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Diese Seite enthält den Text von Die Flüchtlinge aus The Elder Scrolls IV: Oblivion.
Inhalt
Geros Albreigh
Der Geruch der Bucht sickerte durch die Steine des Kellers, Salz und brackige Verwesung. Der Keller hatte auch eigene Gerüche, nach altem Wein, der sich in Essig verwandelt hatte, Schimmel, und den exotischeren Düften der Kräuter, die die Heiler mitgebracht hatten, um die Verwundeten zu versorgen. Mehr als fünfzig Menschen hatten sich in den großen Erdkeller gedrängt, einen längst vergessenen Lagerraum für das Freudenhaus darüber. Das Stöhnen und Wimmern hatte für den Augenblick aufgehört, und alles war still, als sei das Krankenhaus zum Massengrab geworden.
„Mutter”, flüsterte ein Rothwardonenjunge, „was war das?”
Die Mutter wollte dem Jungen gerade antworten, als von draußen ein weiteres rollendes Donnern zu hören war, das lauter und lauter wurde, als ob eine riesige, aber körperlose Bestie in den Keller
eingedrungen wäre. Die Wände bebten, und von der Decke rieselten Staubwolken.
Im Gegensatz zum letzten Mal schrie niemand auf. Alle warteten, bis der unheimliche, quälende Klang vorbeigezogen war und durch das gedämpfte Grollen des entfernten Gefechts ersetzt wurde.
Ein verwundeter Soldat begann, Maras Gebet für die dem Untergang Geweihten zu flüstern.
„Mankar”, zischte eine Bosmer-Frau, die sich auf einem Feldbett zusammengerollt hatte. Ihre Augen waren fiebrig, ihre Haut blass, und sie war nass vor Schweiß. „Er kommt!”
„Wer kommt?” fragte der Junge und klammerte sich an den Rock seiner Mutter.
„Was glaubst du wohl, Söhnchen? Der Zuckerbäcker?” knurrte ein grauhaariger, einarmiger Rothwardone. „Der Camoran-Thronräuber natürlich.”
Die Mutter des Jungen warf dem alten Krieger einen wütenden Blick zu. „Sie weiß ja nicht, was sie da sagt. Sie ist krank.”
Der Junge nickte. Seine Mutter hatte meistens Recht. Er war noch nicht einmal geboren, als die Leute zu munkeln begannen, dass der Camoran-Thronräuber sich ihrem kleinen Dorf näherte, und sie hatte ihre Siebensachen zusammengepackt, um zu fliehen. Ihre Nachbarn hatten sie ausgelacht, sagte sie, und gemeint, dass Rihad und Taneth ihn problemlos besiegen würden. Auch ihr Mann, Lukars Vater, den er niemals kennenlernen sollte, hatte sie ausgelacht. Es war Erntezeit, und sie würde die Festlichkeiten verpassen. Doch seine Mutter, Miak-I, hatte Recht. Zwei Wochen nach ihrer Flucht aus dem Dorf hörte sie, dass es in der Nacht ausradiert worden war, ohne Überlebende. Rihad und Taneth waren beide gefallen. Der Thronräuber war nicht aufzuhalten.
Lukar kam in einem Flüchtlingslager zur Welt und wuchs in verschiedenen Lagern überall in Hammerfell auf. Seine Freundschaften dauerten immer nur ein paar Tage. Er wusste, dass sie, wenn der Himmel im Westen rot glühte, packen und nach Osten weiterziehen würden. Wenn es im Süden brannte, zogen sie nach Norden. Endlich, nach zwölf Jahren des Wanderns von Lager zu Lager, hatten sie die Iliac-Bucht überquert, um in die Provinz Hochfels und die Baronie Dwynnen zu gelangen. Dort, so hatte Miak-I versprochen und gehofft, würden sie ein friedliches, dauerhaftes Heim finden.
