es ist Zeit. Die Glocken haben zum Mittag geläutet und ich denke du solltest dich als erstes stärken, denn ein gutes Essen ist der erste Schritt zu einen guten Heilung.“ Ich wende meinen Blick von dem dahinziehenden Nirvellen ab, trete durch das Gittertor, welches sich quietschend hinter mir schließt und folge, ängstlich das Schwert umklammert, Matinde in den Innenhof des Klosters.
 
Servus Freunde der Sonne. Es war nun längere Zeit etwas still um das Projekt, aber es ist noch lange nicht tot. ;)
Ich hab mich letzte Woche mal wieder hingesetzt und ein bisschen was zusammengeschrieben. Der Abschnitt ist diesmal etwas ruhiger, aber ich hoffe, dass er nicht langweilig ist. :)
Auf alle Fälle wünsche ich euch viel Spaß mit dem neuen Textabschnitt und es geht heiter immer weiter...

Langsam laufen wir einen kleinen, steinernen Weg entlang. Links von mir kann ich einige Beete erkennen. Alles scheint zu blühen und Düfte von Kräutern steigen mir in die Nase. Ich bemerke einige Frauen, welche bei den Beeten am harken, jäten und ernten sind. Alle tragen sie die gleiche Kleidung wie Matinde. Zumindest wirkt es auf den ersten Blick so. Als ich etwas näher hinschaue erkenne ich, dass die meisten Frauen längere Haare haben und scheinbar auch keine Kette um den Hals tragen. Als mich eine der Frauen unvermittelt anschaut und dabei lächelt bemerke ich wie meine Wangen erröten und verstohlen blicke ich schnell weg. Matinde ist mir bereits einige Schritte voraus und ich versuche schnell zu ihr aufzuholen. Während wir den Weg weiter entlanggehen blicke ich mich weiter um. Ich kann überall kleinere und größere Häuser erkennen. Die meisten wirken recht alt. Überall sind Risse im Mauerwerk erkennbar. Efeuranken und andere Pflanzen ziehen sich die Mauern entlang und recken sich gen Himmel. Auf den meisten, ehemals roten, Dächern fehlen bereits die ersten Ziegel und man kann das darunterliegende Gebälk erkennen. Außerdem kann ich in einiger Entfernung, am anderen Ende der Mauer zwei Türme ausmachen. Stolz ragen sie in den Himmel und es wirkt als bewachten sie seit Urzeiten dieses Gebiet. Überall auf dem Gelände herrscht ein geschäftiges Treiben. Frauen laufen die ganze Zeit hin und her. Sie tragen Körbe mit Nahrungsmitteln umher. Schleppen Gartengeräte von Beet zu Beet. Einige der Frauen laufen, scheinbar völlig im Gebet versunken über eine große Wiese, welche von dem Weg eingeschlossen wird auf dem Matinde und ich unterwegs sind. Nun bemerke ich auch wohin uns unser Weg führen wird als ich am Ende der Wiese ein großes, langes Gebäude ausmachen kann. Ich sehe viele der Nonnen mit den Körben in den Händen hineingehen und kurze Zeit später mit den leeren Körben wieder rauskommen. Plötzlich bleibt Matinde stehen, dreht sich zu mir um und spricht mit sanfter Stimme: „Andareen, dies ist unser großes Haupthaus. Hier pflegen die Nonnen vom Orden zu speisen. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich werde mich in den ersten Tagen höchstselbst um dich kümmern. Später werde ich dich dann einer der Primaren übergeben. Sie wird sich dann weiter um dich kümmern.“ Vorsichtig nimmt die Nonne meine Hand und geleitet mich zum Haupthaus. Wir durchschreiten eine große doppelflüglige Holztür und betreten einen großen Saal. Erstaunt schaue ich zur Decke denn sie scheint mir unendlich hoch. Sechs große, steinere Säulen tragen das Dach des Gebäudes. Zwischen den Säulen stehen viele Tische und Bänke. Überall zwischen den Tischen eilen weitere Nonnen umher und stellen Teller, Bestecke, Krüge mit Wasser und große dampfende Töpfe auf den Tisch. Zielstrebig eilt Matinde rechts an den Tischreihen vorbei in Richtung Kopfende des Saals. Dort steht ein etwas kleinerer Tisch mit einem Stuhl dahinter. Die Nonne winkt eine der umhereilenden Frauen herbei und flüstert ihr etwas ins Ohr was ich nicht verstehe. Augenblicklich verschwindet die Frau und kommt kurze Zeit später mit einem zweiten Stuhl herbei und stellt ihn neben den anderen an den kleinen Tisch. Matinde bedeutet mir mich zu setzen. Zaghaft lasse ich ihre Hand los, lehne mein Kurzschwert an die Wand und setze mich hin. Ein leichtes Unbehagen überkommt mich als ich die Blicke der Nonnen, die auf mir ruhen, bemerke. Mit gesetzten Schritten sehe ich wie Matinde zu einer Glocke läuft, welche an der linken Seite der Halle hängt. Mit fast feierlichen Handgriffen nimmt sie den Schlegel zur Hand, welcher ebenfalls an der Wand hängt und schlägt einmal kräftig gegen die Glocke. Ein ohrenbetäubendes Dröhnen geht durch die Halle und augenblicklich erstirbt jedes Gespräch in der große Halle. Ich bemerke wie die anwesenden und schon sitzenden Frauen die Köpfe senken. Die Nonnen mit den Tellern, Bestecken und Töpfen scheint eine Unruhe zu erfassen und sie beeilen sich die restlichen Tische zu decken. Als sie damit fertig sind, eilen zwei der Nonnen des Ordens zu der Tür und verschließen sie. Dann setzen sie sich ebenfalls an den Tisch und senken ihre Köpfe. Mit einem Mal setzt eine Stille ein und man meint ein Roßhaar fallen zu hören. Dann ein erneutes dröhnen, als Matinde die Glocke ein zweites Mal anschlägt. Mit einem Mal erklingt ein leises summen im Raum welches langsam anschwellt. Alle Frauen im Saal, mögen es einhundert sein, beginnen wie aus einer Kehle zu summen an. Langsam begibt sich Matinde nun zu ihrem Stuhl. Stolz steht sie hinter dem Tisch, senkt langsam den Kopf und noch während sie die Augen schließt drückt sie mit der einen Hand meinen Kopf ebenfalls sanft nach unten. Völlig vereinnahmt von dieser Situation wehre ich mich nicht dagegen. Ich senke den Kopf und schließe ebenfalls die Augen. Dann beginnt die Nonne leise und sanft im Singsang der anderen Nonnen zu sprechen an: „Mehlkine, du die Höhere. Mehlkine, du die Sanfte. Mehlkine, Kind der Erden. Mehlkine, Tochter des Himmels. Ich folge deinem Weg. Ich lebe dein Schicksal. Ich lasse mich von dir leiten. Ich werde durch deine Hand gerichtet. So wie du einst gelebt, im Kreise von Korna, deinem Bruder, der Höhere des Himmels und Jollun, deinem Bruder, der Höhere der Erde, so wollen auch wir leben. Wie nehmen die Speisen dankbar an welche aus Jolluns Reich kommen, gewachsen durch die Kraft von Kornas Reich und ehren dich damit, Mehlkine, Höhere der Natur. Wir danken dir für diese Speisen und weilen in dieser Zeit im Kreise deiner Brüder und dir. Matinde bilis Mehlkine.“
Kaum hat Matinde mit ihrem Gebet geendet erschallt plötzlich ein vielstimmiger Chor aus vielen Kehlen. „Tosken bilis Mehlkine“. Ich hebe den Kopf und bemerke, dass alle Ordensschwestern den Kopf gen Saaldecke gereckt haben und erneut rufen sie „Tosken bilis Mehlkine“. Dann beginnen einige der Schwestern die Deckel der Töpfe anzuheben und...

