Morrowind:Unbenanntes Buch

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Diese Seite enthält den Text von Unbenanntes Buch aus The Elder Scrolls III: Morrowind.

Inhalt

Unbenanntes Buch
von
einem unbekannten Verfasser

„Das Problem der Diebe heutzutage”, sagte Lledos, „ist ihre mangelnde Technik. Ich weiß, es gibt keine Ehre unter Dieben und es hat sie nie gegeben, aber es gab einmal so etwas wie Stolz, eine gewisse Geschicklichkeit und eine grundlegende Kreativität. Die heutige Situation lässt diejenigen unter uns, die einen Sinn für Geschichte haben, verzweifeln.”


Imalyn stellte seinen Krug Greef krachend auf den groben Tisch und antwortete spöttisch: „B'vek, was willst du uns eigentlich sagen? Du fragst uns: ‚Was tust du, wenn du eine Wache siehst??, und ich sage: 'Sie von hinten abstechen? Was wäre dir lieber? Dass wir sie zu einer Runde Chits einladen?'”


„So viel Ambition und so wenig Bildung”, sagte Lledos seufzend. „Meine lieben Freunde, wir überfallen hier keinen nordischen Reisenden, der gerade die Fähre verlassen hat. Die Gildenhalle der Schuster hört sich vielleicht nicht gerade furchteinflößend an, aber wenn die Zolleinkünfte dort gelagert werden, bevor sie auf die Bank kommen, dann ist die Bewachung dort enger als der Hintern eines Kwamas. Man kann nicht einfach jeden erstechen, der einem begegnet, und erwarten, dass man es bis zu den Stahlkammern schafft.”


„Warum erklärst du uns nicht, was genau du eigentlich von uns erwartest?”, fragte Galsiah ruhig und versuchte, die Lautstärke des Gesprächs niedrig zu halten. Die meisten Stammgäste in der Taverne Stein und Pflaster in Tel Aruhn waren klug genug, nicht zu lauschen, aber sie wollte kein Risiko eingehen.


„Der gewöhnliche Dieb”, sagte Lledos, der, sich Greef nachschenkend, langsam in Schwung kam, „sticht seinen Dolch in den Rücken des Gegners. Dies mag das Opfer zwar töten, aber es gibt ihm noch häufiger die Gelegenheit zu schreien und besudelt den Angreifer mit Blut. Das ist nicht gut. Ein gut ausgeführtes Durchschneiden der Kehle dagegen wird die Wache gleichzeitig töten und zum Verstummen bringen. Außerdem bleibt der Dieb relativ frei von Blut. Schließlich wollen wir nicht, dass die Leute nach dem Überfall eine Bande blutverschmierter Schlächter durch die Straßen rennen sehen. Das würde selbst in Tel Aruhn ziemlich verdächtig erscheinen.


Wenn man sein Opfer liegend, schlafend oder ruhend erwischt, hat man eine ausgezeichnete Ausgangsposition. Man legt eine Hand über den Mund, mit dem Daumen unter dem Kinn, dann nimmt man die andere Hand, um die Kehle durchzuschneiden, und dreht den Kopf schnell zur Seite, damit man sich nicht mit dem Blut beschmutzt. Wenn man den Kopf nicht schnell genug wegdreht, kann es passieren, dass man doch etwas Blut abbekommt. Wenn ihr euch nicht sicher seid, erwürgt das Opfer zunächst, um starke Blutungen zu vermeiden - das Blut neigt dazu, in langen Strahlen herauszuschießen, wenn das Opfer lebendig erstochen wird.


Ein wirklich guter Freund von mir, ein Dieb aus Gnisis, dessen Namen ich nicht nennen werde, schwört auf die Würg-und-Schlitz-Methode. Einfach gesprochen packt ihr den Hals des Opfers von hinten und während ihr ihn würgt, schlagt ihr seinen Kopf gegen die Wand. Wenn das Opfer das Bewusstsein verloren hat, schlitzt ihr ihm die Kehle auf, während ihr ihn immer noch von hinten festhaltet. Die Chance, sich dabei mit Blut zu besudeln, liegt praktisch bei Null.