Es war dort so grün, dass es ihn blendete. Im Gegensatz zu Hammerfell, das nur zu bestimmten Jahreszeiten und in bestimmten Gegenden grün war, grünte Dwynnen das ganze Jahr über, bis im Winter der erste Schnee fiel. Zuerst hatte Lukar sich davor gefürchtet. Jetzt, wo die Gefahr echt war, schämte er sich deswegen, doch die roten Wolken des Krieges, der Gestank und die Schmerzen der Flüchtlingslager waren ihm ja vertraut gewesen.
Inzwischen hatte der rote Himmel den Horizont der Bucht erreicht und kam näher, und er sehnte sich nach der Zeit, als das weiße Gestöber ihn zum Weinen gebracht hatte.
„Mankar!”rief die Bosmer-Frau erneut. „Er kommt, und er bringt den Tod!”
„Niemand kommt” sagte eine hübsche junge bretonische Heilerin und eilte an die Seite der Frau. „Still jetzt.”
„Hallo?” erklang eine Stimme von oben.
Alle im Raum schnappten nach Luft. Ein Bosmer hinkte die hinfällige Holztreppe hinunter, und sein freundliches Gesicht war ganz offensichtlich nicht das des Camoran-Thronräubers.
„Tut mir Leid, wenn ich euch erschreckt habe”, sagte er. „Ich habe gehört, dass es hier Heiler geben soll, und ich könnte Hilfe gebrauchen.”
Rosayna eilte zu ihm, um sich die Wunden an Brust und Bein des Bosmer anzusehen. Etwas zerrauft, aber immer noch schön, war sie eine der Favoritinnen im Freudenhaus gewesen und hatte ihre Heilkünste neben den Fähigkeiten ihres Gewerbes im Hause Dibellas erlernt. Vorsichtig, aber flink zog sie ihm den zerrissenen ledernen Brustpanzer, die Kniehosen, Beintaschen, Beinschienen und Stiefel aus und legte alles zur Seite, um die Verletzungen zu untersuchen.
Der alte Rothwardonenkrieger hob die Kleidung auf und untersuchte sie. „Ihr wart im Krieg?”
„Nun, eher drum herum”, sagte der Bosmer lächelnd und zuckte unter Rosaynas Berührung zusammen. „Dahinter, daneben, davor. Ich heiße Orben Elmlock. Ich bin Kundschafter. Ich versuche, den eigentlichen Gefechten aus dem Weg zu gehen, damit ich zurückkehren und berichten kann, was ich gesehen habe. Eine gute Aufgabe für Leute, die die Farbe ihres eigenen Blutes nicht besonders mögen.”
„Hzim”, sagte der Krieger und schüttelte Orbens Hand. „Ich kann nicht mehr kämpfen, doch diese Rüstung kann ich noch reparieren, wenn Ihr zurückgehen wollt.”
„Ihr seid Lederschmiedin?”
„Nö, nur allgemein handwerklich begabt”, antwortete Hzim und öffnete einen kleinen Wachsbehälter, um das harte, aber biegsame Leder zu bearbeiten. „Ich konnte allerdings an Eurer Rüstung sehen, dass Ihr ein Kundschafter seid. Könnt Ihr uns sagen, was Ihr herausgefunden habt? Wir sind schon einen halben Tag hier unten, ohne Nachricht von draußen.”
„Die gesamte Iliac-Bucht ist Schauplatz einer riesigen Seeschlacht”, sagte Orben und seufzte, als Rosaynas Zauber begann, seine zerfetzten, aber oberflächlichen Wunden zu schließen. „Wir haben die Invasion von der Mündung der Bucht blockiert, aber ich kam von der Küste, und das Heer des Feindes marschiert über die Wrothgarian-Berge. Dort bin ich in mein kleines Scharmützel geraten. Es überrascht nicht allzu sehr, dass die Flanke von der Seite herangeführt wird, während die Front mit dem Kampf beschäftigt ist. Das ist ein Zug direkt aus Camoran Kaltos' Trickkiste, dessen sich nun der Hart-König bedient.”
„Der Hart-König?” fragte Lukar. Er hatte still zugehört und alles verstanden, bis auf dies.
„Haymon Camoran, der Camoran-Thronräuber, Haymon Hart-König, sie sind ein und derselbe, mein Junge. Er ist ein schwieriger Kerl und braucht mehr als einen Namen.”