„Was machst du da Andareen?“ Wie aus einem Traum gerissen wende ich mich von meinem Pergament ab und drehe mich um. Ich blicke in das freundliche Gesicht von Jorlande. Die Primare steht hinter mir und schaut mich mit einem Ausdruck von Verwunderung und Freude an. Langsam lasse ich die Feder auf das Blatt Papier gleiten. „Ich...ich schreibe gerade an meiner Geschichte. An der Geschichte wie ich hier herkam und...all dem was davor geschehen war.“ Ohne ein weiteres Wort schiebt Jorlande die Feder zur Seite und blickt voller Interesse auf das Pergament. Es ist bedächtig still in der großen Bibliothek. Einige Schritte hinter mir hört man leise ein Feuer im Kamin knistern. Auf den unzähligen Tischen im Raum brennen einzelne Kerzen in den Ständern. Überall liegen Bücher auf den Tischen und auf dem Boden. Die Wände der Halle sind allesamt mit Bücherregalen gesäumt. Unruhig flackern die Schatten und Schemen der anwesenden Schreiberinnen im rötlichen Kerzenschein und tauchen die Szenerie der Bibliothek in eine mystische Aura. Unvermittelt beginnt Jorlande zu sprechen an und es wirkt als spräche sie mehr zu dem Blatt Papier, welches auf dem Tisch liegt als zu mir: „Ach, Andareen...es tut dir nicht gut wenn du immer wieder in deine Vergangenheit zurückblickst. Du bist nun schon seit zwei Jaarden bei uns und immer wieder schaust du zurück und schreibst an dieser albernen Geschichte weiter.“ Resigniert schaue ich auf den Kerzenständer welcher vor mir steht und sage leise: „Es hilft mir aber mit diesem grausamen Kapitel abzuschließen und ich denke wenn man die Vergangenheit klar sieht und sich seiner entsinnt kann man die Zukunft zu seinem eigenen Wohle gestalten.“ Ohne darauf zu antworten dreht sich die Primare von mir weg und schaut in das prasselnde Kaminfeuer. Mit fast flüsternder Stimme setzt sie erneut an: „Du solltest dich nicht zu sehr davon vereinnahmen lassen Andareen. Nun denn, wie auch immer...es ist übrigens schon kurz vor Mitternacht und es wird Zeit für das letzte Gebet des Tages. Komm.“ Mit steifen Knochen erhebe ich mich von dem alten Holzstuhl. Mühsam strecke ich mich und höre wie meine Knochen leise knacken. Langsam begebe ich mich mit Jorlande nach draußen. Vorbei an den Schreiberinnen welche tief gebeugt über den Büchern hängen und diese mit Pergament und Feder kopieren.
Als wir nach draußen treten atme ich tief ein. Gegenüber der muffigen Luft in der Bibliothk ist die kalte Herbstluft eine reine Wohltat. Meine trüben Sinne klaren auf. Ich schaue in den Nachthimmel und sehe wie die Sterne friedlich leuchten. Mit gesetzten Schritten begebe ich mich mit der Primare zur Gebetshalle des Klosters. Wie oft ich diese Halle in den letzten zwei Jaarden betreten habe. Wie oft ich in den letzten zwei Jaarden hier zu Mehlkine gebetet habe. Wie oft ich in den letzten zwei Jaarden hier in stillem Schweigen auf dem Steinboden kniete. Kurz vor dem betreten der Halle legen Jorlande und ich die Hände vor die Brust. Am Eingang steht schon eine der Salberinnen mit der Wasserkelle bereit. Langsam nähern wir uns und als wir vor ihr stehen senken wir unsere Häupter. Die Salberin taucht die Kelle in eine Schüssel klaren Wassers und übergießt vorsichtig unsere Brust mit dem kalten Wasser. Dann spricht sie die heiligen Worte der Mehlkine: „Bilis Mehlkine tu dere Ganden“ - „Danke Mehlkine für deine Gnade.“ dann betreten wir die Halle. Innerhalb des Gemäuers ist sehr behaglich. Überall an den kahlen Wänden stehen hohe Kerzenleuchter. Auf jedem der Leuchter brennen drei Kerzen...nicht mehr und nicht weniger. Matinde, die Oberin erklärte mir einmal, dass diese Kerzen, diese drei Kerzen, die Einigkeit der drei Geschwister darstellt. Mehlkine, Jollun und Korna. Die Höhere der Natur, der Höhere der Erde und der Höhere des Himmels. Zu Ehren der Drei steht in der Mitte der Halle ein großer ringförmiger Erdwall. Innerhalb des Ringes brennt ein helles Feuer. Ich erkenne die Flämmnerinnen, die immer wieder Holz und Kräuter in das Feuer werfen, auf das das Feuer niemals erlösche. Langsam umkreisen die Primare und ich das Feuer. Dreimal. Dann begeben wir uns zu zwei der Gebetsnischen an der Seite der Gebetshalle. In jeder der Nischen steht ein kleines Pflanzengedeck und kleine Räucherstäbchen verströmen den sanften Geruch des Waldes. Ohne ein weiteres Wort wendet sich Jorlande ab und betritt die linke der beiden Kammern. Bevor ich mich selbst niederknie blicke ich noch einmal in die Halle. Ich kann nur wenige Personen ausmachen. Außer uns und den Flämmnerninnen sind ein paar vereinzelte Nonnen hier, welche ebenfalls zum letzten Gebet des Tages erschienen sind. Ich drehe mich wieder um und wende mich der Wand hinter dem Pflanzengedeck zu. Dann lasse ich mich langsam auf die Knie nieder, schließe die Augen, atme tief ein und beginne mit meinem Gebet.
