Oblivion:Der verschlossene Raum

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Diese Seite enthält den Text von Der verschlossene Raum aus The Elder Scrolls III: Morrowind.

Inhalt

Der verschlossene Raum
von
Porbert Lyttumly

Yana war genau die Art Schülerin, die ihr Mentor Arthcamu verachtete: eine professionelle Amateurin. Ihm gefielen die Verbrecher, die normalerweise in der Festung zu seinen Schülern gehörten: gewöhnliche Einbrecher oder raffinierte Erpresser oder Kinder und Jugendliche, die den Ehrgeiz hatten, mit Hilfe der Kunst des Schlösserknackens Karriere zu machen hatten. Sie waren immer an einfachen Lösungen interessiert, während Menschen wie Yana auf Ausnahmen, Möglichkeiten, Exotisches erpicht waren. Sehr lästig für einen Pragmatiker wie Arthcamu.


Die Jungfrau der Rothwardonen stand stundenlang vor einem Schloss, stocherte mit ihren Drähten und Dietrichen, spielte mit den Kern- und Gehäusestiften herum und untersuchte die Zylinder mit einer lässigen, für Verbrecher ganz und gar untypischen Faszination. Während die anderen Schüler ihre Testschlösser schon lange geöffnet hatten und mit anderen Dingen beschäftigt waren, spielte Yana immer noch an ihrem Schloss herum. Die Tatsache, dass es ihr am Ende jedoch immer gelang, selbst die schwierigsten Schlösser zu öffnen, verärgerte Arthcamu noch mehr.


„Du machst das alles viel zu umständlich”, brüllte er und gab ihr eine Ohrfeige. „Geschwindigkeit ist entscheidend, nicht nur technisches Know-how. Ich bin sicher, dass selbst wenn ich direkt vor deiner Nase einen Schlüssel in das Schloss stecke, du es immer noch nicht auf bekommst.”


Yana ertrug Arthcamus Peinigungen mit philosophischer Gelassenheit. Schließlich hatte sie ihn im Voraus bezahlt. Natürlich war Geschwindigkeit ein sehr wichtiger Punkt für einen Schlossknacker, der sich Zugang zu verbotenen Bereichen verschaffen wollte, während ihm die Stadtwache auf den Fersen war. Yana wusste jedoch, dass das auf sie nicht zutraf. Sie wollte nur wissen, wie es ging.


Arthcamu versuchte alles, um Yana zu größerer Geschwindigkeit anzutreiben. Je mehr er sie anschrie und schlug, desto mehr Zeit verbrachte sie mit den einzelnen Schlössern und studierte ihre Eigenarten und Besonderheiten. Zum Schluss konnte er es nicht mehr ertragen. Eines späten Nachmittags, als Yana wieder einmal an einem ganz normalen, einfachen Schloss herumgebummelt hatte, packte Arthcamu das Mädchen am Schlafittchen und schleppte es in einen Raum der Festung, weit, weit weg von den anderen Schülern in einem Bereich, zu dem ihnen der Zutritt verboten war.


Der Raum war komplett leer, bis auf eine große Kiste genau in der Mitte. Außer der Eingangstür gab es weder Fenster noch Türen. Arthcamu stieß seine Schülerin gegen die Kiste und schloss die Tür hinter ihr. Sie fiel mit einem deutlichen Klack ins Schloss.


„Dies ist ein Test für meine fortgeschrittenen Schüler”, lachte er durch die Tür. „Nun schau mal, ob du da raus kommst.”


Yana lächelte und begann, das Schloss auf ihre eigene, gemächliche Art zu untersuchen. Nach ein paar Minuten hörte sie wieder Arthcamus Stimme durch die Tür.


„Vielleicht sollte ich dir noch sagen, dass dies ein Geschwindigkeitstest ist. Siehst du die Kiste hinter dir? In dieser Kiste ist ein alter Vampir, der dort seit vielen Monaten eingesperrt ist. Er ist total ausgehungert. In wenigen Minuten wird die Sonne ganz untergegangen sein. Wenn du bis dann die Tür nicht geöffnet hast, wird von dir nicht mehr als eine blutleere Hülle übrig bleiben.”


Yana überlegte kurz, ob Arthcamu sich einen Scherz mit ihr erlaubte. Sie wusste ja, dass er ein böser und grausamer Mann war, aber würde er wirklich morden, um einem Schüler eine Lehre zu erteilen? In diesem Moment hörte sie auch schon ein Rascheln aus der Kiste und alle Zweifel waren beseitigt. Ganz entgegen ihrer normalen Arbeitsweise jagte sie den Draht ins Schloss, bohrte ihren Stift gegen den Druckriegel und stieß die Tür auf.