Die klassische Technik, die etwas weniger anstrengend ist als die meines Freundes, besteht darin, eine Hand über den Mund zu legen und die Kehle dann mit drei oder vier kräftigen Schnitten zu durchtrennen, so als würde man Geige spielen. Es erfordert nur wenig Aufwand und obwohl ziemlich viel Blut austritt, spritzt es nach vorne weg.


Wenn man weiß, dass man jemandem die Kehle durchschneiden wird, gibt es keinen Grund, nicht einige Vorkehrungen zu treffen und zusätzliche Ausrüstung mitzubringen. Die besten Halsaufschlitzer, die ich kenne, stopfen meistens etwas Stoff an den Griff ihres Dolches, damit das Blut nicht auf ihre Ärmel läuft. Bei unserem Vorhaben ist das nicht zu empfehlen, aber wenn man nur einen oder zwei Gegner erwartet, gibt es keine bessere Methode, als einen Sack über den Kopf des Opfers zu stülpen, ihn zuzuziehen und dann den tödlichen Stich oder die tödlichen Stiche anzubringen.”


Imalyn lachte laut. „Kann ich irgendwann mal eine Demonstration sehen?”


„Schon bald”, sagte Lledos. „Falls Galsiah ihren Auftrag erledigt hat.”


Galsiah holte die gerade gestohlene Karte der Gildenhalle hervor und sie begannen, ihr Vorgehen im Detail zu planen.


Die letzten paar Stunden waren für alle ein einziger Wirbelwind gewesen. In weniger als einem Tag hatten die drei sich getroffen, einen Plan geschmiedet, die benötigten Dinge gekauft oder gestohlen und standen nun kurz vor der Ausführung. Keiner der drei wusste, ob die anderen von Zuversicht oder Dummheit angetrieben wurden, aber sie waren durch das Schicksal miteinander verbunden. Die Gildenhalle würde ausgeraubt werden.


Bei Sonnenuntergang näherten sich Lledos, Galsiah und Imalyn dem Haus der Schustergilde am östlichen Rand der Stadt. Galsiah verwendete ihren Vorrat an Steinblumenessenz, um ihren Geruch vor den Wachwölfen zu verbergen, als die drei über die Brüstung kletterten. Sie ging der kleinen Gruppe voran. Lledos war beeindruckt. Trotz ihrer relativen Unerfahrenheit bewegte sie sich mit großem Geschick durch die Schatten.


Lledos hatte zahlreiche Gelegenheiten, sein Können vorzuführen, und die verschiedenen Wachen ermöglichten es ihm, alle Methoden des lautlosen Tötens vorzuführen, die er mit den Jahren entwickelt hatte.


Imalyn öffnete den Geldschrank mit seiner einzigartigen, systematischen Methode. Während sich die Zahlenscheiben unter seinen Fingern drehten, sang er leise ein altes, schmutziges Tavernenlied über die neunundneunzig Geliebten Boethiahs. Er sagte, dass das Singen ihm dabei half, sich auf die komplizierten Kombinationen zu konzentrieren. Innerhalb von Sekunden stand der Tresor offen und das Gold befand sich in ihren Händen.


Sie verließen die Gildenhalle eine Stunde, nachdem sie sie betreten hatten. Kein Alarm war ausgelöst worden, das Gold war verschwunden und mehrere Leichen lagen in blutigen Lachen auf den steinernen Böden.


„Sehr gut gemacht, meine Freunde, gut gemacht. Ihr habt gut gelernt”, sagte Lledos, als er die Goldstücke in speziell dafür genähte Taschen in seinen Ärmeln steckte, in denen das Gold weder zu sehen noch zu hören war. „Wir treffen uns morgen im Stein und Pflaster und teilen die Beute auf.”


Die Gruppe trennte sich. Lledos, der als einziger die geheimsten Wege durch das Kanalsystem der Stadt kannte, kletterte durch einen Schacht hinein und verschwand in der Tiefe. Galsiah warf sich ein Tuch über und bedeckte ihr Gesicht mit Lehm, um wie eine alte Wahrsagerin der F'lah auszusehen, und ging nach Norden. Imalyn wandte sich nach Osten in den Park und hoffte darauf, dass seine scharfen Sinne ihn von der Stadtwache fernhalten würden.


Und jetzt lehre ich euch die wichtigste Lektion von allen, dachte Lledos, als er durch die labyrinthartigen Tunnel eilte. Sein Guar warte vor den Toren der Stadt auf ihn, wo er es zurückgelassen hatte, und knabberte gleichmütig an dem Hustengrasbusch, an den es angebunden war.