Bei jedem meiner Gebete fühlt es sich immer so an als ob die Zeit mit einem Mal gefriert oder sich nur noch zähflüssig dahinbewegt. So ist es auch dieses Mal. Ich spüre wie sich mein Körper mit dem Rauch der Räucherstäbchen verbindet. Langsam werden sie eins. Es ist als ob ich, mein gesamtes Denken, mein ganzer Körper, alles was ich bin und alles um mich herum zu Nebel und Rauch wird. Mir ist als ob ich leise Mehlkines Stimme vernehme, welche mir tröstende und mahnende Worte ins Ohr flüstert. So sitze ich in der Gebetsnische und huldige der Höheren der Natur. Trostsuchend in Mehlkines Armen. Nach schier unendlicher Zeit spüre ich plötzlich eine Hand, welche sanft meine Schulter berührt. Wie in Trance öffne ich die Augen und drehe meinen Kopf. Ich blicke in das entspannte Gesicht von Jorlande. Ein rötlich-leuchtender Halo, durch das Feuer im Ring, umrahmt ihr braunes, langes Haar und ihre braunen Augen leuchten als hätten sie die Schönheit der Welt gesehen. Sie scheint voll und ganz mit sich im Reinen zu sein. Ich spüre wie Neid in mir aufsteigt, da ich weiß, dass ich von diesem Ziel noch weit entfernt bin. Zwei Jaarden bei den Tosken und dennoch lässt mich das Leben in meinem Gefängnis, meinem Sarg nicht los. Langsam stehe ich auf und verlasse mit der Primare die Gebetshalle. Schweigend laufen wir den Kiesweg entlang zum Wohnbereich des Klosters. Der Mond steht hell am Himmel und scheint uns den Weg zu weisen. Bevor wir den Bereich mit den Kammern betreten bleibe ich stehen, schaue zu Boden und sage leise: „Jorlande...werde ich jemals die Schrecknisse meines alten Lebens vergessen? Werde ich irgendwann -genau wie du, mit mir im Reinen sein können? Oder ist es eine Prüfung die mir auferlegt wurde um meinen Willen zu prüfen? Sag Primare, wird irgendwann einmal alles einen guten Weg finden und werde ich je zu mir selbst finden?“ Die Primare bleibt stehen. Ohne sich zu mir umzudrehen sagt Jorlande in einem tröstenden Tonfall: „Deine Vergangenheit wirst du niemals ablegen oder vergessen können Andareen. Die Grausamkeiten werden bis an dein Lebensende dunkle Stellen in deinen Gedanken und deinem Herzen einnehmen. Und dennoch...du wirst lernen damit zu leben. Und das ist deine Prüfung. Die Prüfung welche dir auferlegt wurde. Das Schicksal mag man nicht ändern können, doch ist es einem immer gegeben die Richtung, und wenn auch nur ein klein wenig, zu ändern. Ob zum Guten oder zum Schlechten liegt an jedem selbst. Dir mögen diese Worte vielleicht nicht viel Trost spenden und doch weiß ich, dass du sie verstehst und sie richtig zu deuten weißt. Das Ende kennt keiner von uns. Und wer weiß...vielleicht steckt in dieser Vergangenheit eine große Zukunft.“ Ohne ein weiteres Wort betritt die Primare den Wohnbereich. Etwas niedergeschlagen und dennoch beruhigt betrete ich ebenfalls das Gebäude. In den Fluren ist es still. Jorlande ist bereits in ihrer Kammer und so stehe ich allein in dem großen Gebäude. Einsam brennen hier und da ein paar Kerzen in den Mauernischen. Leise laufe ich den rechten Flur entlang bis ich zu einer Treppe gelange, welche ich hinaufgehe. Oben angekommen wende ich mich nach links und bereits nach kurzer Zeit stehe ich vor einer alten, hölzernen Tür. Eine Tür welche sich nur unwesentlich von den anderen Türen im Wohnbereich unterscheidet. Vorsichtig drücke ich die Klinke nach unten und betrete meine Kammer. Fahl scheint der Mond durch das kleine Fenster. Ich gehe zu dem Tisch, welcher sich unter dem Fenster befindet und entzünde die Kerze. Die Dunkelheit in dem Raum wird vertrieben und macht einem orangefarbenen, warmen Licht Platz. Die Kammer ist karg eingerichtet. Bis auf ein Bett, einem Stuhl, einem Tisch und einem kleinen Schrank befindet sich nichts weiter in der Kammer. Am Fußende meines Bettes steht das Kurzschwert. Jenes Kurzschwert welches mir die Flucht ermöglichte. Die Waffe welche ich seit über zwei Jaarden besitze und doch nie wirklich benutzt habe. Stumm steht die Waffe am Bett. Trotz seiner vielleicht schändlichen Vergangenheit hat es immer etwas beruhigendes wenn ich es ansehe. Vorsichtig nehme ich das Schwert in die Hand und setze mich auf die Bettkante. Zögerlich und langsam streiche ich mit meiner Hand über die schartige Klinge. Ich weiß nicht warum ich das tue, aber tief in mir spüre ich eine unendliche Ruhe...jedesmal wenn ich die Klinge berühre. Mit einem tiefen Seufzer stelle ich es wieder ans Ende des Bettes. Dann entkleide ich mich und lege mich nieder. Mein letzter Gedanke ist die Hoffnung auf einen neuen und vergessensreichen Tag. Einem Tag der mich weiter von meinem alten Leben fortträgt. Ich schließe die Augen und bald schon bin ich eingeschlafen.
 
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Nach langer Zeit geht es endlich mal weiter. :)
Der Absatz ist nicht so lang, aber ich wollte ihn euch nicht vorenthalten. Viel Spaß beim lesen. ;)

Eine lange, gewundene und morsche Holztreppe schlängelt sich wie eine riesige Schlange um eine uralte moosbewachsene Säule. Unendlich tief führt sie in die Tiefe und verschwindet in einer geheimnisvollen Schwärze. Langsam steige ich die Treppe hinab, ohne zu wissen was mich dort in der Dunkelheit erwarten wird. Ich höre und spüre einen leichten Windhauch der von unten hinaufsteigt und mir eisig durch die Kleider fährt. Immer weiter steige ich hinab. Langsam hüllt mich die Schwärze ein. Es wir immer schwerer etwas zu erkennen. Mir ist als ob ich bereits eine Ewigkeit diese Treppe hinabsteige, als ich mit einem Mal bemerke, dass der stetige Luftstrom aus der Tiefe aufgehört hat. Abrupt bleibe ich stehen und lausche in die Schwärze hinein. Erst höre ich nichts, doch dann kann ich plötzlich ein Geräusch vernehmen. Erst undeutlich und nicht näher beschreibbar. Langsam und mit unsicheren Schritten steige ich weiter hinab. Das undeutliche Geräusch scheint mit jeder Treppenstufe erkennbarer zu werden und dann...? Ein Wispern? Ein Wimmern? Ja, es hört sich so an als ob in der Tiefe jemand weinen würde. Ich spüre wie mein Herz heftig beginnt zu schlagen. Eine unbändige Nervosität beginnt meinen Körper zu überfluten und meine Hände beginnen zu zittern. Jeder weitere Schritt bedeutet eine unendliche Willensqual. Doch ich kann einfach nicht stoppen. Irgendetwas in mir treibt mich weiter voran. Treibt mich bis an den Fuße der Treppe.
Eine pechschwarze Dunkelheit umfließt mich, als ich meinen Fuß von der letzten Treppenstufe und den steinigen Boden setze. Das Wimmern ist nun sehr nah. Angestrengt spähe ich in die Finsternis, doch kann nichts erkennen. Mit vorsichtigen Schritten und in die Schwärze lauschend taste ich mich langsam in den Raum hinein. Und völlig unvermittelt, völlig überraschend, wie in einem bösen Scherz durchfährt ein greller Blitz den Raum. Geblendet von dieser plötzlichen Helligkeit schließe ich die Augen und wende mich ab. Bunte Lichtpunkte tanzen vor meinem inneren Auge einen wilden Tanz. Nach einer Weile hebe ich langsam den Kopf und öffne meine Augen. Doch sowie ich sie öffne überkommt mich bares Erstaunen. Ich stehe in einer riesigen Bibliothek. Unzählige, alte Holzregale, nehmen mein komplettes Sichtfeld ein. In ihrer Breite und Höhe bilden sie eine scheinbar unendliche Wand, welche sich vor mir auftürmt. In jedem dieser Regale stehen, liegen und stapeln sich abertausende von Büchern. Erst jetzt bemerke ich, dass das Licht, welches den Raum erhellt von keiner Fackel kommt. Es ist als ob das Licht einfach...da wäre. Aus dem Nichts entstanden und dort geblieben. Ehrfürchtig nehme ich die gesamte Szenerie in mich auf. Nie in meinem Leben sah ich soviel Wissen, gesammelt an einem Ort, vor mir aufgetürmt. Farbenprächtige Folianten stehen in trauter Zweisamkeit neben alten Enzyklopädien. Ledergebundene Gesangsbücher schmiegen sich an verstaubte Stapel voller Gelehrtenschriften. Bücher, scheinbar voll mit magischen Sprüchen, stehen neben Erzählungen aus dem Reich der Fabeln und Märchen. Erst jetzt, in dieser atemlosen Atmosphäre, bemerke ich, dass das Wimmern aufgehört hat. Eine beruhigende Stille umgibt die Regale. Ich spüre wie mein Herz wieder ruhiger schlägt und sich die Nervosität legt.