Arthcamu stand im Gang und lachte grausam. „Tja, nun hast du wohl den Vorteil schnellen Arbeitens kennen gelernt.”


Yana kämpfte mit den Tränen und floh aus Arthcamus Festung. Er war sich sicher, dass sie nicht in seine Obhut zurückkehren würde, und dachte sich, dass er ihr wenigstens eine wertvolle Lektion erteilt hatte. Als sie am nächsten Morgen wiederkam, ließ sich Arthcamu keinerlei Überraschung anmerken, innerlich jedoch schäumte er vor Wut.


„Ich werde dich in Kürze verlassen, erklärte sie leise. „Ich glaube, ich habe eine neue Art von Schloss entwickelt und ich wäre dir dankbar, wenn du mir deine Meinung darüber sagen könntest.”


Arthcamu zuckte mit den Achseln und sagte ihr, sie solle ihren Entwurf vorlegen.


„Ich dachte mir, vielleicht kann ich das Schloss in den Vampir-Raum einbauen. Ich glaube, dann kann ich es besser vorführen.”


Arthcamu war unschlüssig, aber der Gedanke, dass dieses lästige Mädchen schon bald weg sein würde, machte ihn nachsichtig und hob seine Laune. Er erlaubte ihr den Zugang zum Vampir-Raum. Den ganzen Morgen und den größten Teil des Nachmittags arbeitete sie neben dem schlummernden Vampir, entfernte das alte Schloss und baute ihre Neuerfindung ein. Als sie fertig war, bat sie ihren ehemaligen Meister, einen Blick darauf zu werfen.


Er betrachtete das Schloss mit sachverständigem Blick und war nicht sehr beeindruckt.


„Dieses Schloss ist das erste und einzige einbruchsichere Schloss”, erklärte Yana. „Man kann es nur auf eine Art öffnen, nämlich mit dem richtigen Schlüssel.”


Arthcamu war belustigt und ließ sich von Yana in den Raum einschließen. Das Schloss schnappte ein und er begann mit der Arbeit. Zu seinem Entsetzen musste er feststellen, dass das Öffnen des Schlosses offenbar doch schwieriger war, als er gedacht hatte. Er versuchte all seine Tricks, um die Tür schnell zu öffnen, bis er feststellte, dass er auf die verhasste Methode seiner Schülerin zurückgreifen musste - die sorgfältige und gründliche Untersuchung.


„Ich muss jetzt gehen, sagte Yana auf der anderen Seite der Tür. „Ich werde die Stadtwache zur Festung bringen. Ich weiß, dass das gegen die Regeln verstößt, aber ich denke, es ist nicht zum Wohle der Dorfbewohner, wenn ein hungriger Vampir frei herumläuft. Es wird schon dunkel, und auch wenn du nicht in der Lage bist, die Tür zu öffnen, ist der Vampir mit Sicherheit nicht zu stolz, den Schlüssel zu benutzen, um zu entkommen. Erinnerst du dich, wie du zu mir gesagt hast: „Selbst wenn ich in das Schloss direkt vor deiner Nase einen Schlüssel stecke, bekommst du es immer noch nicht auf?”


„Warte!”, rief Arthcamu ihr zu. „Ich möchte den Schlüssel verwenden! Wo ist er? Du hast vergessen, ihn mir zu geben!”


Aber er erhielt keine Antwort, sondern hörte nur den Hall ihrer Schritte, als sie sich hinter der Tür über den Gang entfernte. Arthcamu begann, das Schloss wie wild zu bearbeiten, aber seine Hände zitterten vor Furcht. Da der Raum keine Fenster hatte, war es ihm unmöglich, festzustellen, wie spät es war. Waren Minuten vergangen oder vielleicht schon Stunden? Er war sich sicher, dass der Vampir das ganz genau wusste.


Arthcamus Werkzeuge litten unter seinen nervösen Händen, mit denen er drehte und stocherte. Der Draht brach im Schlüsselloch ab wie bei einem Anfänger. Arthcamu brüllte und donnerte mit den Fäusten gegen die Tür, aber er wusste, dass ihn unmöglich jemand hören konnte. Und gerade als er Atem für einen erneuten Schrei holte, hörte er das unverkennbare Knarren der Kiste hinter sich.


Der alte Vampir betrachtete den Meister der Schlösser mit irrsinnigen, hungrigen Augen und raste wie im Wahnsinn auf ihn zu. Und ehe Arthcamu starb, sah er es: An einer Kette, die um den Hals des schlafenden Vampirs gelegt worden war, hing ein Schlüssel.