„Ihr kennt ihn?” fragte Miak-I und trat vor.
„Seit fast zwanzig Jahren, vor dieser ganzen finsteren, blutigen Geschichte. Ich war Camoran Kaltos' Hauptkundschafter, und Haymon war sein Hexer und Berater. Ich habe ihnen beiden geholfen, als sie sich den Camoran-Thron holen wollten, und bei der Eroberung von - Autsch!”
Rosayna hatte aufgehört, ihn zu heilen. Mit Augen voller Zorn hatte sie ihren Zauber umgekehrt, und die geschlossenen, geheilten Wunden öffneten sich wieder, dunkle Entzündungen kehrten zurück. Sie hielt ihn mit überraschender Kraft nieder, als Orben zurückzuweichen wollte.
„Du Dreckskerl”, zischte die Heiler-Kurtisane. „Ich habe eine Kusine in Falinesti, eine Priesterin.”
„Es geht ihr gut!” jaulte Orben. „Fürst Kaltos bestand darauf, dass niemand zu Schaden kommen sollte, der keine Bedrohung darstellt...”
„Ich glaube, die Einwohner von Kvatch würden dem nicht unbedingt zustimmen”, sagte Hzim mit kalter Stimme.
„Das war furchtbar, das Schlimmste, was ich je gesehen habe”, nickte Orben. „Kaltos weinte, als er sah, was Haymon getan hatte. Mein Herr tat, was er konnte, um ihm Einhalt zu gebieten, und flehte den Hart-König an, nach Valenwald zurückzukehren. Doch der wandte sich gegen Kaltos, und wir flohen. Wir sind nicht eure Feinde, und wir sind es nie gewesen. Kaltos konnte nichts tun, um das Grauen zu verhindern, das der Thronräuber über den Westen Colovias und Hammerfell gebracht hat, und er kämpft seit fünfzehn Jahren darum, noch Schlimmeres zu verhindern.”
Das Furcht erregende, bestialische Brüllen raste erneut durch den Keller, noch lauter als zuvor. Die Verwundeten konnten nur in hilflosem Schrecken aufstöhnen.
„Und was ist das?” höhnte Miak-I. „Noch ein Trick von Camoran Kaltos, den der Thronräuber übernommen hat?”
„Es ist tatsächlich ein Trick”, schrie Orben, um das Kreischen zu übertönen. „Es handelt sich um ein Phantom, mit dem er Leute erschreckt. Zu Anfang, als seine Macht noch wuchs, benutzte er Schrecktaktiken, und nun muss er wieder auf sie zurückgreifen, denn seine Macht schwindet. Deshalb brauchte er zwei Jahre, um Valenwald zu erobern, und weitere dreizehn, um Hammerfell halb zu erobern. Ich will euch Rothwardonen nicht beleidigen, doch es ist nicht allein euer Kampfgeschick, das ihn aufgehalten hat. Er hat nicht mehr die Unterstützung, die er früher von seinem Gebieter bekam...”
Das widerhallende Brüllen wurde lauter, bevor es erneut erstarb.
„Mankar!” stöhnte die Bosmer-Frau. „Er kommt, und er wird alles vernichten!”
„Sein Gebieter?” fragte Lukar, doch Orben sah nun die Bosmer-Frau an die zusammengerollt auf ihrem blutgetränkten Feldbett lag.
„Wer ist das?” fragte Orben Rosayna.
„Nun, eine der Flüchtlinge aus Eurem freundlichen kleinen Krieg in Valenwald, bevor Ihr und Euer Kaltos die Seiten gewechselt habt”, antwortete die Heilerin. „Ich glaube, sie heißt Kaalys.”
„Bei Jephre”, flüsterte Orben, hinkte hinüber zum Feldbett der Frau und wischte ihr das schweiß- und blutverklebte Haar aus dem bleichen Gesicht. „Kaalys, ich bin's, Orben. Erinnert Ihr Euch an mich? Wie seid Ihr hierher gekommen? Hat er Euch wehgetan?”
„Mankar!” stöhnte Kaalys.