Mit bedächtigen Schritten nähere ich mich eines der Regale. Ein Buch mit einem blauen Einband, roten Verzierungen und einer golden schimmernden Schrift hält meinen Blick gefangen. Meine Schritte werden merklich schneller. Ich strecke meine Hand aus um das Buch zu erreichen und da geschieht es...plötzlich beginnt der Raum zu flirren. Es wird mit einem Mal sehr warm. Ein Hitzeflimmern steigt aus den alten Bücherregalen auf und wie durch Zauberhand fangen sämtliche Bücher und Regale Feuer. Raumhohe Flammen schlagen mir entgegen. Es ist grausam heiß. Vor Schmerz und vom hellen Schein geblendet halte ich die Hand vor meine Augen. Ich versuche unter großer Anstrengung in das Feuer hineinzuschauen um zu sehen wie es um das merkwürdige Buch bestellt ist, welches mich so magisch angezogen hat. Voller Erstaunen erkenne ich, dass das Feuer um den Folianten herum brennt. Es wirkt völlig unversehrt in dieser lodernden Hölle. Und obwohl die Hitze mir fast den Atem raubt gehe ich näher an das Regal. Ich merke wie sämtliche Feuchtigkeit aus meinem Körper gezogen wird. Mein Blut pulsiert und droht meine Haut zu zerfetzen. Doch ich kann nicht anders als weiterzugehen und mich diesem einen Buch zu nähern. Ich strecke die Hand aus und augenblicklich verbrennt meine Haut. Fleischfetzen fallen mir von den Knochen und verbrennen in den Flammen. Der Schmerz ist schier unerträglich und ich schreie wie von Sinnen auf. Und als ob dieser Schrei einen neuen Wahnsinn freigesetzt hätte erstirbt das Feuer schlagartig. Der Raum mit den Bücherregalen beginnt sich vor meinen Augen in eine scheinbar unendliche Tiefe zu dehnen. Das Buch entgleitet mit rasender Geschwindigkeit meinen Augen und verschwindet in der immer länger werdenden Tiefe des Raums. Ein ohrenbetäubendes Rauschen und Kreischen dröhnt aus der Tiefe und etwas beginnt an mir zu zerren und zu reißen. Eine unsichtbare Macht versucht mich mit aller Gewalt in die diese Tiefe zu ziehen. Mir ist als ob sämtliche Kraft von mir weicht und ich kann nicht anders als es mit mir geschehen zu lassen und mich ruckartig mitziehen zu lassen. Immer schneller werde ich herangezogen. Die Bücherregale verschwimmen zu surrealen Objekten und rasen an mir vorbei. Immer schneller. Immer absurder. Immer albtraumhafter. Alles beginnt sich vor, hinter und neben mir zu drehen. Das kreischen und rauschen droht mir mein Hirn zu zerreißen. Erneut stoße ich einen Schrei vor unmenschlichen Schmerzen aus und erneut nimmt dieser Wahnsinn eine neue Form an. Abrupt stoppe ich. Sämtliche Regale, sowie alle Bücher sind plötzlich verschwunden. Ich stehe im Nichts, direkt vor einem Podest auf welchem das Buch mit dem blauen Einband ruht. Stille. Süße, beruhigende Stille. Das Buch ist aufgeschlagen und aus seinen Seiten strömt ein gleichmäßiger Glanz und ein leichtes schimmern und pulsieren umspielt den gesamten Folianten. Ich beuge mich, die Luft anhaltend, über die Seiten und beginne zu lesen:
„In tinden Traves schantee we noht Ostan, tuz din Gebaar vor Ekeelen... In tiefer...Trauer schauen wir nach...Osten, zu den...zu den Gebirgen von Ekeelen. Der Fall...des Turms von...von... Lorandrell überschüttete das Land mit Grauen und dem Tod. Dunkelheit...stieg auf und das...das Licht des Heiligtums erlosch. Der weiße Saal. Die große Bibliothek. Das Astrolarium. Die Kammern von Garh. Alles ist zerstört und auf ewig ins Dunkel...gehüllt. Doch welche Macht ist dazu imstande gewesen? Dieses Wissen ist schon längst vergessen. Wie der Wind, welcher über den Sand weht und die Körner in alle Himmelsrichtungen verstreut, so verwehte die Zeit das Wissen in alle Richtungen, bis Lorandrell in Vergessenheit geriet. Lorandrell, das Sanktuarium der Weißen Heldin. Garh, die Bruderburg. Beide gefallen, zerstört und aus dem Gedächtnis der Welt gelöscht. Doch ich werde sie finden. Werde das Sanktuarium aus seinem Schlaf reißen und die Weiße Heldin erneut über die Welt schicken um das Dunkle und Böse vom Antlitz des Bodens zu tilgen. Noch stehe ich weit am Anfang. Vergessen mein Name. Vergessen meine Herkunft. Vergessen meine Vergangenheit. Verworren meine Träume. Doch ist da ein Gefühl. Ein Gefühl, dass ich etwas weiß. Eine Ahnung, welche Lorandrell vielleicht retten kann. Ich werde so schnell wie möglich aufbrechen. Mich auf den Weg machen in Richtung Osten. Ich muss den verlorenen Pfad finden. Den Hinweisen folgen und irgendwann...irgendwann werde ich vor den Toren Garhs stehen. Mit den Worten des Prosecure Magita Tomasin endet die Geschichte hier:

So das Mondlicht Berge küsst,
In weite Ferne reisen müsst.
Dem Strahle folgend in die Nacht,
Dem Pfade folgen mit Bedacht.
Das Buch Mentoren hält das Wissen.
In Seiten wenig und verblichen.
Der Hinweis und der Rätsel wird gedacht,
Um zu finden Lorandrells Macht.
Der letzte Blick euch führt von Buch zu Berg,
dem Mondlicht folgend zu Zeraks Werk.

Geschrieben in der Zeit Dornkaan im Monas Aktras, im Jaard 32 des Herrschers Provent
Der Vergessene, Andareen“

Mit großen Erstaunen wende ich meinen Blick von den Seiten ab. Andareen? Soll ich das etwas geschrieben haben? Soll ich dieser Andareen sein? Das kann nicht sein. Mit einem Ausdruck von Bestürzung und Verwunderung drehe ich von dem Podest weg. Was für ein wirres Spiel treibt mein Geist hier? Ich kann diese Seiten niemals verfasst haben. Ich müsste mich daran erinnern. Ist dies ein erneuter Wahnsinn der mich hier befällt? Doch noch ehe ich weiter darüber nachdenken kann schleicht sich ein neuer Gedanke in mein Hirn: „Das Buch Mentoren...“ Es ist nur dieser kleine Gedanke. Was ist dieses Buch? Wo kann ich es finden? Noch bevor ich überhaupt einen weiteren Gedanken fassen kann bemerke ich wie das Podest mitsamt dem Buch langsam verschwimmt. Es wird immer durchsichtiger und schon einen Augenblick später ist von dem Podest und diesem seltsamen Buch nichts mehr zu sehen. Ich stehe nun in völliger Dunkelheit. Eine endlose Schwärze umgibt mich. Plötzlich vernehme ich ein leises knacken und knirschen. Als ich nach unten schaue kann ich erkennen wie sich haarfeine Risse und meinen Füßen entlangziehen. Langsam aber stetig werden sie größer. Hastig trete ich einen Schritt zurück, doch die Risse breiten sich weiter aus. Mittlerweile durchziehen sie eine vier Schritt große Fläche. Ich versuche weiter zurückzuweichen als ich mit einem Mal einen Widerstand im Rücken spüre. Hektisch drehe ich mich um, doch kann nichts als ein finsteres Schwarz erkennen. Langsam strecke ich meine Hand aus und berühre die Dunkelheit. Sie ist wie eine Wand. Kühl und vollkommen eben. Ich klopfe dagegen, doch muss zu meinem Entsetzen feststellen, dass ich durch diese Wand nicht hindurchkommen werde. Panisch laufe ich an der „Wand“ entlang in der Hoffnung irgendwo einen Spalt auszumachen, durch welchen ich vielleicht durchschlüpfen könnte. Die Risse überdecken mittlerweile den gesamten Boden. Ein weißes Licht strömt durch die Spalten und durchflutet den Raum. Ich werde immer hektischer und panischer in meinen Bewegungen, doch bald lasse ich mich resigniert zu Boden sinken. Es gibt kein Entkommen aus dieser Dunkelheit, aus diesem Raum. In der Mitte beginnt langsam der Boden wegzubrechen. Ruckartig stehe ich wieder auf und presse mich an die Wand. Ich weiß, dass es ein hoffnungsloses Unterfangen ist und ich in die Tiefe stürzen werde. Mittlerweile stehe ich nur noch auf einem schmalen Sims. Unter mir breitet sich ein grelles, weißes Licht aus. Es schmerzt in meinen Augen wenn ich hineinsehe. Ich drehe den Kopf weg und ich weiß, dass ich jeden Augenblick hineinstürzen werde. Der Sims unter mir beginnt zu knacken. Licht steigt nach oben und ich beginne zu fallen. Falle in das weiße Licht. Falle. Falle unendlich tief. Die Zeit scheint stillzustehen. Falle ich wirklich? In diesem Licht verschwimmen Realität, Zeit und Träume. Mir ist als ob meine Gedanken, Sehnsüchte, meine Seele aus meinem Körper gezogen werden und dann...wache ich auf.
