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Diese Seite enthält den Text von Uralte Schriften der Dwemer, Band X aus The Elder Scrolls Online.
Inhalt
Die Mitgift
von Marobar Sul
Ynaleigh war der reichste Landbesitzer in Gunal, und er hatte im Lauf der Jahre eine enorme Mitgift für den Mann zusammengespart, der seine Tochter Genefra heiraten würde. Als sie das Heiratsalter erreichte, schloss er das Gold sicher verwahrt weg und verkündete seine Absicht, sie zu verheiraten. Sie war ein ansehnliches Mädchen, eine Gelehrte, eine großartige Sportlerin, doch von mürrischer und brütender Natur. Dieser Persönlichkeitsfehler störte ihre potenziellen Freier nicht mehr als ihre positiven Charakterzüge sie beeindruckten. Jeder Mann wusste um den immensen Reichtum, der ihm als Ehemann von Genefra und Schwiegersohn von Ynaleigh gehören würde. Das allein genügte, um Hunderte kommen und um Genefra werben zu lassen.
„Der Mann, der meine Tochter heiratet“, sagte Ynaleigh zu den Versammelten, „darf dies nicht allein aus Habgier tun. Er muss seinen eigenen Reichtum zu meiner Zufriedenheit unter Beweis stellen.“
Diese schlichte Aussage ließ einen Großteil der Freier verschwinden, die wussten, dass ihre mageren Vermögensverhältnisse den Landbesitzer nicht beeindrucken würden. Ein paar Dutzend von ihnen kamen ein paar Tage später zurück, gekleidet in feines Killarc-Tuch aus gesponnenem Silber, begleitet von exotischen Dienern, in prachtvollen Kutschen. Von all denen, die Ynaleighs Billigung fanden, traf keiner auf prächtigere Weise ein als Welyn Naerillic. Der junge Mann, von dem niemand zuvor gehört hatte, kam in einer glänzenden Ebenholzkutsche, gezogen von einem Drachengespann, seine Kleidung war von feinster Kunstfertigkeit, und er wurde von einer Armee der fantastischsten Diener begleitet, die man jemals in Gunal gesehen hatte. Diener mit Augen auf allen Seiten des Kopfes, Dienstmädchen, die aus Edelsteinen zu bestehen schienen.
Doch das war noch nicht genug für Ynaleigh.
„Der Mann, der meine Tochter heiratet, muss sich als ein intelligenter Mensch erweisen, denn ich will keinen Volltrottel als Schwiegersohn und Geschäftspartner haben“, erklärte er.
Damit schied ein großer Teil der reichen Freier, die aufgrund ihres Luxuslebens niemals viel hatten denken müssen – wenn überhaupt, aus. Im Verlauf der nächsten Tage meldeten sich dennoch einige, die ihren Geist und ihr Wissen demonstrierten, indem sie die großen Weisen der Vergangenheit zitierten und ihre Philosophien der Metaphysik und Alchemie zur Schau stellten. Auch Welyn Naerillic kam und lud Ynaleigh ein, mit ihm in der Villa zu speisen, die er außerhalb von Gunal gemietet hatte. Dort sah der Landbesitzer ganze Gruppen von Schreibern, die an Übersetzungen von Aldmer-Traktaten arbeiteten, und genoss die recht respektlose, doch faszinierende Intelligenz des jungen Mannes.
Doch obwohl er von Welyn Naerillic sehr beeindruckt war, hatte Ynaleigh noch eine weitere Herausforderung.
„Ich liebe meine Tochter sehr“, sagte Ynaleigh. „Und ich hoffe, dass der Mann, der sie heiratet, sie auch glücklich machen wird. Sollte einer von Euch sie zum Lächeln bringen, gehören sie und ihre große Mitgift ihm.“
Die Bewerber standen tagelang Schlange, sangen ihr Lieder, erklärten ihre Hingabe oder beschrieben ihre Schönheit in den romantischsten Worten. Genefra funkelte sie nur alle mit Hass und Melancholie an. Ynaleigh, der an ihrer Seite stand, begann schließlich zu verzweifeln. Die Bewerber um seine Tochter scheiterten einer nach dem anderen an dieser Aufgabe. Schließlich betrat Welyn Naerillic den Raum.
„Ich werde Eure Tochter zum Lächeln bringen“, sagte er. „Ich möchte sogar behaupten, ich werde sie zum Lachen bringen, doch erst nachdem Ihr Euch einverstanden erklärt, uns zu verheiraten. Wenn sie nicht innerhalb einer Stunde nach unserer Verlobung fröhlich ist, kann die Hochzeit abgesagt werden.“
Ynaleigh wendete sich zu seiner Tochter um. Sie lächelte nicht, doch ihre Augen hatten beim Erscheinen dieses jungen Mannes interessiert aufgeleuchtet. Da die anderen Freier noch nicht einmal dies bei ihr erreicht hatten, stimmte er zu.
„Die Mitgift wird natürlich erst ausgezahlt, nachdem Ihr verheiratet seid“, sagte Ynaleigh. „Eine Verlobung reicht nicht aus.“
„Darf ich die Mitgift trotzdem einmal sehen?“, fragte Welyn.
Da er wusste, wie sagenhaft der Schatz war, und dass der junge Mann ihm doch wahrscheinlich niemals näher kommen würde, erklärte Ynaleigh sich einverstanden. Er hatte Welyn recht lieb gewonnen. Auf seinen Befehl hin stiegen Welyn, Ynaleigh, die mürrische Genefra und der Kastellan in die Tiefen der Festung Gunal hinab. Zum Öffnen des ersten Gewölbes musste man eine Reihe von Runensymbolen berühren. Drückte man auch nur eine Markierung außer der Reihe, so würde ein Schauer von Giftpfeilen auf einen herabregnen. Ynaleigh war besonders stolz auf die nächste Sicherheitsstufe – ein Schloss aus Klingen mit achtzehn Stiften erforderte drei Schlüssel, die gleichzeitig gedreht werden mussten, um den Eintritt freizugeben. Die Klingen waren so arrangiert, dass sie jeden ausweiden würden, der nur eines der Schlösser zu knacken versuchte. Schließlich erreichten sie die Schatzkammer.
Sie war völlig leer.
„Bei Lorkhan, wir sind bestohlen worden!“ rief Ynaleigh. „Aber wie? Wer kann das getan haben?“
„Ein einfacher, doch, wenn ich so sagen darf, recht talentierter Einbrecher“, sagte Welyn. „Ein Mann, der Eure Tochter viele Jahre lang aus der Ferne liebte, aber nicht den Glanz oder das Wissen besaß, um zu beeindrucken. Das heißt, bis das Gold ihrer Mitgift mir die Gelegenheit gab.“
„Ihr?“, brüllte Ynaleigh, der es kaum glauben konnte. Und dann geschah etwas noch viel Unglaublicheres.
Genefra begann zu lachen. Sie hatte sich nie träumen lassen, jemandem wie diesem Dieb zu begegnen. Sie warf sich vor den Augen ihres entrüsteten Vaters in seine Arme. Nach einem Augenblick fing auch Ynaleigh an zu lachen.
Genefra und Welyn heirateten einen Monat später. Obwohl er tatsächlich recht arm war und nur geringe Gelehrsamkeit besaß, war Ynaleigh erstaunt, wie sehr sein Vermögen mit einem solchen Schwiegersohn und Geschäftspartner anwuchs.
Er machte es sich zum Prinzip, niemals zu fragen, wo all das zusätzliche Gold eigentlich herkam.