„Das ist alles, was sie von sich gibt”, sagte Rosayna.
„Ich weiß nicht, wen sie meint”. Orben runzelte die Stirn. „Nicht den Thronräuber, obwohl sie ihn auch kannte. Sehr gut sogar. Sie war eine seine Favoritinnen.”
„Seine Lieblinge, Ihr, Kaltos, sie, scheinen sich alle gegen ihn zu wenden”, sagte Miak-I.
„Und eben darum wird er auch fallen”, antwortete Hzim.
Schritte von gepanzerten Stiefeln gingen über die Decke, und die Kellertür sprang auf. Es war der Hauptmann von Baron Othroks Schlosswache. „Die Docks brennen! Wenn ihr nicht sterben wollt, müsst ihr Zuflucht im Schloss Wichtmoor suchen!”
„Wir brauchen Hilfe!” rief Rosayna zurück, doch sie wusste, dass die Wachen für die Verteidigung benötigt wurden, nicht um Kranke in Sicherheit zu bringen.
Mit der Hilfe von zehn Wachen, die abgestellt werden konnten, und derjenigen Verwundeten, die noch am kräftigsten waren, leerte sich der Keller, während sich die Straßen von Dwynnen mit Rauch füllten und ein feuriges Chaos sich verbreitete. Es war ein einzelner Feuerball gewesen, auf See abgeschossen und fehlgeleitet, der die Docks getroffen hatte, doch die Schäden würden schrecklich sein. Einige Stunden später konnten die Heiler im Hof des mächtigen Schlosses die Feldbetten aufstellen und erneut beginnen, sich um die Leiden der Unschuldigen zu kümmern. Die erste Person, die Rosayna fand, war Orben Elmlock. Selbst mit seinen neu aufgebrochenen Wunden hatte er geholfen, zwei Patienten ins Schloss zu tragen.
„Es tut mir Leid”, sagte sie, als sie ihre heilenden Hände auf seine Wunden drückte. „Ich bin in Wut geraten. Ich habe vergessen, dass ich eine Heilerin bin.”
„Wo ist Kaalys?” fragte Orben.
„Ist sie nicht hier?” sagte Rosayna und sah sich um. „Sie muss fortgerannt sein.”
„Fortgerannt? Aber war sie denn nicht verwundet?”
„Es war zwar keine gesunde Situation, doch junge Mütter tun manchmal die seltsamsten Dinge, wenn alles vorbei ist.”
„Sie war schwanger?” Orben schnappte nach Luft.
„Ja. Die Geburt war letzten Endes doch nicht so schwer. Sie hielt den Jungen im Arm, als ich sie zuletzt sah. Sie sagte, sie hätte es allein geschafft.”
„Sie war schwanger”, murmelte Orben erneut. „Die Geliebte des Camoran-Thronräubers war schwanger.”
Im Schloss verbreitete sich rasch die Neuigkeit, dass die Schlacht, und noch besser, dass der Krieg vorbei war. Haymon Camorans Streitkräfte waren auf See wie auch in den Bergen geschlagen worden. Der Hart-König war tot.
Lukar betrachtete von den Zinnen aus die dunklen Wälder, die Dwynnen umgaben. Er hatte von Kaalys gehört, und er stellte sich vor, wie die verzweifelte Frau mit ihrem neugeborenen Baby im Arm in die Wildnis floh. Kaalys würde keinen Ort haben, an den sie gehen konnte, niemanden, der sie beschützte. Sie und ihr Baby würden Flüchtlinge sein, so wie Miak-I und er es gewesen waren. Als er zurückdachte, erinnerte er sich an ihre Worte.
Er kommt. Er kommt, und er bringt den Tod. Er wird alles vernichten.
Lukar erinnerte sich an ihre Augen. Sie war krank gewesen, doch nicht ängstlich. Wer war dieser „Er”, der kommen würde, wenn der Camoran-Thronräuber tot war?
„Hat sie sonst nichts gesagt?” fragte Orben.
„Doch, sie hat mir den Namen des Babys genannt”, antwortete Rosayna. „Mankar.”