Ich liege neben meinem Bett. Es ist noch recht dunkel in meiner Kammer. Nervös rapple ich mich auf und blicke in Richtung Fenster. Ich kann erkennen, dass der neue Tag bereits beginnt zu grauen.
 
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Wenn ich so auf das Datum schaue kann ich erkennen, dass ich schon lange nichts mehr in diesem Thread gepostet habe. :)
Um es mal kurz zu erklären: Ich schreibe an dieser Geschichte eigentlich nur weiter, wenn ich aus beruflichen Gründen mal wieder unterwegs bin. Darum kommen die Texte sehr unregelmäßig und in unterschiedlich großer "Fülle". ;)
Ich werde mich aber nun wahrscheinlich mal dazu durchringen auch an anderen Tagen, in denen ich nicht unterwegs bin, weiterzuschreiben, damit es mal vorangeht. ^^
Nichtdestotrotz hab ich aber mal wieder zwei Seiten für alle Lesehungrigen, die wissen wollen wie es mit Andareen weitergeht. Ich hoffe die Texte erfolgen nun etwas regelmäßiger...wenn ich mich aus der Faulheit aufraffen kann. :D

Viel Spaß mit den nächsten zwei Seiten...

Ein dumpfes dröhnen dringt durch meine Schädeldecke. Meine Augen schmerzen. Langsam versuche ich aufzustehen. Meine Knie fühlen sich sehr schwach an. Es kostet mich einiges an Mühe bis ich endlich stehe. Ein schmerzverzerrtes stöhnen entfährt meinem Mund und ich verkrampfe leicht. „Das Buch Mentoren...“ kommt es mir plötzlich in den Sinn. Augenblicklich scheint es als ob alles Schwache von mir hinweggefegt wird. Ich eile aus meiner Kammer. Zwei Stufen auf einmal nehmend eile ich durch das Wohngebäude. Ohne auch nur einmal nach links und rechts zu schauen renne ich mehr als ich laufe in Richtung Bibliotheksgebäude. Dabei renne ich fast zwei der Nonnen um welche meinen Weg kreuzen. Mir entfleucht ein hastiges „Entschuldigung“ über die Lippen während ich weitereile. Bald schon kann ich das altehrwürdige Gebäude erkennen in welchem ich schon soviele Stunden verbracht habe. Ich blicke kurz in den Himmel. Mittlerweile ist es recht hell und ich kann im Osten die Sonne erkennen. Für mich bedeutet dies, dass die Bibliothekarinnen ihre Arbeit bereits aufgenommen haben. Kurze Zeit später stehe ich vor einem großen doppelflügeligen Tor. Ich wende mich nach rechts zu einem kleinen, unscheinbaren Seiteneingang. Die Tür ist arg verwittert und die Eisenstäbe, welche das kleine Sichtfenster bedecken, sind stark verrostet. Etwas außer Atem klopfe ich an die Tür. Einige Zeit passiert nichts. Gerade als ich erneut zu einem klopfen anhebe erscheint ein gestrenges Gesicht hinter den Gittern. Schwester Graniro blickt aus trüben Augen auf mich herab. Ich höre wie sie geräuschvoll die Luft durch die Nase einatmet. Dann vernehme ich ihre strenge, monotone und uralte Stimme: „Es kommt mir vor als ob du immer früher vor unserer Tür stehst Andareen. Du bist ein sehr unruhiger Geist will mir scheinen. Willst du weiter an deiner kleinen 'Geschichte' schreiben?“ „Verzeiht Bibliothekarin Graniro, dass ich bereits zu so früher Stunde hier erscheine, aber es geht um eine wichtige Angelegenheit.“ „Eine wichtige Angelegenheit...soso...die Frage ist nur ob sie auch wichtig genug für mich ist, denn momentan steht mir nicht der Sinn nach deiner hektischen Gesellschaft.“ „Habt ihr schon einmal von dem Buch Mentoren gehört Schwester Graniro?“ Ich bemerke wie sich das Gesicht der alten Frau etwas ins Dunkel der Bibliothek zurückzieht. Es vergeht eine gefühlte Ewigkeit als Graniro erneut ihre Stimme erhebt: „Das Buch Mentoren? Woher...Woher weißt du davon? Dieses Buch...nun...ich denke die Angelegenheit scheint nun doch auch für mich wichtig geworden zu sein. Schnell tritt ein Andareen.“ Ich höre wie die Bibliothekarin nervös an einem Schlüsselbund herumnestelt. Kurze Zeit später öffnet sich knarzend die alte Tür vor mir und ich betrete das alte Gemäuer. „Schnell jetzt! Folge mir in mein Auditorium. Wir haben ein paar Dinge zu besprechen.“ Ohne ein weiteres Wort dreht sich Graniro um und läuft davon. Ich komme nicht dazu ein weiteres Wort zu sagen, also entschließe ich mich ihr nachzulaufen. Wir eilen an einigen hohen Regalen vorbei. Allesamt sind sie vollgestopft mit alten, uralten und unzählige Zeiten überdauerten Büchern. Ich bemerke den leichten Schimmelgeruch in meiner Nase. Ein wohliger Schauer durchläuft mich, doch bleibt mir nur wenig Zeit den Geruch intensiver in mich aufzunehmen, denn ich erkenne wie die alte Frau in einer Seitentür verschwindet. Schnell laufe ich ihr nach und stehe plötzlich in einem hellerleuchteten Raum. Im Gegensatz zu dem vorhergehenden, dunklen Gang mit den unzähligen Regalreihen wirkt dieser Raum schon fast leer. Ich erkenne einen kleinen unverzierten Holztisch. Auf diesem liegen einige Pergamente, eine Schreibfeder und ein kleines Tintenfässchen. Die Holzmaserung des Tisches deutet darauf hin, dass er schon recht alt ist und wohl schon unzählige Bücher getragen hat. Hinter dem Tisch kann ich einen einfachen Stuhl ausmachen. Umrahmt wird die ganze Szenerie von einem großen Fenster. Ein helles Licht durchflutet den Raum und taucht scheinbar alles in eine heilige Aura. Links an der Wand steht ein kleines Regal. Ich nähere mich dem Regal und blicke voller Erstaunen auf die Einbände der Bücher, welche darin gesammelt sind. Ich lese Buchtitel von Büchern von denen man im besten Fall nur eine Ahnung hatte. „Die Schlachtung des Dämons“ von Fermen Mantell; „Die gehäutete Königin“ von Hennin Geraus; „Götter: Ein Irrglaube oder Wie der wissenschaftliche Geist den spirituellen Habenichts vernichtete“ von Daklyos Waag; „Eine Sammlung dunkler Schriften und Pamphlete: Band II“ von Logain Pirk und noch unzählige mehr. Alles Bücher und Werke welche entweder verboten sind, vernichtet worden oder von denen es nur Legenden gab. Verwundert und erstaunt drehe ich mich zu Graniro um. Die Alte hat mittlerweile an dem Tisch Platz genommen und scheint in ihre Pergamente vertieft. Sie scheint mich nicht zu bemerken als ich sie, wie ein kleines Kind, anstarre. Ich wende mich von dem faszinierenden Bücherregal ab und trete an den Tisch.