Auf der Straße nach Vivec dachte er an Galsiah und Imalyn. Vielleicht hatte man sie schon festgenommen und zum Verhör gebracht. Es war zu schade, dass er dabei nicht zusehen konnte. Wer würde zuerst unter dem Druck zusammenbrechen? Imalyn war sicherlich der Stärkere von beiden, aber Galsiah verfügte zweifellos über verborgene Reserven. Es war rein intellektuelle Neugier. Sie gingen davon aus, dass sein Name Lledos lautete und dass er in der Taverne auf sie wartete. Die Behörden würden daher nicht nach einem Dunmer namens Sathis suchen, der seinen Reichtum meilenweit entfernt in Vivec genoss.


Als er sein Reittier vorwärts trieb und die Sonne langsam unterging, stellte er sich Galsiah und Imalyn nicht länger beim Verhör vor, sondern tief und fest den Schlaf der Ungerechten schlafend und davon träumend, wie sie ihren Goldanteil ausgeben würden. Beide würden früh aufwachen und zum Stein und Pflaster eilen. Er konnte sie vor sich sehen: Imalyn, der seiner Vorfreude lachend und lautstark Ausdruck verlieh, und Galsiah, die ihn beschwichtigte, um unerwünschte Aufmerksamkeit zu vermeiden. Sie würden einige Krüge Greef leeren, vielleicht ein großes Mahl bestellen und warten. Die Stunden würden vergehen und ihre gute Laune ebenfalls. Dann die Abfolge der Reaktionen, die jede betrogene Person zeigt: Nervosität, Zweifel, Verwirrung, Zorn.


Die Sonne stand hoch am Himmel, als Sathis die Stallungen seines Hauses in den Außenbezirken von Vivec erreichte. Er brachte sein Guar hinein und gab ihm zu fressen. Die übrigen Boxen waren leer. Seine Diener würden nicht vor dem Nachmittag vom Fest der heiligen Rilms in Gnisis zurückkehren. Es waren gute Leute und er behandelte sie gut, aber aus Erfahrung wusste er, dass Diener redeten. Wenn sie seine Abwesenheit mit Diebstählen in anderen Städten in Verbindung bringen würden, wäre es nur eine Frage der Zeit, bevor sie ihn den Behörden melden oder erpressen würden. Schließlich waren sie auch nur Menschen. Auf lange Sicht war es am besten, ihnen jedes Mal eine Woche bezahlten Urlaub zu geben, wenn er geschäftlich die Stadt verließ.


Er verstaute das Gold im Geldschrank in seinem Arbeitszimmer und ging nach oben. Sein Zeitplan war knapp gewesen, aber Sathis hatte ein paar Stunden Ruhe für sich eingeplant, bevor seine Leute zurückkehrten. Sein Bett war angenehm weich und warm im Vergleich zu der furchtbaren Matratze, mit der er in der Wohninsel in Tel Aruhn hatte vorlieb nehmen müssen.


Kurz darauf erwachte Sathis aus einem Alptraum. Als er die Augen öffnete, glaubte er für einen Moment, immer noch Imalyns Stimme ganz in der Nähe zu hören, wie er die neunundneunzig Geliebten Boethiahs besang. Er lag still in seinem Bett und lauschte, aber außer dem gewöhnlichen Knarren und Ächzen seines alten Hauses war kein Geräusch zu hören. Das Licht der Nachmittagssonne fiel in einzelnen Strahlen durch sein Schlafzimmerfenster und fing den Staub ein. Er schloss die Augen.


Der Gesang kehrte zurück und Sathis hörte die Tür des Geldschranks in seinem Arbeitszimmer aufschwingen. Der Duft von Steinblumen drang an seine Nase und er öffnete die Augen. Nur ganz wenig Sonnenlicht vermochte die Fasern des Leinensacks zu durchdringen.


Eine starke, weibliche Hand bedeckte seinen Mund und er spürte den Druck eines Daumens unter seinem Kinn. Genau in dem Moment, als sein Kopf zur Seite gedreht wurde, hörte er Galsiahs gewohnt ruhige Stimme: „Danke für die Lektion, Sathis.”