Schweigsam vergehen die Minuten. Endlos scheint sich die Stille hinzuziehen. Nervös trete ich von einem Fuß auf den anderen. Die Bibliothekarin macht keine Anstalten meine Nervosität zu verbessern, sondern stöbert weiter seelenruhig in ihren Pergamenten. Ich beginne durch den Raum zu laufen. Dabei komme ich an dem großen Fenster vorbei. Vor Langeweile und Nervosität getrieben schaue ich hinaus. Ich erkenne den Innenhof des Klosters. Auf den Wegen kann ich geschäftiges Treiben der Nonnen ausmachen. Einige tragen Körbe voller Gemüse zum Speisesaal. Andere tragen Bücher und Schriftrollen in Richtung Bibliothek. Die meisten der Schwestern jedoch pilgern in Richtung Gebetshalle um das Morgengebet zu begehen. Ich schaue wieder nach oben und mein Blick streift das entfernte Gebirge Karkgründen -Kaltgrund. Nebelschwaden umhüllen die meisten der Bergspitzen und verdecken diese. Alles wirkt grau und aus dieser Welt entrückt. Ich kann Schnee an den meisten Bergen erkennen. Unter dem Nebel erkenne ich ein leichtes, weißes Rauschen. Es scheint zu schneien. Es schneit immer in den Karkgründen. Mir fällt ein altes Sprichwort ein: 'Endet der Schnee in den Karkgründen, endet die Welt in finstren Schlünden.“ Ein leichter Schauer kriecht über meinen Rücken und bereitet mir ein starkes Unbehagen. Ich wende mich ab und trete wieder an den Tisch. Schwester Graniro scheint mittlerweile mit der Durchsuchung der Schriftrollen geendet zu haben. Interessiert schaut sie mich an. Ihre klaren Augen scheinen durch mich hindurchzuschauen. Endlich bricht die Schwester die Stille: „Das Buch Mentoren also. Weißt du überhaupt was diese für ein Buch ist? Und was eigentlich fast wichtiger ist -woher weißt du davon?“ Verstohlen schaue ich zu Boden und berichte ihr von meinem Traum. Jedes Detail gebe ich wieder, bis auf die Tatsache, dass angeblich ich den Text geschrieben habe, welcher vom Reisebeginn berichtet. Mir ist als würde ich damit nur der Bibliothekarin einen Grund geben mich für verrückt zu erklären. „Was dies jedoch für ein geheimnisvolles Buch sein soll, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Mir ist es selbst sehr schleierhaft. Doch Ihrem Erstaunen nach zu urteilen vermute ich, dass es entweder recht wichtig ist, verboten sein sollte oder Dinge enthält die die Welt in ihren Grundfesten erschüttern könnte.“ „Du liegst mit allen drei Thesen richtig Andareen. Dieses Buch, geschrieben von Zirken Reelen, war eines der ersten Bücher welches durch das Große Konzil von Treben verboten wurde. Warum dies geschah ist bis heute ein Rätsel.“ Langsam erhebt sich Schwester Graniro von ihrem Stuhl und läuft zu einer kleinen Nische an der rechten Wand. Ich bemerke wie sie an einer der kleinen Gebetsstatuen von Mehlkine Hand anlegt. Kurz darauf vernehme ich ein leises klicken. Die Rückwand der Nische gleitet zur Seite und gibt ein weiteres Bücherregal frei. Zielstrebig entnimmt sie dem Regal ein Buch. Wieder berührt sie die Statue und die Wand gleitet wieder zu. Mit dem Buch unter dem Arm geht sie wieder zurück an den Tisch und lässt sich geräuschvoll in den Stuhl sinken. „Dieses Buch Andareen soll angeblich sehr gefährlich sein. Eigentlich, so dachte man, gäbe es in dieser Welt Niemanden mehr der sich dieser Texte erinnert. Wir Schwestern vom Orden der purpurnen Tosken besitzen eines der letzten Exemplare dieses Werkes. Dein Traum erscheint mit sehr rätselhaft und was du in diesem Buch zu finden gedenkst kann ich mir nicht vorstellen. Ja, es mag schändliche Textpassagen enthalten. Ja, es verherrlicht eine Zeit die, glücklicherweise, längst vorbei ist. Ja, es enthält dunkle Magie. Doch keine dieser vorgenannten Dinge hätten ein Verbot gerechtfertigt. Und ich erinnere mich an keine Textpassage welche in irgendeinem Zusammenhang zu deinem Traum stehen könnte. Andareen, du bist ein intelligenter junger Mann. Du hast dich sehr gut in unseren Orden eingefügt. Ich traue dir die geistige Stärke und Reife zu um in diesem Buch zu lesen.“ Ein leuchten erfüllt meine Augen und ich spüre wie meinen Wangen anfangen zu brennen. Die Schwester legt das Buch vor mir auf den Tisch. Mit leicht zitternden Händen greife ich danach. Doch bevor ich auch nur den Einband berühren kann legt die Schwester ihre alte, faltige Hand auf den Buchdeckel und ich vernehme erneut ihre monotone Stimme: „Doch halt, bevor ich dir erlaube auch nur ein Wort in diesem Buch zu lesen musst du mir ein paar Dinge versprechen.“ Hastig und voller Ungeduld nicke ich mit dem Kopf. „Du wirst dieses Buch nur in diesem Raum lesen. Ich stelle ihn dir während deiner Studien zur Verfügung. Du wirst keine Abschriften oder Aufzeichnungen, über das was du liest, anfertigen. Du wirst das Buch an jedem Tag wieder zurück an seinen Platz stellen. Du wirst mir versprechen, dass du dich nicht zu sehr davon vernehmen lässt, egal wie aufwühlend es für dich sein mag. Reinige deinen Geist nach jeder Auseinandersetzung mit diesem Werk. Und zum Schluss, dass Wichtigste -erzähle Niemandem was du in diesem Buch gelesen hast!“ Mit diesen Worten hebt die Bibliothekarin die Hand und ich greife vorsichtig nach Buch. Langsam und vorsichtig begutachte ich das Werk. Es ist ein schlichter, brauner Einband. Keinerlei Verzierungen oder Ornamente. Lediglich der Titel und der Verfasser sind mit schwarzer Schrift in den Deckel eingelassen. Das Buch wirkt alt. Sehr alt. Uralt. Erst jetzt erkenne ich, dass der Einband schon stark zerschlissen ist. Der Foliant wiegt schwer in meiner Hand und es wirkt als hielte er die Bürde meiner Zukunft in seinen Seiten.
 
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Hmm, fast 1 1/2 Jahre lag das hier brach. Wird wohl mal wieder Zeit... ^^
Lange, aber auch sehr lange ist es nur her, dass ich mal weitergeschrieben habe. Aber plötzlich hat es sich ergeben, dass mich die Schreiblust mal wieder gepackt hat. :)
Ich möchte nichts versprechen, aber vllt. werden nun wieder regelmäßiger Absätze meiner Geschichte erscheinen.
So, jetzt möchte ich aber die Leser nicht weiter auf die Folter spannen und präsentiere euch den nächsten Teil von Andareens Geschichte. :)

Bedächtig lege ich das Buch zurück auf den Tisch. Ich schaue zu Schwester Graniro hoch und blicke sie in ehrfürchtiger Erwartung an. Keine Silbe kommt über ihre Lippen, doch kann ich in ihren Augen erkennen,dass sie eine gewisse Nervosität umgibt. Dann dreht sich die Bibliothekarin auf dem Absatz um, verlässt den Raum und lässt mich mit dem Buch allein.Vorsichtig schlage ich den Folianten auf und beginne die ersten Zeilen zu lesen:
„Es sind Zeiten in denen die Dummen herrschen. Es sind Zeiten in denen die Ehrfürchtigkeit vor dem Dunklen erstorben ist. Faulheit, Trägheit, Müßiggang sind die Tugenden welche den Herrschenden und dem Volke angedeiht ist. Dieses Werk soll die Schlafenden wecken und die Augen wieder sehend machen. Hell mögen die Tage sein, doch heller wird der Tod werden sobald du verehrter Leser, dieses Werk geendet hast. Die Wahrheit wird über dich kommen, wird deinen Körper durchfluten und dich reinigen von der Unwissenheit dieser Tage. Es mag dich erschrecken und die Widerlichkeit mancher Zeile wird dich würgen lassen. Doch so wie diese Gefühle über dich kommen, werden sie auch wieder verschwinden sobald du den Sinn hinter allem verstehst. Höre nun die fünf Wahrheiten des Buchs Mentoren:
1 – Niemand ist gleich und die Höheren sind nicht wahrhaftig
2 – Die Dunkelheit ist das hellste Licht und der Tod ist der gute Begleiter
3 – Macht gebiert Schmerz und Schmerz heilt die Welt
4 – Dein Körper ist Verwesung und Leben eine Illusion
5 – Es gibt Einen über euch, denn er ist der Höchste
So lies nun warum diese Wahrheiten der Weg sind welcher beschritten werden muss und warum das Dunkel der wahre Weg ist...“
Wie in Trance lese ich Zeile um Zeile. Fasziniert und beängstigt ob der geschriebenen Wörter lasse ich die Stunden verstreichen. Es ist als ob mich die Zeilen verschlingen würden und meine Seele zwischen den Seiten gebannt wird. Es mag bereits Mittag sein als sich die Tür des Auditoriums erneut öffnet. Ich schaue von dem Folianten hoch und kann das Gesicht von Schwester Graniro erkennen. Der Sonnenschein, welcher durch das große Fenster scheint umrahmt die Bibliothekarin mit einer leuchtenden Halo. Ruhig vernehme ich ihre Stimme: „So sieh dich an Andareen. Sitzt hier im Staub der Zeit und verschwendest selbige indem du in diesem Buche liest. Es reicht für heute. Schwester Jorlande sucht dich schon eine geraume Zeit. Du solltest sie nicht länger warten lassen. Du wirst sie beim Brunnen im Innenhof finden. Bitte lege nun das Buch wieder an seinen Platz. Komm alsbald wieder wenn du magst, aber für heute soll sich Mentoren für dich verschließen.“ Behäbig richte ich mich auf. Ich merke wie meine Knochen ganz steif vom langen sitzen geworden sind. Ich schließe den Folianten, laufe hinüber zu dem Regal, lege die Hand auf die Gebetsstatue welche danebensteht und das Regal gleitet erneut zur Seite. Vorsichtig lege ich das Buch zurück, berühre die Statue erneut und das Buch Mentoren entschwindet meinen Augen. Verborgen hinter den verbotenen Werken. „Ich danke euch, dass ihr mir die Gelegenheit gebt dieses Buch zu lesen verehrte Schwester...“ Jäh unterbricht mich Graniro mit einer Handbewegung. „Du solltest dich dafür nicht bedanken Andareen. Dieses Buch ist schrecklich in seiner Wahrheit. Es kann den Geist verderben und dein Wissen auf eine harte Probe stellen. Dieses Buch ist kein Geschenk und es ist und bleibt dennoch ein finsteres Werk. Vergiss das nie!“ Ich senke mein Haupt und sage nichts mehr. Dann verlasse ich das Auditorium. Vorbei an den unzähligen Bücherregalen und den geschäftigen Bibliothekarinnen verlasse ich das Gebäude. Die Sonne steht mittlerweile sehr hoch am Himmel. Ich richte eine leises Gebet an Mehlkine, straffe meine Schultern und begebe mich zum dem Brunnen um Jorlande zu treffen.
Während ich auf dem Weg bin denke ich immer wieder über die Zeilen nach welche ich gerade gelesen habe. Immer wieder tauchen die fünf Wahrheiten vor meinem inneren Auge auf. Meine Gedanken schweifen ab. Es ist als ob sich jedes einzelne Wort versucht in mein Hirn zu fressen um sich dort festzusetzen. „Es gibt Einen über euch, denn er ist der Höchste“ kommt es mir plötzlich in den Sinn. Sollte es wirklich Einen geben der höher ist als Alle? Einen, welcher die Hierarchie der Welt unter sich hat? Wenn dem so ist, dann wäre dies in der Tat skandalös. Niemand ist höher als die anderen! Selbst die Höheren stehen nur geringfügig über der Welt. Doch es gibt keinen...kann keinen geben...der die höchste Stelle einnimmt! Mein Geist trübt sich und Verwirrung macht sich breit. Doch plötzlich vernehme ich Jorlandes helle Stimme. Wie aus einem bösen Traum schlage ich die Augen wieder auf und erkenne das freundliche Gesicht der Primare. „Endlich kommst du Andareen. Ich suche dich schon den ganzen Tag. Du warst ja wie vom Erdboden verschluckt. Wo hast du dich denn wieder herumgetrieben?“ Etwas ertappt schaue ich auf den Boden und stammle: „Ich habe...Schwester Graniro...Ich habe ihr heute den ganzen Tag in der Bibliothek geholfen.“ „Ach, du und deine Bücher und Geschichten. Sieh doch nur wie schön das Wetter heute ist und du umgibst dich mit diesen staubigen Dingen. Du bist schon über zwei Jaard hier und trotzdem kommst du mir manchmal noch so seltsam vor.“ Ein nervöses lächeln umspielt meine Lippen, dann blicke ich zu Jorlande auf und versuche eilig das Thema zu wechseln: „Was wolltest du denn eigentlich von mir?“ Freudestrahlend schaut mir die Primare in die Augen. „Weißt du denn nicht, dass wir heute nach Baar Gahn reisen? Wir haben dort einige Erledigungen für den Orden zu machen. Jetzt sag mir nicht, dass du das vergessen hast. Du hast dich doch schon die ganze Zeit darauf gefreut.“ Plötzlich überkommt es mich wie ein Blitz. Die große Stadt! Baar Gahn! Alle trüben Gedanken fallen plötzlich von mir ab und eine kindliche Freude steigt in mir auf. „Oh wie recht du hast! Wie konnte ich das nur vergessen...Lass mich nur schnell mein Bündlein packen. Und schneller als du ‚Bilis Mehlkine tu dere Ganden‘ sagen kannst bin ich wieder hier.“ Ich beginne zurück in den Wohnbereich des Klosters zu rennen, verfolgt von dem hellen lachen Jorlandes. Als ich in meiner Kammer ankomme packe ich eilig mein Schärflein zusammen. Mein Blick streift das Kurzschwert, welches an das Bett gelehnt steht. Ich halte kurz in meiner Bewegung inne und gehe hinüber. Sanft berühre ich den Knauf des Schwerts. Es fühlt sich kühl an. Sollte ich es vielleicht mitnehmen? Die große Stadt kann gefährlich sein. Finstere Gestalten an jeder Ecke. Riechst du die Verderbnis? Das faulige Blut, welches durch die Adern der Verlogenen fließt. Lass es aus ihnen herauslaufen. Färbe die Straßen rot! Nein! Ich zucke mit der Hand zurück. Augenblicklich verschwindet der böse Geist welcher gerade meinen Geist einzunehmen schien. Ich schüttle den Kopf um auch die letzten finsteren Gedanken abzuschütteln. Dann schnappe ich mir mein Säcklein und verlasse meine Kammer.
Aus der Ferne kann ich sehen wie die Primare unruhig von einem Fuß auf den anderen tritt. ‚Sie scheint mit heute etwas ungeduldig.‘ kommt es mir in den Sinn. Da höre ich sie auch bereits rufen: „Andareen! Nun beeile dich doch mal ein wenig. Der Kutscher wird nicht mehr ewig auf uns warten und der Weg in die Stadt wird auch eine Weile dauern. Nun komm doch endlich!“ Hastig eile ich zu ihr. Dann begeben wir uns zu der wartenden Kutsche vor den Toren des Klosters. Ein letzter Blick zurück in den Innenhof, und alsbald sitzen Jorlande und ich in der Kutsche. Dann schließt sich die Tür. Ich höre wie der Kutscher ein paar Befehle bellt und rumpelnd setzt sich das Gefährt in Bewegung. Baar Gahn. Die große Stadt. Langsam ziehen die Klostermauern an mir vorbei. Verschwinden langsam aus meinem Blick und machen den Wiesen und Wäldern Grünweldens platz. Gedankenverloren schaue ich aus dem Fenster. Aus den Augenwinkeln kann ich erkennen wie Jorlande ihr Strickzeug auspackt. Beide schweigen wir. Die Sonne steht hoch am Himmel und langsam nähern wir uns dem Gebirge. Nun kann man auch den Schneefall besser erkennen, welcher die Bergspitzen zu jeder Zeit umspielt. Die Kutsche rumpelt weiter die steinige Straße entlang. Wiesen, Wälder, Dörfer wechseln sich ab. Alles wirkt sehr friedlich. Dennoch spüre ich in meinem Inneren eine leichte Unruhe, aber auch Vorfreude auf die Stadt. Die Primare konnte noch nie meine Begeisterung für die Stadt verstehen. Ich lächle in mich hinein, als mir diese Gedanken kommen. Plötzlich wendet Jorlande das Wort an mich: „Hör mal Andareen. Ich habe einige wichtige Dinge in der Stadt zu erledigen. Obwohl es mir nicht recht behagt werde ich dich wohl eine Weile alleine lassen müssen. Die Frau Oberin hat mir eine Liste mit zu besorgenden Dingen gegeben. Ich werde sie dir überlassen und du wirst die Erledigungen machen. Aber du wirst nur den Marktplatz aufsuchen, sonst keinen anderen Ort!“ Die letzten Worte betont sie etwas gestrenger. Innerlich scheint sie zu ahnen, dass ich zuweilen ‚schlecht‘ zuhöre. Mit einem gespielten schmollen nehme ich die Liste entgegen und antworte ihr isüffisant: „Aber Frau Primare, wie könnt ihr nur so etwas unschickliches von mir denken. Natürlich werde ich ganz brav die Erledigungen abarbeiten und dann zur Kutsche zurückkehren. Was denkt ihr nur von mir?“ Jorlande schaut mir in die Augen. „Gerade du, Andareen, sollst eine Ausgeburt an Zuverlässigkeit sein? Entschuldige wenn ich das bezweifle. Ich kenne dich zu gut, als das ich weiß, dass die Verlockungen von Baar Gahn einem jungen Mann wie dir sehr zupass kommen würden.“ Etwas verstohlen schaue ich zur Seite. Dann beginnen wir beide herzlich zu lachen. Alle wirren Gedanken scheinen aus meinem Kopf zu fliegen und aus dem Kutschenfenster den Weg in den Himmel anzutreten. Dann widmet sich die Primare wieder ihrem Strickzeug zu. Ich schaue ihr kurz dabei zu und wende mich dann wieder dem Fenster zu. Ereignislos ziehen die Stunden dahin. Mittlerweile beginnt es bereits dunkel zu werden. Auch die Karkgründe sind bereits sehr nah, als ich in einiger Entfernung ein leuchten ausmachen kann. Das müssen die Fackeln vor den Toren Baar Gahns sein! Aufgeregt recke ich den Kopf aus dem Fenster. Ein leichter Windhauch umspielt mein Gesicht. Ich kneife die Augen ein wenig zusammen um in der Entfernung vielleicht etwas erkennen zu können. Da merke ich mit einem Mal ein ziehen an meinem Hemd. Es ist die Primare die mich wieder in die Kutsche zurückzieht. „Beruhige dich doch Andareen. Du warst nun mehr als einmal hier und immer wieder ist es das gleiche mit dir. Deine kindliche Neugier wird dir irgendwann mal zum Verhängnis werden. Jetzt setz dich wieder hin. Keine Bange, wir werden bald die Tore der Großen Stadt passieren.“ Ich gehorche Jorlande. Dennoch merke ich wie ich unruhig auf dem Sitz hin- und herrutsche. Eine leichte Aufregung auf den kommenden Tag überkommt mich und ein breites Grinsen wandert in mein Gesicht. Nervös und voller Vorfreude beginne ich mit meinen Händen zu spielen. Baar Gahn. Oh, wie ich die Stadt mag. Alles ist so bunt und laut und fremd und vielfältig. Menschen, Gerüche, Häuser. Alles in dieser Stadt wirkt wie aus einem Märchen. Während ich meinen freudigen Gedanken nachhänge höre und bemerke ich plötzlich wie die Kutsche zum stehen kommt. Wir haben die Tore der Stadt erreicht. Voller Freude schaue ich aus dem Fenster, und wie jedes Mal bin ich von der überwältigenden Größe der Eingangstore Baar Gahns erstaunt. Schwere, massive Holztore, umrahmt von unzähligen Fackeln türmen sich vor uns auf. Nicht sechs ausgewachsene, aufeinandergestellte Männer würden den obersten Teil des Tors berühren können. Riesige Steinmauern umlaufen das zweiflügelige Tor. Selbst in der nun herrschenden Dunkelheit und nur vom Fackelschein erleuchtet kann ich das Wappen der Stadt in den riesigen blauen Bannern, welche neben dem Tor hängen, erkennen. Zwei Bergspitzen in einem Ring, links und rechts geschützt von Schwert und Stab. Ich reiße mich von dem Anblick los und kann nun erkennen wie im Fackelschein eine Wache auftaucht. Ein leicht rötlicher Schimmer liegt auf seiner Rüstung. Klirrend springt ihm das Schwert immer wieder ans Bein. Auf seiner Brustplatte kann ich nun auch das Wappen der Stadt erkennen. Man sagt sich, dass selbst die Jüngsten hier bereits lernen in Treue und Loyalität für die Stadt einzustehen. Jeder Mann trägt das Wappen mit Stolz und nie soll es einen Verräter unter Ihnen gegeben haben. Ehrfürchtig schaue ich den Ritter an während dieser sich mit dem Kutscher unterhält. Plötzlich verstummen beide und drehen sich zu mir um. Wie als ob ich gerade ertappt worden bin stecke ich den Kopf schnell zurück in die Kutsche. Nach einer kurzen Weile schaue ich erneut heraus. Ich kann erkennen wie der Wächter gerade zu dem Tor zurückläuft. Dann ruft er laut einen Befehl die Mauern hinauf. Ich blicke nach oben, kann aber außer den Schießscharten und den Zinnen nichts erkennen. Mit einem Mal durchfährt die Kutsche ein leichtes rumpeln. Ich blicke zu den Toren und erkenne wie diese sich langsam und bedächtig beginnen ein Stück weit zu öffnen. Getragen von einem lauten knarzen schwingen sie immer weiter auf. Ich versuche einen Blick hineinzuwerfen, doch erkenne nichts als Schwärze. Da setzt sich die Kutsche wieder in Bewegung. Langsam fahren wir an dem Wächter vorbei. Ich versuche einen Blick auf sein Gesicht zu erhaschen, doch bevor ich es erkennen kann dreht sich der Mann von mjr weg und verschwindet wieder hinter einem kleinen Seitengang neben dem Tor. Doch es ist mir als ob dieser Wächter etwas seltsames an sich hatte. Ich versuche meine Gedanken zu ordnen. War es sein Gang? Sein Geruch? Seine Stimme? Ich schüttle mit dem Kopf. Wahrscheinlich ist es nur die Müdigkeit welche meine Sinne täuscht. Langsam passieren wir den riesigen Torbogen von Baar Gahn. Knarzend beginnen sich die Tore hinter uns zu schließen. Trennen uns von der Welt außerhalb der Mauern. Wir sind angekommen.